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Der neue Run auf die libyschen Öl-Milliarden hat längst begonnen

Von Helmut Dité

Wirtschaft

„Petro-Dollars nicht mehr nur für eine kleine Elite.”


Rom/Wien. Die Öl-Milliarden sind der Schlüssel für Libyens Zukunft: Vor dem Aufstand hat das Land, das über riesige Reserven verfügt, zuletzt seit 2005 jedes Jahr Öl und Gas im Wert von rund 44 Milliarden Dollar exportiert und bis Ende 2010 Devisenreserven in Höhe von mehr als 110 Milliarden Dollar angehäuft. Rechnerisch kamen im Vorjahr mehr 11.300 Dollar BIP pro Kopf heraus - mehr als in anderen dynamisch wachsenden Schwellenländern wie Russland, der Türkei oder Brasilien.

Der Wohlstand sei bisher aber weitgehend nur dem Umfeld des Regimes von Muammar Gaddafi zugutegekommen, sagte der Libyen-Experte Imad al-Anis von der Universität Nottingham.

Der Nationale Übergangsrat der Rebellen müsse nun das Öl wieder zum Fließen bringen und das damit verdiente Geld in Projekte stecken, von denen alle Teile des Landes und der Bevölkerung profitierten: „Er muss zeigen, dass dies nicht ein weiteres Beispiel dafür ist, wie eine kleine Elite den ganzen Öl-Wohlstand behält”.

Die Aussichten auf eine baldige Rückkehr nach Libyen beflügeln unterdessen die Aktien jener Konzerne, die in den letzten Jahren Gaddafis besonders aktiv waren, darunter vor allem die staatliche italienische ENI und die französische Total, aber auch Österreichs Energiekonzern OMV.

„Klar, dass Italien eine Hauptrolle spielen wird”

Bis vor Beginn des Bürgerkriegs hatte ENI in der ehemaligen italienischen Kolonie eine Tagesproduktion von fast 250.000 Fass. Libyen war vor dem Bürgerkrieg zum drittgrößten Gaslieferanten Italiens avanciert, geplant war ein massiver Ausbau der bestehenden Pipeline, die die beiden Länder verbindet.

„ENI-Personal ist zur Reaktivierung der Produktionsanlagen nach Benghazi gerufen worden. Die Produktionsanlagen waren von italienischen Firmen gebaut worden. Es ist klar, dass ENI eine Hauptrolle in Libyen spielen wird”, erklärte der italienische Außenminister Franco Frattini. Optimistisch zeigte sich auch ENI-Präsident Giuseppe Recchi. „ Für uns öffnet sich ein Markt wieder, aus dem 13 Prozent unseres Umsatzes stammten”, so Recchi.

Auch die österreichische OMV hatte bereits Ende Juni erste Kontakte mit Vertretern des libyschen Übergangsrates. Mit der Wiederaufnahme der Ölproduktion in Libyen sei aber erst in mehreren Monaten zu rechnen, hieß es. Vor den Kämpfen in Libyen hatte die OMV dort 33.000 Fass pro Tag Öl produziert, mehr als ein Zehntel der Eigenförderung des Konzerns.

China fordert Schutz seiner Investitionen

Die Volksrepublik China - in den letzten Jahren Großabnehmer libyschen Öls und mit den beiden staatlichen Ölkonzernen CNOOC und Sinopec sowie zahlreichen anderen Firmen im Land präsent - hat die Rebellen unterdessen aufgefordert, ihre Investitionen in Libyen nach einer Machtübernahme zu schützen. Die Regierung in Peking hoffe, dass Libyen „nach einer Rückkehr zur Stabilität die Interessen und Rechte der chinesischen Investoren respektiere”, sagte ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums am Dienstag. Eine Fortsetzung der wirtschaftliche Kooperation der beiden Länder sei auch im Interesse Libyens. Am Vortag hatte ein Rebellen-Vertreter mit der Kündigung von Ölverträgen gedroht, weil China die Aufständischen im Kampf gegen Gaddafi nicht unterstützt habe.

Guter Rat kommt auch aus Teheran

Der Iran hat die libyschen Rebellen davor gewarnt, nach einem Sieg gegen das Gaddafi-Regime ausländische Kräfte ins Land zu lassen. „Der Iran beglückwünscht das muslimische Volk Libyens zu den jüngsten Entwicklungen, appelliert aber auch, die Hegemonialmächte davon abzuhalten, in das post-revolutionäre Libyen einzugreifen”, so das Außenministerium in Teheran am Dienstag.