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Vom Wunderknaben zum präpubertären Bengel

Von Ulrich Glauber

Wirtschaft

Trotz Schuldenkrise ist die Hoffnung | in den Euro noch nicht verflogen.


Frankfurt. Zum Feiern scheint den Verantwortlichen nicht zumute zu sein. Zumindest die EU-Kommission hat für das zehnjährige Jubiläum der Einführung von Euro-Scheinen und -Münzen keine Festveranstaltung geplant. In der gegenwärtigen Atmosphäre ist das vielleicht auch besser so.

Ein Werbefilm der Europäischen Zentralbank (EZB) stieß bei der "Bild"-Zeitung jedenfalls auf harsche Ablehnung. "Blühende Landschaften, Brücken, die durch Europa führen, jubelnde Menschen wedeln mit frischen Euro-Scheinen, Feuerwerk bei der Einführung des Euro 2002", zählt das deutsche Boulevard-Blatt sarkastisch auf und kritisiert: "Was in dem sieben-minütigen Filmchen nicht auftaucht: die Griechenland-Pleite, der teure Euro-Rettungsschirm, die eiligen Krisengipfel von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy."

Zweifellos hat die europäische Gemeinschaftswährung von mehr als 330 Millionen Menschen in 17 Ländern durch die Schuldenkrise in der Eurozone viel von ihrem Glamour verloren. Dabei war das neue Geld, das man am 1. Jänner 1999 schon als Buchwährung bei Finanztransaktionen eingeführt hatte, vor zehn Jahren in den damals noch zwölf Teilnehmerländern mit der erwartungsvollen Spannung einer Weihnachtsbescherung erwartet worden.

Als am 14. Dezember 2001 in Frankreich und den Niederlanden Säckchen mit den blinkenden Münzen in Umlauf gebracht wurden, reisten Sammler aus dem Ausland an, um ein "Starter-Kit" zu erstehen. Drei Tage später waren die Münzpäckchen im Wert von 10,23 Euro zum Preis von 13,76 Schilling oder 20 D-Mark auch in Österreich und Deutschland zu haben. Für 300 Millionen Menschen in den damals noch zwölf Teilnehmerländern hatte endgültig begonnen, was als bisher größte Währungsumtauschaktion aller Zeiten in die Geschichte einging.

"Teuro" im Jahr 2002 zum

"Wort des Jahres" gekürt

Doch bald wich bei Normalverbrauchern die Genugtuung unter anderem darüber, bei Urlaubsreisen innerhalb Europas häufig kein Geld mehr umtauschen zu müssen, der Enttäuschung. Vor allem in Österreich und Deutschland konnte die neue Währung ihren Ruf als "Teuro" nicht mehr abschütteln. So häufig wurde das Wortspiel gleich in den ersten Monaten nach der Umstellung verwendet, dass es in der Bundesrepublik 2002 prompt zum "Wort des Jahres" ausersehen wurde. Hartnäckig hat sich der Eindruck trotz aller anderslautenden Statistiken gehalten.

Das mag daran liegen, dass die "gefühlte Inflation" vor allem auf die Preise häufig gekaufter Güter zurückzuführen ist. Und die Kosten für Waren wie Lebensmittel, Benzin oder Tageszeitungen sind seit der, wenn auch weniger wegen der Euro-Einführung tatsächlich deutlich gestiegen (siehe Artikel links unten).

EZB sieht ihr Ziel stabiler Preise durchaus erreicht

Dabei unterstreicht die in Frankfurt ansässige EZB nicht ohne Stolz, dass sie ihre Verpflichtung zu Gewährleistung von Preisstabilität durchaus erreicht hat. Die jährliche Teuerungsrate im Euro-Raum blieb im Durchschnitt unter der Marke von zwei Prozent, die von der Europäischen Zentralbank als Höchstgrenze angestrebt wird. Dagegen lag beispielsweise die jährliche Entwertung der D-Mark in den 50 Jahren ihres Bestehens im Mittel bei etwa 2,8 Prozent.

Die stabile Lage spiegelte sich auch im Abschneiden des Euro im Vergleich zu anderen Währungen. So hat sich der Wechselkurs zum US-Dollar nach anfänglichem Zucken lange positiv entwickelt.

Dass es dann ausgerechnet im zehnten Jahr zum Absturz kam, führen die Ökonomen auf die Sünden der Politik zurück. Die "Väter des Euro" hatten die Gefahr einer Gemeinschaftswährung ohne gemeinsame Stabilitätskriterien durchaus erkannt. In einem "Stabilitätspakt" vereinbarten sie deshalb Eckdaten für die Staatsschulden. Zudem versuchten sie der Versuchung einen Riegel vorzuschieben, sich auf Kosten der anderen zu verschulden. Als Warnung an die Kreditgeber verboten sie Hilfestellung durch EZB oder Euro-Partner, sollte ein Mitgliedsland seine Schulden nicht mehr zurückzahlen können.

Dass dieses Regelwerk nicht eingehalten wurde, ist nach Ansicht der Währungsexperten auch der Hauptgrund für den jetzigen Crash. Nicht von ungefähr zielen die Reparaturbemühungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel darauf, Verletzungen der Stabilitätskriterien automatisch zu sanktionieren.

Politiker mit dem Gebot

des Sparens überfordert?

Skeptiker wie der Schweizer Wirtschaftsprofessor Rolf Weder halten die Politik mit den Sparauflagen für überfordert. Dem Wissenschafter mit den Fachgebieten Außenwirtschaft und Europäische Integration fehlen innerhalb der Eurozone wichtige Stellschrauben der nationalen Regierungen, um die Finanzpolitik der eigenen Wirtschaftskraft anzupassen. Für hoch verschuldete Staaten wie Griechenland sei in diesem Fall nichts mehr zu machen, ohne die Gesellschaft durch Einkommens- und Sozialkürzungen vor eine Zerreißprobe zu stellen (siehe untenstehendes Interview).

Wie auch immer die Aussichten für eine Lösung stehen: Die Euro-Krise hat die Popularität der Gemeinschaftswährung stark geschwächt. Laut jüngsten Umfragen wünscht sich jeder zweite Deutsche die "gute, alte D-Mark" zurück. In Österreich hatten laut den Meinungsforschern im Frühjahr 2010 noch 70 Prozent der Menschen sehr großes oder großes Vertrauen in den Euro, jetzt sind es nur noch 40 Prozent. An seinen Fortbestand glauben nach neuesten Umfragen aber immerhin 68 Prozent der Österreicher.

Unternehmen loben

die Vorteile des Euro

Die Unternehmen, vor allem exportorientierte, bescheinigen dem Euro in ihrer Bilanz eine überragende volkswirtschaftliche Bedeutung. Einen wesentlichen Vorteil sehen sie darin, dass die Kosten für Währungsumtausch und Absicherung von Wechselkursschwankungen weggefallen sind.

Unter den großen Weltwährungen rangiert der Euro hinter dem US-Dollar auf Platz zwei (gefolgt vom japanischen Yen und britischen Pfund). Zwar werden immer noch knapp zwei Drittel der Weltwährungsreserven in Dollar gehalten, auf den Euro entfällt aber bereits mehr als ein Viertel. Am Devisenmarkt gehört der Euro neben dem Primus Dollar zu den meistgehandelten Währungen.