Zum Hauptinhalt springen

Transatlantische Banken-Zores

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Milliarden-Strafen der USA für Credit Suisse und BNP Paribas bringen Europas Finanzsystem ins Schwitzen.


Washington. US-Behörden nehmen seit geraumer Zeit europäische Banken ins Visier, die sich ihrer Meinung nach nicht an US-Gesetze halten. Die Schweizer Großbank Credit Suisse steht nun vor einer Strafe in Höhe von 2,6 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro), wie das US-Justizministerium mitteilte. Zudem musste sich die CS als schuldig bekennen, Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Für die Bank geht es damit an die Existenz. Ob sie alleine in der Lage sein wird, den Brocken zu verdauen, vermag nicht einmal die Schweizerische Nationalbank zu sagen. Und dem französische Branchen-Jumbo BNP Paribas steht eine Strafzahlung in Höhe von 3,5 bis 4 Milliarden Dollar ins Haus, weil Paris große Geschäfte mit Sanktionsländern wie dem Sudan und dem Iran gemacht habe. BNP Paribas droht in den USA sogar der Lizenzentzug, was für die drittgrößte Bank der Welt ein Super-GAU wäre.

Mit beiden US-Strafen ist jederzeit zu rechnen, und sie sorgen bei den europäischen Zentralbanken für einige Unruhe. Unklar ist, wie Geschäftspartner und Kunden der beiden Banken auf das zu erwartende harte Urteil aus den USA reagieren werden. In der Schweiz wird sogar ein Banken-Run befürchtet, wenn Groß-Anleger beginnen, Geld aus der Credit Suisse abzuziehen.

Bis hin zum Lizenz-Entzug

Ein Lizenzentzug in den USA könnte für die BNP Paribas ebenfalls katastrophale Folgen haben, da die weltweit agierende Bank praktisch auf einen unbeschränkten Zugang zum Dollar angewiesen ist. Credit Suisse wickelt einen Großteil der Geschäfte mit US-Kunden ab, BNP Paribas unterhält in den USA zwei Vollbanken (Bank West und First Hawaiian) und beschäftigt 14.000 Mitarbeiter. Das macht die Institute angreifbar, da die US-Justiz in solchen Fällen nicht lange fackelt und im Ernstfall die Vermögenswerte von ausländischen Unternehmen beschlagnahmt.

Der Fall Credit Suisse (CS) ist die Folge eines "US-Programmes" für Schweizer Banken. Wer sich bis Ende 2013 bei den Justizbehörden meldete, bekommt Straffreiheit - muss aber nach Prüfung der Sache mit hohen Abschlagszahlungen rechnen. Immerhin meldeten sich 106 Schweizer Banken. "Viele hatten wir gar nicht auf dem Radar", sagte ein Sprecher des US-Justizministeriums zu Jahresbeginn verblüfft.

Geld statt Gefängnis

Für die Credit Suisse kam das zu spät, da liefen die Verfahren in den USA schon. Denn der amerikanische Fiskus hat auch reuigen Steuersündern Amnestie versprochen. 40.000 reiche US-Bürger zeigten sich mittlerweile selbst an und zahlten bisher 5,5 Milliarden Dollar ins Budget ein. Dafür mussten sie nicht ins Gefängnis, allerdings ihre Bankkonten offenlegen.

Genau das könnte aber Credit-Suisse-Managern passieren, wenn es diese moderne Form des Ablasshandels nicht gäbe. Mit diesen einmaligen Zahlungen erspart sich auch die US-Justiz lange Gerichtsprozesse. Allerdings kamen die Schweizer in die Mühlen der US-Politik. Die Republikaner warfen Justizminister Eric Holder vor, zu lasch gegen die Banken vorzugehen. Mittlerweile wird der Credit Suisse von der Staatsanwaltschaft abverlangt, dass ihre Manager den Satz "Wir leiteten ein kriminelles Unternehmen" unterschreiben. Die Bitte beider Großbanken um Milde verhallte bei den Staatsanwälten jenseits des Atlantiks ungehört.

Im Fall der französischen BNP Paribas, die mit einer Bilanzsumme von fast 1900 Milliarden Euro die drittgrößte Bank der Welt ist, geht es um die Umgehung von Wirtschaftssanktionen, Geldwäsche und Marktmanipulationen. Auch bei den Franzosen schalteten die US-Behörden auf stur. Immerhin erklärte US-Justizminister Holder, das Strafmaß sei in Absprache mit Aufsichtsbehörden zu treffen. Im Klartext: Die Banken sollen empfindlich getroffen werden, aber nicht bankrott gehen.

