Zum Hauptinhalt springen

Ein Stück Industriegeschichte geht zu Ende

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Der Name Krupp galt mehr als 150 Jahre als Synonym für deutschen Stahl. Mit dem Joint-Venture mit Tata beginnt nun ein neues Zeitalter.


Düsseldorf. Für ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger ist es vor allem ein Aufbruch. Denn mit dem am Wochenende mit Tata Steel vereinbarten Joint-Venture entsteht nicht nur der zweitgrößte europäische Stahl-Konzern nach ArcelorMittal. Der 58-jährige Hiesinger, der 2011 von Siemens gekommen war, hat nun endlich auch die Chance, ThyssenKrupp in einen reinen Technologie-Konzern umzuwandeln.

Mit der Abspaltung des Stahlgeschäfts endet allerdings auch ein Stück europäischer Industriegeschichte. Denn vor allem Krupp stand mehr als 150 Jahre lang wie kein zweiter Name für Stahl. In der Hochzeit arbeiten nicht weniger als 170.000 Menschen am Stammsitz in Essen, die angefangen von Rüstungsgütern bis hin zu Lokomotiven und Werkzeugmaschinen so ziemlich alles produzierten, was sich aus Stahl fertigen ließ. Hand in Hand mit dem Unternehmen war dabei auch der Mythos der Krupps selbst gewachsen. Die Familie gehörte über Jahrzehnte zu den reichsten Europas, wenn nicht sogar der Welt. In der zwischen 1870 und 1873 im Auftrag von Alfred Krupp errichteten Villa Hügel gaben sich Könige, Kaiser und Präsidenten die Türschnalle in die Hand.

Dass Krupp einmal eines der größten Unternehmen Europas werden sollte, hatte sich allerdings nicht von Anfang an abgezeichnet. Denn Unternehmensgründer Friedrich Krupp war zwar vom Wunsch, Stahl zu produzieren, beseelt, um es seinen englischen Vorbildern gleichzutun. Viel Ahnung vom eigentlichen Geschäft hatte er allerdings nicht, als er im Jahr 1811 die Gussstahlwerke Fried. Krupp aus der Taufe hob. Dementsprechend überschaubar blieb daher auch der Unternehmenserfolg. Bis zu Krupps frühzeitigem Tod 1826 arbeiteten nie mehr als zehn Menschen in der Gussstahlfabrik, die zu dieser Zeit vor allem Werkzeuge und Walzen herstellte.

Alfred Krupp, der Patriarch

Der Umschwung kam erst, als Friedrich Krupps Sohn 1830 die Firmenleitung übernahm. Alfred Krupp - ein begnadeter Selbstvermarkter, der mit seinen Auftritten und dem von ihm kultivierten Image des Selfmade-Millionärs den Krupp-Mythos auf Jahrzehnte befeuern sollte - setzte vor allem auf die Fertigung innovativer Eisenbahn-Technologie wie dem ersten nahtlosen Radreifen. Ab 1860 kam dann die Produktion von Waffen hinzu. Hier machten sich die Krupp-Werke vor allem mit erfolgreichen Kanonenmodellen einen Namen und legten damit den Grundstein für den späteren Aufstieg zur "Rüstungsschmiede Deutschlands". In den kommenden Jahren profitierte Krupp vor allem vom beginnenden Wettrüsten in Europa, die Rüstungsproduktion wurde bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieg zur größten und wichtigsten Ertragssparte des mittlerweile auf 70.000 Mitarbeiter angewachsenen Unternehmens.

Mit der Niederlage Deutschlands und dem Vertrag von Versailles brachen für Krupp allerdings schwere Zeiten an. Die Hälfte der Belegschaft musste entlassen werden, ein Großteil der Produktionsanlagen stand still. Schwarze Zahlen schrieb das Unternehmen erst wieder mit den staatlichen Programmen zur aktiven Arbeitsbeschaffung und der Wiederaufrüstung unter Adolf Hitler. Unter den Nationalsozialsten produzierten die Krupp-Werke, die die militärische und industrielle Stärke Deutschlands wie kein zweites Unternehmen symbolisierten, zwar wieder auf Hochtouren, die Zeit zählt aber dennoch zu dunkelsten Jahren der Unternehmensgeschichte. So arbeitete der Konzern nicht nur auf so gut wie allen Ebenen eng mit jenem Regime zusammen, das von seiner Jugend gefordert hatte, "hart wie Kruppstahl" zu sein. In den Krupp-Werken wurden auch mehr als 100.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge eingesetzt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Anlagen, die von den alliierten Bombern verschont blieben, demontiert. Auf den Wachstumspfad fand das Unternehmen erst wieder zurück als der vom Nationalsozialismus belastete Krupp-Erbe Alfried Krupp von Bohlen und Halbach den Versicherungsmanager Berthold Beitz als Generalbevollmächtigen an seine Seite holte. Unter der Regie von Beitz fusionierte Krupp schließlich mehrmals, zuletzt im Jahr 1999 mit Thyssen.