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Zögerliche Rückkehr ins Büroleben

Von Michael Ortner und Petra Tempfer

Wirtschaft

A1, Erste Bank oder die Post wagen sich nur schrittweise zurück ins Büro. Nach der Krise könnte Homeoffice weiter verbreitet bleiben - arbeitsrechtlich ist allerdings noch einiges unklar.


Die Rückkehr ins Büro wird für die meisten Unternehmen kein leichtes Unterfangen. Stehen Schreibtische weit genug auseinander, gibt es genug Desinfektionsmittel, wurde der Konferenzraum ausreichend gelüftet? Mit Fragen wie diesen müssen sich Unternehmen in nächster Zeit intensiver beschäftigen.

Bis es so weit ist, werden jedoch noch einige Wochen vergehen. Große Unternehmen wie die Erste Bank, A1, die Österreichische Post, OMV oder die Vienna Insurance Group tasten sich nur vorsichtig in den Büroalltag zurück, wie ein Rundruf der "Wiener Zeitung" zeigt.

Bei A1 sind derzeit von den 8000 Mitarbeitern rund 6000 im Homeoffice. Der Betrieb funktioniere sehr gut, eine Rückkehr sei aber erst mit der Schulöffnung ab 18. Mai geplant, sagt Unternehmenssprecherin Livia Dandrea-Böhm. "Maximal soll ein Viertel der Belegschaft wieder ins Büro zurückkehren." Gezwungen werde aber niemand. Wer weiter von zu Hause aus arbeiten will, könne dies tun.

In der A1-Konzernzentrale in der Wiener Lasallestraße gibt es ein Open-Space-Büro. "Jeder sucht sich seinen Arbeitsplatz und bleibt dann für vier Wochen an diesem Platz", sagt Dandrea-Böhm. Danach können sie wieder ins Homeoffice wechseln. Die Kantine ist nur eingeschränkt geöffnet, im Lift sollen nicht mehr als zwei Menschen fahren, die Räume werden häufiger gereinigt. Diese teilweise Rückkehr sei unproblematisch. Dandrea-Böhm gibt aber zu: "Vollbetrieb wird mit Abstand schwierig werden."

Auch bei den Banken wurde großteils von zu Hause aus gearbeitet. "Von den 4000 Mitarbeitern am Wiener Stadtpark und der Muthgasse waren in der heißen Phase nur 120 Mitarbeiter im Büro", sagt Ingrid Krenn-Ditz, Konzernsprecherin der Raiffeisen International Bank.

Gestaffelte Rückkehr

Die ersten Mitarbeiter kehrten diese Woche zurück. Man wolle die Mitarbeiterzahl aber nur sehr langsam wieder aufstocken. "Wir haben einen Krisenstab und beobachten die aktuellen Infektionszahlen und die Vorgaben der Regierung sehr genau", sagt Krenn-Ditz. Erst ab Mitte Juni etwa sollen rund 30 Prozent der Mitarbeiter an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren.

Derzeit werde an Regelungen gearbeitet, wie alle Abstand- und Hygienevorschriften eingehalten werden können. "Die Lifte sind eine Herausforderung", sagt Krenn-Ditz. Bei der RBI rechnet man aber damit, dass gar nicht alle Mitarbeiter wieder ins Büro zurückkehren, sondern im Homeoffice bleiben. Interne Umfragen würden zeigen, dass der Großteil sehr zufrieden mit dem Homeoffice ist.

Bei der Erste Bank verläuft die Rückkehr gestaffelt. "Die Mitarbeiter werden in drei Gruppen geteilt und rotieren jeweils nach einer Woche", sagt Erste-Bank-Sprecher Klaus Lackner. Zu Spitzenzeiten waren 97 Prozent der 4500 Mitarbeiter am Erste Campus am Wiener Hauptbahnhof im Homeoffice.

Ein "Angebot zur Rückkehr" stellt die Österreichische Post ihren Mitarbeitern. Seit Mitte März arbeiten 2000 Mitarbeiter von Zuhause aus, also rund ein Drittel aller im Büro tätigen Mitarbeiter. In den Filialen, bei der Zustellung und in der Logistik geht es freilich nicht ohne physische Anwesenheit der Mitarbeiter. In der Konzernzentrale am Wiener Rochusmarkt wurde ab 4. Mai der Betrieb langsam wieder hochgefahren. "Maximal sollen in jedem Bereich 40 Prozent zurückkehren", sagt Sprecher Markus Leitgeb. Auch bei der Post setzt man auf Freiwilligkeit. Bei jedem zweiten Arbeitsplatz wurde der Sessel entfernt. Gelbe Aufkleber weisen Mitarbeiter daraufhin, wo gearbeitet werden darf.

Nicht bei allen Unternehmen bieten die Büroräumlichkeiten ideale Bedingungen. Oft stehen Tische eng beisammen. Beim österreichischen Büroausstatter Bene hat man darauf reagiert. Innerhalb von nur zwei Wochen wurde ein neues Produkt aus dem Boden gestampft: eine transparente Schutzwand aus Acryl, um Arbeitsplätze abzutrennen und die Tröpfchen des Gegenübers abzuwehren. Die Nachfrage ist gewaltig. Nach einer Woche wurden bereits deutlich über 10.000 Stück bestellt, heißt es von Bene.

