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Elektro-Branche sorgt sich um Standort

Von (dg)

Wirtschaft

Heimische Elektroindustrie wuchs 2018. Verbandsvertreter warnen aber vor "Ausverkauf" heimischer Betriebe.


Wien. (dg) "Dass ich dir bei Jobs nachfolge, hat fast schon Tradition", sagte Siemens-Chef Wolfgang Hesoun am Dienstag vor Journalisten. Er übernimmt ab Juli von Brigitte Ederer den Vorsitz beim Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI). Sie wiederum war seine Vorgängerin an der Siemens-Spitze. Ederer verabschiedete sich im Rahmen der Jahres-Bilanz nach neun Jahren als Präsidentin des FEEI, der 300 Betriebe vertritt, in die Pension. Sowohl Hesoun, als auch Ederer plädierten vor Journalisten für eine gemeinsame EU-Industriepolitik, um den globalen Herausforderungen stärker entgegentreten zu können.

Die Branche selbst entwickelte sich dank Klimadebatte, Digitalisierung und entsprechender Investitionen auch im Vorjahr positiv. Der Produktionswert ist 2018 um 8,4 Prozent auf 18,8 Milliarden Euro gestiegen. Mittlerweile ist die Elektroindustrie die zweitgrößte Branche in Österreich, erklärte Ederer. Im Zuge der Finanzkrise 2009 musste der Elektro-Fertigungsbereich große Auftragseinbrüche und einen Rückgang um fast 14 Prozent hinnehmen. Seit 2014 geht es in der Branche jedoch bergauf.

Warnung vor China

Und dieses Bergauf brachte auch eine deutliche Veränderung der Beschäftigungsstruktur mit sich: weg vom Fließband hin zu spezialisierten und hoch qualifizierten Arbeitsplätzen, etwa in den Bereichen der künstlichen Intelligenz und Digitalisierung. Die einfache Fabriksarbeit sei verstärkt ins (EU-)Ausland abgewandert, erklärte Ederer. Die Branche verzeichnete im Vorjahr ein Beschäftigungsplus von drei Prozent. Derzeit sind gut 67.000 Menschen in der Elektroindustrie beschäftigt, Tendenz steigend. "Die Industrie muss sich keine Sorgen um das Geschäft machen, wenn sie genug qualifiziertes Personal findet", meinte Ederer.

Gute 84 Prozent der Erzeugnisse werden exportiert. Hauptabnehmer der heimischen Betriebe in dieser Sparte ist nach wie vor die EU. Dorthin gehen fast zwei Drittel der Ausfuhren. Ein Drittel der Erzeugnisse geht nach Deutschland, allen voran an die dortige Automobilindustrie. In den vergangenen Jahren hat sich aber auch China neben den USA zu einem bedeutenden Abnehmer entwickelt. Dorthin gehen sechs Prozent der heimischen Elektro- und Elektronikerzeugnisse. Allein im Vorjahr stiegen die Ausfuhren um 13 Prozent.

Stichwort China: "Mir macht es sorgen, dass China auf Einkaufstour in Europa ist", sagte Ederer. Die Einkaufstour chinesischer Investoren betrifft vor allem den Technologie- und Infrastrukturbereich und wird auch von der EU-Kommission kritisch gesehen. Der Einfluss Chinas in der EU - vor allem in den östlichen Mitgliedstaaten - ist mittlerweile so stark geworden, dass der EU-Rat im Vorjahr eine eigene Verordnung für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen genehmigt hat. Die sogenannte FDI-Screening-Regulation richtet sich zwar an alle Drittstaaten, de facto ist damit aber China gemeint.

Viele EU-Länder fürchten das Abwandern von Technologie und Innovation, was den europäischen Standort global schwächen würde. Dass diese Furcht nicht unbegründet ist, hat der Fall des deutschen Roboterherstellers Kuka gezeigt. Dieser wurde vom chinesischen Investor Midea übernommen. Zunächst wurde der Deal als Paradebeispiel deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen gefeiert, eine weitreichende Standort- und Beschäftigungsgarantie wurde unterzeichnet. Es kam anders. Die Führung wurde ausgewechselt und vom Augsburger Standort wurden immer mehr Ressourcen nach China gelenkt. Kritiker sprechen von einem massiven Abzug an Technologie und Know-how.

Auch Österreich hat unter der Vorgängerregierung, nach deutschen Vorbild, sein Außenwirtschaftsgesetz novelliert. Dieses hat aber nach der Regierungsumbildung nicht mehr den Nationalrat passiert. Demnach sollen die Prüfkriterien für Übernahmen von kritischer Infrastruktur und Technologien sowie für die Sicherheit der Lebensmittelversorgung verschärft werden.

Für besonders sensible Bereiche sollen ausländische Investoren bei einer Anteilsübernahme von 10 Prozent und nicht wie bisher von 25 Prozent eine behördliche Genehmigung einholen müssen. Geprüft wird künftig auch, woher das Geld für die Übernahme kommt, um Umgehungsversuche über EU-Firmenkonstrukte abzufangen. "Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es sollte aber keine Investitionen aus Drittstaaten gefährden", sagte Hesoun im Zusammenhang mit den Verschärfungen.

Als Unsicherheitsfaktoren für die Branche gelten der drohende Handelskrieg zwischen den USA und China sowie zu einem kleinen Teil der Brexit. Und auch die deutsche Autoindustrie muss derzeit Einbußen hinnehmen, die sich irgendwann auch hierzulande in der Auftragslage niederschlagen. Sowohl der neue, als auch die ehemalige Präsidentin kritisierten, dass es nach wie vor keine EU-weite Industriestrategie und keine europäischen Cloud-Anbieter gibt, um "Wettbewerbsgleichheit" herzustellen und als Antwort auf den chinesischen und US-Protektionismus. Dass es nach wie vor keine europäischen Batterieerzeuger gebe, sei ebenfalls ein Armutszeugnis.

In Zusammenhang mit der Ankündigung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, künftig die Wasserstofferzeugung fördern zu wollen, sollte es wieder eine Regierungsbeteiligung gebeben, sagte Hesoun: "Es ist noch völlig offen, welche Technologie sich durchsetzt." Vielmehr glaube man an ein Nebeneinander von Elektro- und Wasserstofftechnologien. Zweitere müsse aber auch im Sinne der Klimaziele nachhaltig hergestellt werden. Einer EU-weiten CO2-Steuer steht Hesoun skeptisch gegenüber. Das Emissionshandelsgesetz müsse aber überarbeitet werden.