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Kritik an neuem Verbraucherrecht

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
© Kirill Kedrinski - Fotolia

Die Umsetzung der komplexen EU-Verbraucherrechte-Richtlinie könnte eine Prozesslawine auslösen.


Wien. Ende April sprach sich der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen - vor allem aber mit gehöriger Verspätung - für die Umsetzung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie aus. Diese war von der EU bereits Ende 2011 mit dem Ziel verabschiedet worden, eine europaweite Harmonisierung der Rechtsvorschriften für Geschäfte im Fernabsatz herbeizuführen. Betroffen davon sind vor allem der Versandhandel inklusive E-Commerce und Teleshopping sowie alle "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge", wie der Direktvertrieb. Zudem gelten die neuen erweiterten Informationspflichten zum Teil auch für den stationären Handel.

Zeitdruck

Nun drängt für die betroffenen Unternehmen die Zeit, denn die neuen Bestimmungen des Verbraucherrechte-Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (VRUG) 2014 gelten bereits ab dem 13. Juni 2014. Alle Unternehmer, die im Fernabsatz oder außerhalb ihrer Geschäftsräume gegenüber Verbrauchern tätig werden, müssen also ihre Abläufe und vertraglichen Bedingungen schleunigst der neuen Rechtslage anpassen. "Der Gesetzgeber hat es unnötig verabsäumt, die Umsetzungsregelungen bereits zum 13. Dezember 2013 zu erlassen", ärgert sich Petra Leupold, Juristin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Dadurch seien sechs Monate verloren gegangen, "in denen sich Unternehmer auf die neuen Regelungen ausreichend hätten einstellen können".

Tatsächlich bringt die Richtlinie viel Neues: zum Beispiel die verpflichtende Einverständniserklärung der Konsumenten bei Geschäftsabschlüssen am Telefon oder im Internet. Telefonisch ausgehandelte Verträge gelten künftig erst dann als geschlossen, wenn das Unternehmen dem Kunden das Anbot elektronisch übermittelt und der Kunde die Annahme schriftlich erklärt hat. Damit will man die Konsumenten vor allem vor Überrumpelung durch sogenanntes "Cold Calling", das sind unerbetene Werbeanrufe, schützen. Zudem besteht für Unternehmer nun die Verpflichtung, ihre Kunden beim Abschluss von Geschäften unter anderem über die Eigenschaften und den Gesamtpreis von Waren und Dienstleistungen sowie über den Namen und die Adresse des Unternehmens sowie Zahlungs- und Lieferbedingungen zu informieren.

In der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ist man ob der neuen Informationspflichten wenig begeistert. "Die Richtlinienumsetzung bringt entscheidende Änderungen für Unternehmen mit Geschäftskontakt zu Konsumenten. Es wird ein völlig neues Regime für Fernabsatz- und Außergeschäftsraumverträge geschaffen", konstatiert die WKO in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Auch die Bestätigungserfordernisse für online oder telefonisch geschlossene Verträge werden bemängelt. "Diese grundsätzliche Regelung erfasst nicht nur Cold-Calling-Verträge, sondern findet auf alle entsprechenden Verträge Anwendung."

Für Verbraucher besonders wichtig: Mit dem neuen Widerrufsrecht für Verträge im Fernabsatz sowie Geschäfte, die außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen werden, wird die Frist für das Rücktrittsrecht von sieben auf vierzehn Tage ausgeweitet. Wird der Verbraucher nicht ordnungsgemäß darüber aufgeklärt, verlängert sich die Widerrufsfrist sogar auf weitere zwölf Monate.

Ist die Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie also doch der erhoffte große Wurf für den Konsumentenschutz? "Nein, weil das übergeordnete Ziel der Richtlinie, nämlich Rechtssicherheit und Vereinfachung für Verbraucher wie Unternehmer, nicht erreicht wurde", hält VKI-Juristin Leupold dagegen. Schuld daran seien unzählige Ausnahmen, durch die die Rechtslage unnötig komplex geworden sei. "Wir sind eher skeptisch, ob die Neuregelungen auf Verbraucherseite in der Praxis ohne flächendeckende Beratung tatsächlich ankommen."

Umstritten ist auch die Zersplitterung der neuen Regelung über das bestehende Konsumentenschutzgesetz und ein neues Fernabsatz- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG). So betont der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass es "zu begrüßen gewesen wäre, wenn die Bestimmungen in einem einzigen Regelwerk zusammengefasst worden wären". Und für VKI-Juristin Leupold steht fest: "Diese Rechtszersplitterung erschwert eine Rezeption der Regelungen durch Verbraucher und Unternehmer. Wir befürchten daher massive Rechtsunsicherheit und Verwirrung."

Prozesslawine

Die drohenden Folgen skizziert Beatrix Hornschall, Vizepräsidentin am Verwaltungsgericht Wien, in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf so: "Es ist wohl mit einer nicht unerheblichen Mehrbelastung der Verwaltungsstrafbehörden, insbesondere durch von Konsumentenschutzorganisationen geführte Musterprozesse, zu rechnen", warnt die Juristin. Eine Prognose, der sich Petra Leupold nur anschließen kann. "Der VKI versteht es als seine Aufgabe, mit Musterprozessen und Verbandsklagen dafür zu sorgen, dass möglichst bald gerichtlich geklärt wird, wie die neuen Regelungen auszulegen sind", stellt sie klar. "Das liegt gerade wegen der zahlreichen Auslegungsfragen, die die Richtlinie aufwirft, gleichermaßen im Interesse der Verbraucher wie Unternehmer."