Das Homeoffice wird viele Unternehmen noch eine Weile begleiten. Vor der Corona-Krise war das Arbeiten von Zuhause aus eher unüblich. Statista zufolge (basierend auf Eurostat-Daten) lag der Anteil der Arbeitnehmer von 15 bis 64 Jahren, die üblicherweise im Homeoffice arbeiten, im Vorjahr in Österreich bei 5,8 Prozent. Jene, die das hin und wieder taten, betrug 10,4 Prozent. Im Vergleich zu den restlichen EU-Staaten war das sogar relativ hoch: In Deutschland betrug dieser Anteil 3,2 (6,4) Prozent, ähnlich dem EU-28-Durchschnitt von 3,1 Prozent (9,6).

Außergewöhnlich hoch war er schon vor der Krise in den Niederlanden mit 9 Prozent (23,7): Die Niederlande verankerten 2015 als erstes europäisches Land das Recht auf Homeoffice im Gesetz. Damit wurden die Vorzeichen geändert, und es liegt nun am Arbeitgeber, triftige Gründe wie schwerwiegende Dienst- oder Betriebsinteressen anzuführen, um dem Arbeitnehmer die Heimarbeit zu verweigern. Ein Antrag auf Heimarbeit ist allerdings auch in den Niederlanden nach wie vor notwendig.

Diese Prozentsätze könnten sich nun alle ein wenig ändern - und zwar nach oben. In Österreich ist es aufgrund der Corona-Krise nun so, dass Arbeitgeber per Verordnung "nach Tunlichkeit" Homeoffice gewähren müssen. Bei Personen der Risikogruppen, sofern diese ein ärztliches Attest vorlegen können, gehe es aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sogar "in Richtung Rechtsanspruch", sagt Arbeitsrechtexperte Rainer Kraft, Geschäftsführer von "Das Vorlagenportal für Arbeitsrecht und Personalverrechnung". Diese eigentlich als Ausnahme geplante Maßnahme könnte nun so manchem gezeigt haben, dass eigentlich auch Homeoffice gut funktioniert. Durch die Krise könnten somit Vorbehalte abgebaut und Schreibtischjobs in Zukunft zumindest tageweise in die eigenen vier Wände verlagert werden.

Fehlen sozialer Kontakte

Das birgt Vorteile, wie keine langen Arbeitswege mehr, und freilich auch Nachteile. Nicht nur, dass die sozialen Kontakte mitunter fehlen. Vor allem ist es auch schwierig überprüfbar, ob sich jeder an die gesetzlichen Rahmenbedingungen hält. "Homeoffice ist eine flexible Tätigkeitsform, die stark auf Vertrauen basiert", sagt Kraft zur "Wiener Zeitung". Vermutlich der Hauptgrund dafür, warum Arbeitgeber diesem meist skeptisch gegenüberstanden und Missbrauch fürchteten.

Diese Befürchtungen reichen von der Arbeitszeitaufzeichnung über Stromkosten bis hin zum Druckerpapier. Homeoffice entbinde den Arbeitgeber freilich nicht davon, Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen, so Kraft. Es gebe aber Erleichterungen: Nicht die konkrete Uhrzeit, sondern lediglich die Summe der geleisteten Stunden müsse erfasst werden. Die Uhrzeit wird allerdings dann wieder Thema, wenn es eine gewisse Erreichbarkeitspflicht gibt. Diese erfließt laut Kraft aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers und macht konkrete Dienstzeiten dann doch zur - wie der Name schon sagt - Pflicht. Für die Arbeitszeitaufzeichnungen sei grundsätzlich der Arbeitgeber verantwortlich, er könne das aber auf den Arbeitnehmer delegieren.

Ähnlich schwierig, wie sich die tatsächliche Anwesenheit im virtuellen Büro überprüfen lässt, ist es mit Kosten für Telefongespräche, Internet, Strom, Druckerpatronen und Papier. Usus sei daher, so Kraft, hier eine Pauschale zu vereinbaren. Es bestehe aber kein Rechtsanspruch darauf. Damit sich keiner benachteiligt fühlt, könne man den Aufwand freilich auch nach Kosten berechnen, indem man die Rechnungen vorlegt - "diese Art der Dokumentation kann man aber auch nicht wirklich kontrollieren".

Kurz Klarheit bei Unfällen

Etwas mehr Klarheit hat man zuletzt beim Unfallversicherungsschutz geschaffen: Dieser wurde durch eines der Covid-19-Maßnahmengesetze auf Unfälle im Homeoffice erweitert. Konkret wurden dafür das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert, und die Regelung tritt mit 31. Dezember 2020 automatisch außer Kraft. Ganz so einfach lassen sich Arbeits- und Freizeitunfälle zuhause laut Kraft aber nicht trennen. Wesentlich sei, ob der Unfall in Folge eines Haushaltsrisikos oder eines dienstlichen Risikos passiert ist. In anderen Worten: "Wenn die Deckenlampe herunterfällt, ist das kein Arbeitsunfall. Wenn man ausrutscht, weil man zu seinem Diensthandy läuft, das läutet, schon."