Bei europäischen Aufsichtsbehörden blinkt trotzdem das rote Licht. So ist es möglich, dass die Credit Suisse von der Schweiz staatliche Unterstützung benötigt, um die Strafe zahlen zu können. Und die BNP Paribas sitzt quasi wie die Spinne im Netz des europäischen Bankensystems.

Dominoeffekt in Europa?

Befürchtet wird ein Dominoeffekt, da so gut wie jede europäische Bank umfangreiche Geschäfte mit dem EU-Branchenprimus macht. "Wenn Fonds, Versicherungen und Großanleger in großem Stil Geld abziehen oder Kreditlinien fällig stellen, kann dies rasch zu einem Problem werden", sagte ein Bankenaufseher zur "Wiener Zeitung".

Die europäischen Zentralbanken haben daher wegen dieser beiden Banken ihr Informationsnetz noch enger geknüpft, um möglichst rasch reagieren zu können. In der Schweiz machen derweil bereits Mutmaßungen die Runde, wer die Credit Suisse künftig führen könnte. Der jetzige Vorsitzende Brady Dougan müsse gehen, ebenso der Präsident des Verwaltungsrates, Urs Rohner. Zuletzt hieß es allerdings, beide würden ihre Jobs behalten.

Ihnen wird vorgeworfen, seit 2006 nicht energisch genug gehandelt zu haben, um die Geschäfte mit der betuchten, aber steuervermeidenden US-Klientel zu beenden. Als Nachfolger wurde am Montag Hugo Bänziger gehandelt, der ehemalige Risiko-Vorstand der Deutschen Bank - und Schweizer. Ob der Chef der BNP Paribas, Jean Laurent Bonnafe, die US-Strafe beruflich übersteht, vermag in Paris niemand zu sagen. Er leitet die Großbank erst seit 2011. Eines ist jedenfalls bereits sicher: Sowohl Credit Suisse als auch BNP Paribas werden in Europa Mitarbeiter in großem Stil abbauen.

Kritik an den USA

Das führt natürlich auch zu politischen Reaktionen. Die Freude in der europäischen Politik über das harte Vorgehen der US-Behörden hält sich in Grenzen. Vor allem rechte Politiker wettern über den "Machtrausch" der USA.

Sie vergessen allerdings dabei, dass die US-Regierung auch mit den großen US-Banken seit Beginn der Finanzkrise 2007 scharf ins Gericht geht. JP Morgan hat bisher in sieben verschiedenen Fällen Strafzahlungen in Höhe von 23 Milliarden Dollar leisten müssen. Die Bank of America musste 10 Milliarden Dollar wegen illegaler Hypotheken-Spekulationen berappen. Und auch die Citigroup zahlte ein Bußgeld.

Die international tätigen Banken kommen wegen mancher Geschäftspraktiken immer stärker unter Druck. Die Manipulation des für viele Geschäfte wesentlichen Zinssatzes Libor, die wilden Spekulationen mit Rohstoffen und Insidergeschäfte an der Börse gepaart mit den für Banken notwendigen öffentlichen Hilfen brachten die Banken ans untere Ende der Image-Skala.

Europas Steuersünder

Auch in Europa wird die Gangart langsam verschärft. Im EU-Parlament wird vor allem von den Sozialdemokraten der Steuerbetrug, der in der EU 1000 Milliarden Euro ausmachen soll, an den Pranger gestellt.

Manche Länder - wie Österreich - gehen einen anderen Weg. Die Schweiz bezahlte über ein neues Abkommen bisher mehr als 600 Millionen Euro an Österreich. Das Geld kommt via Strafsteuer von Schwarzkonten, Österreich verzichtet dafür auf die Namen der Steuersünder. Ähnliches gibt es mit Liechtenstein.

Mit der Strafe von 2,6 Milliarden Dollar zahlt die Credit Suisse mehr als dreimal so viel für die Beilegung des Steuerstreits mit den US-Behörden als die UBS. Die UBS hatte im Jahr 2009 insgesamt 780 Mio. Dollar (569,51 Millionen Euro) bezahlen müssen und war dafür einer Strafverfolgung und einer Schuldanerkennung entgangen.

Das formelle Schuldeingeständnis der Credit Suisse ist ein sehr seltenes Ereignis für eine Bank. Letztmals waren in den 1980er-Jahren Banken von der US-Justiz so hart angegriffen worden. Im letzten Jahrzehnt hatten die US-Behörden meist vor formellen Anklagen gegen Banken zurückgeschreckt.