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EU erwägt weitere Kapitalmarkt-Beschränkungen für Russland

Von Gerhard Lechner

Wirtschaft

Moskau schnürt im Kampf gegen die Krise Konjunkturpaket in Höhe von 30 Milliarden Euro.


Moskau/Brüssel/Kiew. Die EU-Außenminister wollen die Sanktionen gegen Russland bei ihrem Krisentreffen am Donnerstag nach dem Wiederaufflammen der Kämpfe in der Ostukraine ausweiten. Diplomaten zufolge erwägt Brüssel weitere Beschränkungen für den Zugang zu Kapitalmärkten. Zudem könnte der Öl- und Gassektor mit weiteren Strafmaßnahmen belegt werden. Ein Diplomat sagte, diese Art von Sanktionen sei relativ leicht umzusetzen. Beschränkungen am Kapitalmarkt würden russischen Unternehmen eine Finanzierung erschweren.

Binnen einer Woche sollen außerdem Vorschläge zur Erweiterung der Sanktionsliste ausgearbeitet werden. Außerdem sollen die Einreiseverbote und Kontosperren, die bereits seit der russischen Besetzung der Krim vor knapp einem Jahr gelten, nicht auslaufen, sondern bis Dezember verlängert werden. Russland warnte den Westen vor einer Verschärfung der Strafmaßnahmen.

Moskau nimmt indessen den Kampf gegen die Krise auf: Der Kreml schnürt ein Konjunkturpaket von umgerechnet mindestens 30 Milliarden Euro. Dessen Schwerpunkt ist die bessere Ausstattung von Banken mit Kapital durch die Ausgabe von Staatsanleihen, erklärte die Regierung am Mittwoch. Geldhäusern, die sich wegen westlicher Sanktionen im Ukraine-Konflikt kein Kapital auf dem internationalen Markt besorgen könnten, solle geholfen werden, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew. Die staatliche Förderbank VEB soll zudem rund 4 Milliarden Euro erhalten, um die Kreditvergabe an die Unternehmen anzuschieben. Daneben sollen Staatsgarantien für Investitionsprojekte aufgestockt werden. Die Regierung hat außerdem auch vor, eine Bad Bank zu installieren. Dorthin könnten russische Kreditinstitute dann Problembereiche ausgliedern.

Budgetkürzung um 10 Prozent

Finanziert werden soll das Programm zum einen durch den staatlichen Vermögensfonds. Der ist mit umgerechnet gut 70 Milliarden Euro ausgestattet. Auch könne die Regierung auf Haushaltsreserven zurückgreifen, hatte Finanzminister Anton Siluanow zuletzt signalisiert.

Zum anderen sollen Einsparungen neuen Spielraum für Investitionen schaffen. "Man will das Staatsbudget um rund 10 Prozent kürzen", sagte der Ökonom Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) der "Wiener Zeitung".

Wo genau gespart werden soll, ist noch unklar. Einsparungen im Sozialbereich sind eher nicht zu erwarten. Bei der jetzigen Inflation muss der Staat zusätzliche Ausgaben tätigen. Ebensowenig zu erwarten sind Kürzungen des Rüstungsbudgets: Im vergangenen Jahr hat Russland laut Präsident Wladimir Putin für mehr als 15 Milliarden Dollar Waffen exportiert. Zudem seien bereits neue Aufträge im Umfang von 14 Milliarden Dollar unterzeichnet, ergänzte Putin am Dienstag.

Die Sanktionen des Westens und der gefallene Ölpreis haben Russland hart getroffen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 3 Prozent schrumpfen wird. In dieser Woche hat zudem die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) das russische Rating auf BB+ gesenkt - das sogenannte Ramschniveau. Russische Staatsanleihen werden damit als riskante Anlage angesehen und nicht mehr als solides Investment. Der zuletzt ohnedies unter Druck geratene Rubel hatte mit starken Verlusten auf die Mitteilung der Bonitätsprüfer reagiert.

Herabstufung "übertrieben"

Russland gibt sich dennoch gelassen. Finanzminister Siluanow kritisierte die Maßnahme der US-amerikanischen Ratingagentur als "übertrieben pessimistisch". Auch Havlik hält die Herabstufung Russlands auf Ramschniveau für übertrieben. Schließlich habe der weltgrößte Staat immerhin noch fast 400 Milliarden US-Dollar an Reserven. "Das Budget ist ausgeglichen und es gibt Leistungsbilanzüberschüsse", gibt Havlik zu bedenken. "Sicherlich muss Moskau sparen, dramatisch ist die Situation aber nicht."