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Der Kampf gegen die Windmühlen der Mafia

Von WZ-Korrespondent Julius Müller-Meiningen

Wirtschaft

Cosa Nostra und ’Ndrangheta investieren in der Ökobranche.


Rom. Einst soll er ein mittelloser Elektriker gewesen sein. Dann entdeckte der Sizilianer Vito Nicastri sein Talent für das große Geschäft. Zuletzt hatte der Unternehmer ein Vermögen von insgesamt 1,3 Milliarden Euro angehäuft. Sein Geheimnis: die Konstruktion von Windparks und engste Verbindungen zur Mafia.

Als "König des Windes" bezeichnen Ermittler in Palermo den 57 Jahre alten Unternehmer aus Alcamo, dessen Vermögen im vergangenen April konfisziert wurde. Dazu zählten 43 Gesellschaften und Beteiligungen, knapp 100 Immobilien, sieben Fahrzeuge und Boote, 66 Bankkonten, Kreditkarten und Versicherungspolizzen.

Den größten Teil seines Vermögens bildeten mehrere Windparks in der westsizilianischen Provinz Trapani. Die Staatsanwälte vermuten, Nicastri habe seine Kontakte zu Politikern ausgenutzt und damit einen der größten Geschäftszweige der sizilianischen Cosa Nostra gefördert, das Geschäft mit der Windenergie. Nicastri errichtete die Windparks und verkaufte sie anschließend an internationale Konzerne weiter. Zum Nutzen der Mafia, für die er als Strohmann arbeitete.

Nach Informationen der Ermittler verkehrte Nicastri mit dem Who-is-Who der organisierten Kriminalität Süditaliens. Die Konstruktion der Windparks bei Trapani soll auf den letzten noch flüchtigen Superboss der Cosa Nostra zurückgehen, den unter anderem vom FBI gesuchten Matteo Messina Denaro. Die Clans in Palermo interessierten sich für Nicastris Geschäfte ebenso wie die Bosse in Messina, Catania und auf dem Festland in Kalabrien.

Die Festnahme Nicastris ist der bislang spektakulärste Erfolg von italienischen Staatsanwälten in ihrem Kampf gegen die Windmühlen der Mafia. Die erneuerbaren Energien, darunter vor allem die Windenergie, versprechen Profite, die auch die organisierte Kriminalität anziehen. Die europäische Polizeibehörde Europol schätzt die Summe der jährlich allein in Sizilien investierten Mittel für Wind- und Solarenergie auf sieben Milliarden Euro und stellte fest: Die Mafia investiert immer mehr in erneuerbare Energien. "Solche Projekte bieten attraktive Möglichkeiten, von großzügigen Zuschüssen der Mitgliedstaaten und der EU sowie Steuervorteilen zu profitieren", heißt es in einem Europol-Bericht.

Ob die Mafia direkt EU-Gelder kassiert hat, ist bislang nicht klar. Doch es sind Fälle bekannt, in denen das organisierte Verbrechen in Süditalien von staatlichen Mitteln aus Deutschland profitierte. Der "Stern" deckte auf, dass ein Windpark bei Crotone in Kalabrien von der schleswig-holsteinischen HSH Nordbank mit rund 200 Millionen Euro finanziert wurde, ein Projekt, in das vermutlich die ’Ndrangheta verwickelt ist. Italienische Staatsanwälte beschlagnahmten den Park.

Geldwäsche mit Windenergie

Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen wächst der Markt der Windenergie, seine Wachstumsrate wird auf über 50 Prozent geschätzt. Die Branche ist deshalb umkämpft, auch von Verbrechern. "Cosa Nostra will Geschäfte machen, die Organisation investiert dort, wo Profite winken", sagt der Antimafia-Staatsanwalt Maurizio De Lucia. Die kriminellen Organisationen haben es offenbar nicht nur auf Fördergelder abgesehen, ihr Ziel ist es vor allem, mit den prestigeträchtigen Ökoprojekten illegal erwirtschaftetes Geld zu waschen, etwa aus dem Drogen- oder Waffenhandel.

Allein in den Jahren 2007 bis 2011 zählten die Ermittler 126 Festnahmen in 17 Ermittlungsfahren. Das Schema, nach denen die Mafia operiert, ist immer gleich: Mittelsmänner wie Vito Nicastri treten mit den regionalen Behörden und mit lokalen Politikern in Kontakt, die über die Förderung entscheiden und für Genehmigungen zuständig sind. Genehmigungen werden per Bestechung erkauft, die Mafia verfügt auch über die Mittel zum Erwerb der Grundstücke. Ist der Bau eines Windparks erst einmal genehmigt, können die Bosse ihre Subunternehmer aus der Baubranche beteiligen. Die Anlagen werden schließlich an nationale und internationale Betreibergesellschaften weiterverkauft.

"Windenergie bedeutet Mafia", behauptete vor Jahren der für seine polemische Ader bekannte Kunstkritiker und ehemalige Bürgermeister der sizilianischen Kleinstadt Salemi, Vittorio Sgarbi. Inzwischen geben ihm Wissenschafter recht. "Die Investitionen im Windsektor sind in denjenigen italienischen Regionen am Häufigsten, in denen die organisierte Kriminalität besonders präsent ist", heißt es in einer aktuellen, in der Zeitschrift "Crime, Law and Social Change" veröffentlichten Studie. Sie trägt den Titel "Grüne Energie und Schattenwirtschaft: Die Mafia investiert im italienischen Windsektor".