Stefania Flenga kann nicht klagen. Besser: Sie sprüht vor Zuversicht, wenn sie über die Perspektiven des griechischen Tourismus spricht. "Unser Geschäft brummt. Wir sind sehr zufrieden", sagt sie. Die 49-Jährige muss es wissen. Sie fungiert seit fünfzehn Jahren als Hotelmanagerin einer bekannten griechischen Hotel-Gruppe mit drei gehobenen Design- und Boutiquehotels in Athen.
Aber mit einem Problem hat Stefania Flenga doch zu kämpfen: Personalmangel. "Ja, den haben wir. Wir haben freie Stellen", sagt sie. Doch so schlimm wie in anderen Hotels sei es in ihren Unterkünften nicht. Denn: "Fünf-Sterne-Hotels haben es leichter, Personal zu finden", erklärt Hotelmanagerin Flenga. Den Beschäftigten komme entgegen, dass ihre Hotels zwölf Monate im Jahr und nicht nur im Sommer geöffnet seien. "So braucht sich unser Personal nicht ständig umzustellen."
Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass der griechische Tourismussektor unter einem starken Personalmangel leidet. Das Motto lautet: "Köche und Kellner verzweifelt gesucht." Nun liegen erstmals konkrete Zahlen dazu vor. Geliefert hat sie eine Studie des Forschungsinstituts des griechischen Verbandes der Touristikunternehmen (Insete) unter dem Titel "Beschäftigung und Personalmangel in den griechischen Hotels auf dem Höhepunkt der Sommersaison im Sommer 2022". Die Erkenntnis aus der 69 Seiten starken Insete-Studie: 60.225 Stellen blieben unbesetzt, alleine in den griechischen Hotels wohlgemerkt.
Wenig Lohn für lange Arbeit
Die insgesamt 10.133 hellenischen Hotels aller Kategorien boten im Sommer des vorigen Jahres genau 262.981 Stellen an, so die Insete-Studie. Sie konnten letztlich lediglich 202.756 Stellen besetzen. Das entspricht einer Unterbesetzungsquote von 23 Prozent. Anders gesagt: Mehr als jede fünfte Stelle blieb frei.
Zahlenmäßig am größten war der Mangel an Zimmermädchen mit insgesamt 7.360 unbesetzten Stellen, Köchen mit 6.062 freien Stellen, Kellnern mit 5.164 freien Stellen, Hilfskellnern (3.883 freie Stellen), Rezeptionisten (3.460) sowie Baristas (2.729). Doch auch an anderen Stellen herrschte in den griechischen Hotels ein akuter Personalmangel: Es fehlten 2.054 Techniker, 1.443 Gärtner sowie 828 Lagerarbeiter.
In absoluten Zahlen wurden die meisten Personalengpässe in den Vier-Sterne-Hotels (16.381 freie Stellen) und Drei-Sterne-Hotels (15.361 freie Stellen) festgestellt, während die Fünf-Sterne-Hotels den geringsten Anteil an vakanten Stellen gemessen an ihrem Bedarf aufweisen.
Ob in Korfu, Kreta, auf den Kykladen, Kos, Rhodos oder anderswo: Besserung ist nicht in Sicht, auch nicht zum Start in die neue Tourismussaison in Hellas. Nicht nur in den Hotels in Griechenland, sondern auch in hierzulande tausenden Restaurants, Tavernen, Cafés, Bars und Nachtklubs oder sonstigen tourismusrelevanten Betrieben wie Autovermietungen fehlen Arbeitskräfte an allen Ecken und Enden. Und dies, obgleich in Griechenland im laufenden Jahr ein neuer Tourismusrekord erwartet wird.
Dabei sind in Griechenland viele Menschen ohne Arbeit. Die Erwerbslosenquote betrug in Hellas im Jahr 2022 im Schnitt 12,38 Prozent. Das ist in der EU mit ihren 27 Ländern der zweithöchste Wert und etwa doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Nur in Spanien herrscht ein noch größerer Mangel an Arbeitsplätzen.
Die Gründe für den akuten Personalmangel in der griechischen Tourismusbranche sind Experten zufolge zum einen die im EU-Vergleich niedrige Gehälter und Löhne. Ferner schrecken intensive und lange Arbeitszeiten potenzielle Arbeitskräfte ab. Hinzu kommt eine Umorientierung vieler Arbeitskräfte weg von Tourismus- und Gastronomiebetrieben hin zu anderen Branchen. Der Grund dafür ist die Bekämpfung der Corona-Pandemie mit auch hierzulande harten Maßnahmen wie Lockdowns, Hotelschließungen inklusive.
Tourismussektor blüht auf
Doch mittlerweile boomt der griechische Tourismus. Im Gesamtjahr 2022 knüpfte Hellas Reisebranche mit Blick auf die Zahl der Ankünfte von Urlaubern aus dem Ausland sowie die Direkterlöse, sprich: die Ausgaben der Touristen vor Ort, beinahe an die Rekordmarken aus 2019 an. Konkret strömten 2022 insgesamt 27,83 Millionen Urlauber aus aller Welt nach Griechenland.
Dies sind zwar 11,2 Prozent weniger als im Rekordjahr 2019. Zugleich betrugen die Direkterlöse im griechischen Tourismussektor im abgelaufenen Jahr stattliche 17,63 Milliarden Euro. Das sind nur drei Prozent weniger als 2019, als sie 18,2 Milliarden Euro erreichten. Die Pro-Kopf-Ausgaben pro Urlauber stiegen von 564 Euro im Jahr 2019 auf 619 Euro im Hellas-Urlaub 2022. Dies bedeutet einen Anstieg um 9,7 Prozent. Fazit: Griechenland hatte 2022 zwar etwas weniger Touristen als im Jahr 2019, die jedoch jeweils deutlich mehr als zuvor für ihren Urlaub in Hellas ausgaben. Den akuten Personalmangel im Tourismussektor scheint dies aber nicht zu lösen.