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Agrar- statt Umweltschutz

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Stützungen sinken wegen hoher Agrarpreise.


Paris. In den vergangenen 30 Jahren haben die Industriestaaten ihre Landwirtschaft noch nie so wenig subventioniert. Das ist freilich nicht die Folge eines bewussten Politikwandels, erläutern die Agrarexperten der Industriestaatenorganisation OECD: "Der aktuelle Rückgang bei den Produktionsbeihilfen hängt in vielen Ländern vielmehr mit den internationalen Preisentwicklungen zusammen." Mit anderen Worten: Wegen der stark gestiegenen Weltmarktpreise sind die nationalen Preisstützungen zurückgegangen. Dafür sind jedoch in etlichen Ländern die Hilfszahlungen für Bauern, die mit Natur- und Klimakatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürre konfrontiert waren, deutlich angestiegen.

Laut OECD beliefen sich die Subventionen für Produzenten im Jahr 2011 auf insgesamt 182 Milliarden Euro - das sind 19 Prozent des Bruttoeinkommens der Landwirte in den OECD-Ländern. Mitte der 1980er, als die OECD ihre Aufzeichnungen startete, war der Wert doppelt so hoch.

Spitzenreiter ist Norwegen

Die globalen Unterschiede, wie stark Agrarier gefördert werden, sind eklatant. Während Produzenten in Neuseeland, Australien und Chile von 2009 bis 2011 nur etwa 1 bis 4 Prozent der Bruttoeinnahmen von staatlicher Seite beziehen, stammen in Norwegen, der Schweiz, Japan, Korea und Island zwischen der Hälfte und zwei Drittel aus staatlichen Transfers.

Kritik übt die OECD daran, dass immer noch gut die Hälfte marktverzerrende Direktsubventionen seien (51 Prozent). Hingegen machten Fördermaßnahmen, welche eine ökologischere Produktion begünstigen - wie die nachhaltigere Nutzung von Boden und Wasser sowie Sicherung der Biodiversität - einen eher kleinen Anteil der Gesamtbeträge aus. Umweltziele würden oft mit Regeln und Zahlungen verfolgt, die sich gar nicht direkt an ökologischen Kriterien orientieren.

"Die Zuschüsse sollten sich stärker darauf konzentrieren, die landwirtschaftliche Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen", sagt OECD-Direktor Ken Ash. "Die Regierung sollten überdies mehr unternehmen, um die Umwelt zu schützen, eine nachhaltige Ressourcennutzung zu fördern und den Bauern zu ermöglichen, besser mit Risiken klarzukommen."

Die OECD glaubt nicht, dass die hohen Agrarpreise rasch wieder sinken: Dagegen sprächen die weltweit steigende Nachfrage, die durch den Klimawandel häufigeren Ernteausfälle und die starken Preisschwankungen auf den Märkten. Die Regierungen sollten sich auf eine Förderung der dringlichsten Ziele verlegen, sagt Ash. Dazu zählt er die Innovation in der gesamten Kette der Lebensmittelproduktion. Die OECD-Studie fällt genau in die heiße Phase der Verhandlungen für das Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EU nach 2013. Die politische Vorgabe lautete schon in den vorangegangenen Reformperioden, die Agrarpolitik verstärkt von Exportförderungen, Preisstützungen und Direktzahlungen wegzulenken. Solche Subventionen für die Produktion, welche den Wettbewerb stärker verzerren, machen laut OECD in der EU jetzt nur noch 25 Prozent aus. Stattdessen sollen ökologische und regionalpolitische Ziele verstärkt gefördert werden - diese werden in der EU von den Nationalstaaten mitfinanziert.

Der Anteil der Beschäftigten, die in der Landwirtschaft Arbeit finden, ist in der EU während der vergangenen 15 Jahre konstant bei 4,6 Prozent geblieben. Der Agraranteil an der Wirtschaftsleistung ist hingegen von 2,9 Prozent (1995) auf 1,7 Prozent (2010) gefallen.