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Armut wird vererbt

Von Gerald Jatzek

Politik
Die gesamte Studie A Broken Social Elevator? kann man online nachlesen.
© OECD

In Österreich dauert es fünf Generationen, um von unten zur Mitte der Gesellschaft zu gelangen.


Kinder armer Eltern haben wenig Chancen, als Erwachsene ein durchschnittliches Einkommen zu beziehen. Das geht aus einer eben veröffentlichten Studie der OECD hervor. In Österreich kann der soziale Aufstieg fünf Generationen dauern, in Deutschland sind es sechs Generationen oder 180 Jahre. Konkret bedeutet dies, dass jedes dritte Kind, dessen Vater Geringverdiener ist, ebenfalls Geringverdiener wird. Bei den restlichen zwei Dritteln beschränken sich die Aufstiegsmöglichkeiten hauptsächlich lediglich auf die nächsthöhere Einkommensgruppe.

Allen Sonntagsreden zum Trotz geht der Trend zur Ungleichheit. Während für viele Menschen, die zwischen 1955 und 1975 geboren wurden, und deren Eltern einen geringen formalen Bildungsstand hatten, noch ein hohes Maß an Einkommensmobilität eine Realität war, stagniert diese für die nach 1975 Geborenen.

Österreich liegt im Durchschnitt

Österreich liegt ziemlich genau im Durchschnitt der 24 untersuchten Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Während es Frankreich und Chile eine Generation länger dauert, sind in Brasilien und Südafrika schon neun Generationen notwendig, um in der Mitte der Gesellschaft anzukommen.

Am durchlässigsten sind die Strukturen in Dänemark mit zwei Generationen. In Norwegen, Finnland und Schweden dauert der soziale Aufstieg drei Generationen. In Summe verbinden die nordeuropäischen Länder eine gering ausgeprägte Ungleichheit mit hoher Mobilität, während Schwellenländer durch hohe Ungleichheit bei geringer Mobilität gekennzeichnet sind. Schlusslicht ist Kolumbien, wo der Aufstieg mit elf Generationen oder 330 Jahren für die Betroffenen nur einen unerfüllbaren Traum darstellt.

"Das Einkommen, der Beruf und das Bildungsniveau werden von einer Generation an die andere weitergegeben", stellte denn auch die OECD-Expertin Gabriela Ramos bei der Vorstellung des Berichts in Paris fest.

Es gibt keine soziale Mobilität mehr

In den meisten OECD-Ländern gebe es praktisch keine "soziale Mobilität" mehr, kritisierte Ramos.

Als wichtige Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Situation nennt die OECD denKampf gegen Steuerhinterziehung bei Erbschaften und Schenkungen sowie die Gestaltung progressiver Steuersysteme mit angemessenen Freibeträgen und Steuersätzen und reduzierten Ausnahmen.Eine Verknüpfung von Sozialansprüchen mit einzelnen Personen und nicht mit einzelnen Arbeitsplätzen würde Menschen, insbesondere Geringverdienern, dabei helfen, mit einem Verlust ihres Arbeitsplatzes besser umzugehen.

Zu den Maßnahmen gehören staatlichen Ausgaben in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales. Besonders wird auf Vorschulprogramme sowie auf außerschulische Bildungsangebote hingewiesen, die berufliche und soziale Fähigkeiten entwickeln. Als erfolgreiches Beispiel werden die entsprechenden Aktivitäten in Lettland angeführt.

Die Förderung von schlecht ausgestatteten Schulen durch zusätzliche materielle und personelle Ressourcen ist ebenfalls eine Möglichkeit, die Chancengleichheit zu erhöhen. Gleichzeitig müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um den Wert von Bildung in sozialen Randschichten zu erhöhen. Um hohe, zumeist auf ökonomische Notwendigkeiten zurückzuführende Dropout-Raten in den Griff zu bekommen, sind freilich Kombinationen von ökonomischen und psychologischen Interventionen notwendig.

Die Studie A Broken Social Elevator? kann man online nachlesen.