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"BMW will neues Modell vermieten, nicht verkaufen"

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft
Telford erwartet Auto-Services ähnlich Mobilfunk-Flatrates.
© wko

Analyst Carl Telford sagt Wandel der Autohersteller zu Dienstanbietern voraus.


Wien. Radikale Umwälzungen stehen in der Automobilbranche bevor: Verkaufszahlen treten in den Hintergrund, die Hersteller wandeln sich zu Dienstanbietern - wie die Musikindustrie nach dem Aufkommen von Filesharing-Plattformen im Internet. Vorreiter dieses Trends ist BMW. "Sie wollen den i3 vor allem vermieten, nicht verkaufen", sagt Carl Telford. Das 2013 vom Band rollende und elektrisch angetriebene Modell der Bayern stehe prototypisch für die Absicht, wie bei Mobilfunkern Services gegen eine monatliche Gebühr anzubieten, urteilt Telford, Analyst von Strategic Business Insight, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Gemeinsam genutzt werden Autos bereits heute in europäischen und nordamerikanischen Großstädten. Während in Wien eine Tochter des Daimler-Konzerns mit dem bereits etablierten Smart reüssiert, wurde für Paris ein spezielles Elektrofahrzeug entwickelt. 1800 Fahrzeuge stellt "Autolib" seinen 37.000 Mitgliedern zur Verfügung.

Karten neu gemischt

Das Besondere am Pariser Leih-Pkw: Er wurde nicht federführend von einem der etablierten Autobauer entwickelt. Analyst Telford sieht gute Chancen für neue Fahrzeughersteller. So entwickelte Gordan Murray zwei kleine, leistbare Stadtautos. Der frühere Formel-1-Konstrukteur lizenziert lediglich das Design sowie das Produktionsverfahren - die Herstellung könne also auch ein noch nicht arrivierter Autobauer oder gar ein Neuling in der Branche übernehmen.

Auch die sozialen Medien tragen zur Veränderung der gewohnten Auto-Markenwelt bei. Der amerikanische Software-Consulter Joe Justice arbeitet mit 150 Mitgliedern in 15 Ländern, die er über Web-2.0-Plattformen kennengelernt hat, an dem Sportwagen "Wikispeed". Bei der Finanzierung geht das Team ebenfalls eigene Wege und lukriert Mittel über die Online-Community. "Wir haben in vielerlei Hinsicht mehr mit Google und Twitter als mit GM oder Toyota gemeinsam", urteilt "Wikispeed"-Gründer Justice.

Alles andere als in Marktnischen operieren die deutschen Autokonzerne, die Telford für die neuen Trend bestens gerüstet sieht; insbesondere die Volkswagen-Gruppe. Diese kann neben der globalen Präsenz ihrer Marken, zu denen auch Audi und Porsche zählen, auf ihre hohen Gewinne setzen. Aufstrebende und potenziell lästige Konkurrenz ließe sich dementsprechend leicht aufkaufen. Auch die US-Marken, allen voran General Motors, seien aufgrund wichtiger Patente und Kooperationsverträgen laut Telford gut gerüstet. Schlechter stehe dagegen um die französische Peugeot-Citroën-Gruppe.

Vernachlässigt werde bei den Zukunftstrends der Branche oft das Thema Reifen, kritisiert der Analyst. 2011 patentierten Forscher der Fachhochschule Leipzig Reifen, die je nach Wetter ihre Rillentiefe verändern - großes Markpotenzial für Millionen Fahrzeuge vom Pkw bis zu Trucks.

Carl Telford
ist Analyst bei Strategic Business Insight, einem Spin-off des Stanford Reseach Centers. Der Brite referierte im Rahmen des WKO-Tech Forum in Wien.