Zum Hauptinhalt springen

Das kluge Haus weiß zu viel

Von Gregor Kucera

Wirtschaft

Die Elektronikbranche jubelt über neuen Markt, Datenschützer warnen.


Mountain View. Was tun, wenn das eigene Haus klüger wird als man selbst? Wenn es mehr weiß als jeder seiner Bewohner? Und wenn diese Häuser dann miteinander kommunizieren, über Eigenheiten, Vorlieben und die Alltagsthemen der Besitzer? Doch noch wichtiger, wenn diese Kommunikation von Dritten abgefangen und dann für Übles genutzt wird?

Diese Fragen stellt sich die Elektroindustrie derzeit höchstens hinter verschlossenen Türen. Wenige Tage nach dem Ende der weltgrößten Elektronikmesse CES in Las Vegas ist man bemüht, eines der großen Themen der Messe weiter voranzutreiben. Es geht um das "Smart Home", das "intelligente Heim" und wie man in Zukunft wohnen wollen soll. Die Schlagworte sind das vernetzte Haus, das Internet der Dinge und der intelligente Stromzähler, auch als "Smart Meter" bekannt. Die Grundidee ist so simpel wie logisch, wie auch herausfordernd, nicht nur für die Hersteller, auch für die Netzbetreiber und die Anwender: Alle Endgeräte sollen über das Internet miteinander kommunizieren, selbst wiederum fixer Bestandteil eines mit Sensoren und Chips bestückten Hauses sein, das seinerseits einen Teil des großen Ganzen darstellt.

Der in sich geschlossene Kreislauf könnte dann wie folgt aussehen: Der Hausbesitzer verlässt seine Bleibe, entdeckt im Auto jedoch, dass weder Alarmanlage noch Überwachungsroboter aktiviert wurden und zudem die Einkaufsliste, zwar fein säuberlich geschrieben, jedoch vergessen, am Tablet-PC am Wohnzimmer-Tisch liegen blieb. Aus dem Stau, direkt über das eingebaute Entertainment-System des Autos wird, natürlich über Touchscreen und mit Fingerabdruckscan gesichert, das integrierte Sicherheitskonzept des Hauses hochgefahren.

Knackpunkt: Stromverbrauch

Das Haus meldet offene Fenster, Innenraumtemperatur und fährt die Überwachungskameras hoch. Die Einkaufsliste am Tablet kann leider nicht abgerufen werden, da dem Endgerät der Saft ausgegangen ist; das Thema Stromverbrauch bleibt auch in Zukunft eines - keine Sorge. Der intelligente und natürlich mit dem Internet verbundene Thermostat wird nun angesteuert, die Temperatur entsprechend angepasst. Nun ruft das Auto den Kühlschrank an, die Einkaufsliste fehlt ja noch. Der Kühlschrank meldet seinen Inhalt und bietet auch gleich an, das Gewünschte online zu bestellen. Einige wenige, vielleicht auch mehrere, noch weiß man es nicht, Clicks weniger ist alles erledigt.

Schon seit geraumer Zeit sprechen die Hersteller von dieser Zukunft, bislang war es jedoch mehr ein medienwirksames Nischenthema, das in Vorzeigestudien innovativer Hersteller demonstriert wurde. Doch nun scheint der Zeitpunkt gekommen, da man sich mit dieser Thematik ernsthaft auseinandersetzen muss. Fernseher sind schon im Internet, Spielkonsolen auch, Kühlschränke haben Displays und Autos sollen zur fahrenden Multimedia-Zentrale werden.

Google mischt mit

Und dann gibt es noch einen Punkt: Google mischt mit. In der zweitgrößten Übernahme seiner Geschichte springt der Onlinekonzern nun auf den Trend zur Vernetzung von Hausgeräten auf. Der Internet-Gigant schluckt für 2,3 Milliarden Dollar den Thermostat- und Feuermelder-Hersteller Nest Labs, dessen rasantes Wachstum Google bereits mitfinanziert hat. Nicht nur intelligente Haushaltsgeräte wurden eingekauft, sondern auch ein gefeiertes Design-Team ehemaliger Apple-Mitarbeiter, zu dem auch der "Vater des iPod" zählt. Das Ziel von Nest sei, ungeliebte aber wichtige Hausgeräte neu zu erfinden, so der Konzern. "Google will als Rückgrat deines Haushalts daran beteiligt sein, wie du Energie verbrauchst oder Inhalte wie Musik konsumierst", meinte Pat Moorhead vom auf High-Tech spezialisierten Analyseunternehmen Moor Insights and Strategy. Google-Chef Larry Page pries in einer Stellungnahme das Talent des Nest-Teams. Google könne es kaum erwarten, "tolle Erlebnisse in mehr Haushalte zu bringen und Träume zu erfüllen".

Die Welt scheint hingegen noch weniger enthusiasmiert zu sein. Die Verbraucher sehen derzeit noch keinen Nutzen in einem derart vernetzten und kontrollierbaren Haushalt. Datenschützer orten neue Gefahren und warnen vor möglichen Sicherheitslücken durch vernetzte Kühlschränke, Autos und Stromzähler. Was wäre etwa, wenn der Einbrecher der Zukunft auf seinem Handy sehen könnte, wer gerade auf Urlaub ist, weil das Haus ihm dies meldet? Und nur weil der Zentralschlüssel durch eine Chipkarte ersetzt wird, gibt es noch nicht mehr Sicherheit. Allen Innovationen zum Trotz, eines ist gewiss: Sicherheit und IT-Lösungen sind die Janusköpfe der modernen Zeit.