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Haftstrafen für Finanzbetrüger

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Barnier gibt Ratingagenturen Mitschuld an Krise, will manche Länderratings verbieten.


Brüssel. Seit dem Ausbruch der Krise vor zwei Jahren hat die EU bei der Finanzmarktregulierung bereits neue europäische Aufsichtsbehörden eingeführt, ist Hedgefonds auf die Zehen gestiegen und schränkte zuletzt Leerverkäufe und Wetten auf Staatspleiten ein. Doch Binnenmarktkommissar Michel Barnier ließ am Donnerstag keinen Zweifel daran, dass sein Feldzug gegen die Krise noch lange nicht vorbei ist. Mit der Reform der EU-Finanzmarktregeln (MiFID) und der Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD) sollen immer noch bestehende Schlupflöcher in der Finanzmarktregulierung gestopft sowie unlautere Geschäftspraktiken EU-weit strafrechtlich verfolgt werden.

Keine Ratings mehr für Krisenländer

Hart ins Gericht ging Barnier zudem mit den großen Ratingagenturen: Diese hätten die Krise nicht kommen gesehen, ihre Einschätzungen seien nicht korrekt gewesen. Daher seien sie "zum Teil auch Auslöser der Krise" gewesen. Jetzt schwingt das Pendel in die andere Richtung, laufend werden Euroländer massiv abgestuft - zuletzt auch Slowenien.

Diese Ratings müssten regelmäßig überprüft werden, um die Situation durch die laufenden Abwertungen nicht noch zu verschlimmern, sagte Barnier. Es sei legitim, die Bewertungen von Eurostaaten zu verbieten, welche Ziel eines Notkreditprogramms sind wie Griechenland, Irland und Portugal. Einen Gesetzesvorschlag zur Bändigung der Ratingagenturen will er bald vorlegen.

"Wir signalisieren möglichen Tätern in der gesamten EU klar und deutlich, dass sie mit Gefängnisstrafen rechnen müssen und als vorbestraft gelten, wenn sie sich des Insiderhandels oder der Marktmanipulation schuldig machen", sagte der französische EU-Kommissar weiter. Denn diese Praktiken führten zu Firmenpleiten, die Auswirkungen auf die Gesellschaft seien nicht einmal bezifferbar. "Die Moral ist hier total auf der Strecke geblieben", wetterte Barnier. Vor allem meint er damit Händler, die kursrelevante Insider-Informationen am Markt versilbern oder Kurse durch die Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen manipulieren, um selbst daraus einen Gewinn zu erzielen. Finanziell müssten ertappte Spekulanten mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Millionen Euro rechnen, ihre Firmen könnte es zehn Prozent des Umsatzes kosten. Strafbar sollen auch schon Anstiftung, Beihilfe und versuchter Marktmissbrauch sein. Österreich müsste da ziemlich nachschärfen, Markmanipulation ist derzeit bloß ein Verwaltungsdelikt mit 70.000 Euro Höchststrafe.

Außerbörslicher Handel soll abgeschafft werden

Damit die Behörden den unlauteren Zockern überhaupt auf die Spur kommen können, sollen bisherige tote Winkel ausgeleuchtet werden. So solle der bisher völlig unkontrollierte außerbörsliche Handel direkt zwischen zwei Finanzinstituten - zum Beispiel mit Derivaten - komplett abgeschafft werden, verlangte Barnier. Stattdessen sollen "organisierte Handelssysteme" (OTF) etabliert werden, welche denselben strengen Transparenzkriterien unterworfen würden wie Börsen.

Ins Visier nimmt die Kommission den Hochfrequenzhandel, bei dem Computerprogramme in Sekundenbruchteilen auf Marktentwicklungen reagieren und selbstständig massenhafte Kauf- oder Verkaufsorder durchführen. Aufgrund einer Panne in einem solchen System fiel der Dow-Jones-Index im Vorjahr einmal binnen Sekunden um fast zehn Prozent. Um solche Vorfälle zu vermeiden, soll die Anzahl der Aufträge künftig limitiert, der Hochgeschwindigkeitshandel mit ausreichend Liquidität unterlegt werden. Zudem soll es technische Notbremsen geben, die eingreifen, bevor sich die Algorithmen selbstständig machen und einen Marktplatz in den Abgrund reißen.

Übersichtlicher soll es auch an den Rohstoffbörsen werden. Um ausufernde Spekulationen mit Warentermingeschäften zu bremsen, müssen Händler ihre Positionen künftig melden, damit die Aufsicht besser intervenieren und bei Marktstörungen Limits für die Umsätze verhängen kann.