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Lehrlinge in der Warteschleife

Von Eleonore Praßl

Wirtschaft

Die Wirtschaftskammer wünscht sich eine stärkere Unterstützung der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden. Die Arbeiterkammer will diese an Bedingungen geknüpft wissen.


Nicht nur die Zahl der Arbeitslosen ist durch die Corona-Krise in die Höhe geschnellt. Auch die Zahl von Lehrstellensuchenden ist gestiegen. Laut Arbeitsmarktservice (AMS) waren im Juni bundesweit 8273 Jugendliche auf der Suche nach einer Lehrstelle. Das sind um 29,1 Prozent mehr als im Juni des Vorjahres.

Am stärksten war der Anstieg im Bundesland Tirol. Dort waren 77 Prozent mehr Jugendliche als im Vorjahresmonat auf Lehrstellensuche. Das läge einerseits an dem vergleichsweise niedrigen Niveau von 2019, als es eine sehr hohe Nachfrage nach Lehrlingen gab, andererseits daran, dass "die Betriebe Corona bedingt vorsichtig sind und nur zögerlich neue Lehrlinge aufnehmen", erklärt Anton Kern, der Landesgeschäftsführer des AMS Tirol. Auch sei Tirol ein Dienstleistungsland, vor allem im Bereich des Tourismus. Dementsprechend sind traditionellerweise die meisten Lehrstellen in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie zu finden. Damit "sind wir durch Corona natürlich stärker betroffen als andere österreichische Regionen", erklärt Anton Kern.

Als vierten Grund nennt er, dass das AMS in diesem Jahr seit längerer Zeit wieder aktiv alle Tiroler Schulen angeschrieben habe, mit dem dringenden Appell, dass sich die Jugendlichen zur Stellensuche beim AMS Tirol melden sollten. "Das haben viele gemacht."

Einbruch bei Lehrstellen in Wien

Während die Anfrage nach Lehrstellen gestiegen ist, ist gleichzeitig das Angebot österreichweit um 12,8 Prozent zurückgegangen. Hier lässt sich die größte Veränderung in der Stadt Wien feststellen, wo es im Juni 2020 ein um 41,2 Prozent geringeres Lehrstellenangebot gab als im Juni des Vorjahres.

Beim Arbeitsmarktservice in Wien geht man davon aus, dass dieser Rückgang ebenfalls vorrangig touristisch bedingt ist. Der Städtetourismus ist von der Krise besonders betroffen. Bei der Wirtschaftskammer Wien wird diese Aussage bestätigt. "Der Städtetourismus leidet extrem unter Corona. In Wien lagen die Nächtigungszahlen im Juni um 88 Prozent unter jenen des Vorjahres-Juni, die durchschnittliche Bettenauslastung lag bei nur 14 Prozent. Im Vorjahr waren es 65 Prozent. Etwa jedes zweite Hotel hat derzeit überhaupt geschlossen."

Ein weiterer Grund ist, dass nicht alle freien Lehrstellen in Wien in den Zahlen des AMS aufscheinen. "Es gibt in der Bundeshauptstadt aufgrund der Demografie einen höheren Andrang von Jugendlichen auf die Lehrstellen. Sehr viele Lehrbetriebe haben genügend Bewerber für die Ausbildungsplätze, sodass sie ihre offenen Lehrstellen gar nicht dem AMS melden", heißt es von der Wirtschaftskammer Wien.

WKO fordert mehr Mittel für Ausbildungsbetriebe

Um den hohen Lehrstellenbedarf abdecken zu können, fordert die Wirtschaftskammer die stärkere finanzielle Unterstützung der Ausbildungsbetriebe, beispielsweise durch eine Refundierung der Kommunalsteuer und den weiteren Ausbau der Förderungen für Lehrbetriebe über die gesamte Lehrzeit. Weiters brauche es, so die Wirtschaftskammer, eine Modernisierung der traditionellen Lehrberufe sowie aber auch die Schaffung von neuen Lehrberufen.

Als dritten Punkt benötige es eine bessere schulische Ausbildung, in der es darum gehen soll, Bildungsziele zu erreichen, statt die Schulpflicht einfach nur abzusitzen. Außerdem benötige es mehr Wirtschaftswissen in den Schulen, um die Jugendlichen besser auf das Berufsleben vorzubereiten. Daher verlangt die Kammer ein Pflichtfach Wirtschaft in allen Schulformen ab der fünften Schulstufe. Nicht zuletzt fordert die Wirtschaftskammer die Möglichkeit, Lehrverhältnisse einfacher beenden zu können.

"Bonus an Bedingungen knüpfen"

Die Arbeiterkammer wünscht sich, ab spätestens Herbst, die Schaffung zusätzlicher Lehrstellen im staatlichen oder staatsnahen Bereich, also zum Beispiel in öffentlichen Unternehmen, bei Gemeinden oder Magistratsstellen, um möglichst vielen Jungen eine Chance zu geben. "Das würde natürlich unmittelbar helfen", heißt es aus der Arbeiterkammer.

Außerdem müsse die überbetriebliche Lehrausbildung ausgeweitet werden. In solchen Lehrwerkstätten werden junge Menschen ausgebildet, die in Unternehmen keine Lehrstelle finden.

Besonders für Unternehmen, die von der Krise stark getroffen sind, wie im Tourismus oder in der Gastronomie, soll es die Möglichkeit geben, die Lehrlinge zumindest teilweise überbetrieblich auszubilden. Vor allem, falls der Betrieb zeitweise heruntergefahren werden muss.

Außerdem regt die Arbeiterkammer an, Ausbildungsverbünde zu stärken. Von Ausbildungsverbünden spricht man, wenn mehrere Betriebe bei der Lehrlingsausbildung zusammenarbeiten und in einem steten Austausch stehen.

Die Arbeiterkammer tritt außerdem dafür ein, Weiterbildungskurse - zumindest zeitweise - zu 100 Prozent zu finanzieren. Derzeit gibt es einen Selbstbehalt von 25 Prozent.

Nicht zuletzt soll der Lehrlingsbonus an konkrete Bedingungen geknüpft werden, damit die Betriebe tatsächlich neue Lehrstellen schaffen. So könnte man sich beispielsweise ansehen wie viele Lehrlinge in den vorherigen Jahren ausgebildet wurden. Falls es hier zu einer tatsächlichen Steigerung gekommen sei, solle das Unternehmen einen Bonus bekommen.