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"Die G20-Länder können nicht alle Probleme lösen"

Von WZ-Korrespondent Steffen Klatt

Wirtschaft
Die Angst vor einem globalen Zusammenbruch ist nicht groß genug, glaubt Simon Evenett, Experte für Welthandel.
© © HANNES-THALMANN

Welthandelsexperte Simon Evenett erwartet einen ungewöhnlichen Gipfel.


"Wiener Zeitung": Die G20 wollten zur Lösung der Eurokrise beitragen. Griechenland hat ihnen nun einen Strich durch die Rechnung gemacht. Haben sie irgendeine Chance?Simon Evenett: Die Bemühungen der G20 wurden durch die griechische Ankündigung unterbrochen. Gastgeber Frankreich hatte gehofft, eine klare Zustimmung zum Eurorettungsplan zu bekommen. Nun ist dieser Plan wieder unsicher. Die G20 werden Europa aufrufen, Pläne für den Fall vorzulegen, dass der Ausgang des Referendums negativ ist.

Die Tagesordnung der G20, also der Gruppe der wichtigsten Volkswirtschaften, wird nun durch einen kleinen Staat umgeworfen. Was heißt das für die Bedeutung der G20?

Die G20 umfassen weder alle Staaten, welche die Probleme ausgelöst haben, noch all diejenigen Länder, die Teil der Lösung sein können. Die G20 können nicht alle Probleme lösen.

Ist das griechische Referendum ein Affront gegen Gastgeber Nicolas Sarkozy?

Das ist ein Schlag ins Gesicht von Herrn Sarkozy. Er hat vergangene Woche gesagt, Griechenland hätte nicht der Eurozone beitreten dürfen. Ich vermute, dass die griechische Ankündigung nun die Rache dafür ist.

Kann der Druck der G20 helfen, die Eurokrise zu lösen?

Kaum. Sie werden versuchen, es nach außen so aussehen zu lassen, als sei es eine höfliche Diskussion gewesen. Aber sie werden erbittert miteinander ringen. Hier wird mehr Schein als Substanz geboten werden.

Welchen Sinn hat dann dieses Treffen?

Es gibt immerhin auch andere Themen, darunter die Stabilisierung der Lebensmittelpreise und die globalen Ungleichgewichte. Aber das Hauptthema wird die Krise in Europa und hier in der Eurozone sein.

Was ist die Leistung der G20 seit ihrer Gründung vor drei Jahren?

Bei ihrem Treffen im April 2009 in London haben die G20 beschlossen, ihre Volkswirtschaften mit einer Ausdehnung der staatlichen Ausgaben wieder in Gang zu bringen. Sie haben diese Maßnahmen dann sehr rasch umgesetzt. Sie haben damit bewiesen, dass sie wirksam zusammenarbeiten können - aber nur, wenn sie extrem verzweifelt sind. Heute sind sie es nicht. Die europäischen Staaten sehen verzweifelt aus, aber die anderen Staaten nicht. Wir haben nicht das gleiche Ausmaß von Angst wie 2009.

Die G20 haben stets versprochen, die Märkte offen zu halten. Haben sie ihr Versprechen gehalten?

Auf dem technischen Niveau haben die G20-Staaten ihre Märkte zunehmend abgeschottet. Aber das ist nicht mal die größte Herausforderung. Viele Staaten haben ihren Unternehmen finanzielle Hilfe zukommen lassen. Allein im letzten Quartal haben sowohl Brasilien als auch Japan solche Maßnahmen ergriffen. Nun sehen wir, wie die G20-Staaten einander wegen solcher Subventionen gegenseitig herausfordern, und das viel stärker in der Öffentlichkeit als bisher. Sie können damit zwar vor die Welthandelsorganisation gehen. Aber bis zu einer Entscheidung braucht es dort Jahre - in der Zwischenzeit profitieren die Firmen von den Subventionen.

Könnten die G20 die Bindung des Franken an den Euro als protektionistische Maßnahme werten?

Es ist keine protektionistische Maßnahme in dem Sinn, dass die Schweiz den Franken schwächen will, sondern vielmehr eine Reaktion auf die Schwäche des Euro.

Könnten die G20 wie einst die G8 in den Ruf kommen, nur eine Plauderrunde zu werden?

Dieses Risiko besteht. Aber wir sind noch nicht an diesem Punkt angekommen. Es gibt eine Chance, dass die G20 auf die jetzige Krise reagieren kann. Die Krise ist aber bereits sehr weit fortgeschritten. Es wird daher ein eher ungewöhnlicher Gipfel werden.

Liegt das auch daran, dass die "Schuldigen" für die derzeitige Krise, nämlich die Länder der hochverschuldeten Eurozone, mit am Tisch sitzen?

Das wird den Gipfel belasten. Es besteht die Gefahr, dass jeder am Tisch den anderen für die Krise verantwortlich macht. Es wird schwer sein, zu Ergebnissen zu kommen.