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Das Internet vom Himmel

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft
Die Drohnen der nun von Google übernommenen Firma Titan Aerospace sollen fünf Jahre nonstop in der Luft bleiben können.
© google/titan

Mit gigantischen Drohnen wollen Google und Facebook auch die abgelegensten Regionen erreichen. Es winkt ein Milliardengeschäft.


New York. Im 1980 gedrehten Film "Die Götter müssen verrückt sein" fällt dem Buschmann Xi plötzlich die moderne Welt in Form einer Colaflasche vor die Füße. Verloren hat das seltsame Ding zwar der Pilot eines vorbeifliegenden Flugzeugs, doch für Xi und seinen Stamm, die in der Abgeschiedenheit der Kalahari-Wüste ohne Kontakt zur restlichen Welt leben, ist die Flasche ein Geschenk der Götter.

Als Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor knapp zwei Wochen von großen unbemannten Flugzeugen und dem Wunsch "das Internet vom Himmel aus zu den Menschen zu bringen" sprach, fühlte man sich unweigerlich an die südafrikanische Komödie mit dem Buschmann Xi erinnert. Doch die milliardenschweren Online-Giganten sind offenbar bereit, enorme Summen zu investieren, um das Internet auch an jeden noch so abgelegenen Ort in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu bringen. Am Montagabend gab Google den Kauf des US-Drohnenherstellers Titan Aerospace bekannt, auf den auch Facebook zuvor schon ein Auge geworfen hatte. Laut dem US-Sender CNBC hatte das soziale Netzwerk Anfang März um die 60 Millionen Dollar geboten, Insidern zufolge machte Google, das am Montag keine Auskunft über die für Titan bezahlte Summe gab, aber das Angebot, jedes Facebook-Offert überbieten zu wollen.

Dass zwei der größten Internetkonzerne derart um eine Firma mit 20 Mitarbeitern buhlen, hat vor allem mit den bisher präsentierten Titan-Entwürfen zu tun, die die derzeit fortgeschrittenste Variante einer Internet-Versorgung aus der Luft darstellen. Da die Drohnen, die mit einer Flügelspannweite von 50 Metern die Dimension einer Boeing 767 erreichen, mit Solarenergie angetrieben werden, können sie bis zu fünf Jahre nonstop in der Luft bleiben. Im Gegensatz zu den antennenbestückten Ballonen, mit denen Google im Rahmen des Loon-Projekts experimentierte, sind die Drohnen zudem auch weitgehend unabhängig von den Wetterbedingungen und durch die jahrelange militärische Forschung technisch ausgereifter.

Als stärkstes Argument für die fliegenden Funktürme, die 2015 die Serienreife erreichen sollen, gelten jedoch die Kosten. Mit knapp fünf Milliarden Menschen, die derzeit überhaupt noch keinen Zugang zum Internet haben, liegt aus Sicht der Internetgiganten ein riesiger Markt brach. In der Vergangenheit scheiterte die umfassende Internetanbindung in Entwicklungsländern vor allem an der mangelnden Infrastruktur und der geringen Kaufkraft. Die Telekom-Anbieter argumentierten beharrlich, dass sich die Errichtung von Kabelverbindungen oder Funktürmen in ärmeren und dünn besiedelten Regionen nicht lohne, ganz zu schweigen von der noch wesentlich teureren Anbindung über Satellit.

Wertvoller Erstkontakt

Mit einer einzelnen Drohne kann Titan zufolge allerdings ein Areal von rund 16.000 Quadratkilometern abgedeckt werden. Müsste man die selbe Fläche mit Sendemasten versorgen, würde man hingegen rund 300 Stück benötigen. Die Drohnen sollen zudem in der Lage sein, Daten mit einer Geschwindigkeit zu transportieren, die weit über den Übertragungsraten eines konventionellen Breitbandanschlusses liegt.

Branchenexperten zufolge dürfte sich das Investment in die neue Technologie - Facebook hat mit Ascenta bereits im März einen weiteren Drohnenentwickler übernommen - auf jeden Fall auszahlen. Denn auch wenn die Internetgiganten gerne humanitäre Gründe für ihr Drohnen-Engagement anführen, geht es vor allem auch darum, wem der Profit versprechende Erstkontakt in den bis dato unerschlossenen Regionen am schnellsten gelingt. "Wenn die technischen Hürden überwunden werden, sind diese Breitbandverbindungen Milliarden von Dollar wert", sagt der Drohnen-Experte Patrick Egan gegenüber dem "Wall Street Journal". "Denn Facebook und Google könnte damit nicht nur Millionen neuer Kunden erreichen, sondern auch überschüssige Verbindungskapazitäten an andere Anbieter weiterverkaufen."

Das Drohnen-Engagement ist allerdings auch die Fortsetzung eines schon in der Vergangenheit eingeschlagenen Weges. Bereits jetzt bieten die beiden Online-Riesen Produkte an, die speziell auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer zugeschnitten sind. "Facebook for every phone" läuft etwa nicht nur auf aktuellen Smartphones, sondern auch auf weniger leistungsstarken Geräten und wird begeistert angenommen. Ein Ende wie in der Komödie mit dem Buschmann Xi dürfte den Internetkonzernen mit ihrem Engagement in den Entwicklungsländern daher nicht drohen. Xi hatte seine Colaflasche schließlich von einem Berg geworfen, da die moderne Welt in seinem Stamm nur Unruhe stiftete.