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Wenn die Deutschen zu Hause bleiben

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Der Wintertourismus befürchtet einen Totalausfall bei ausländischen Gästen. Inländer werden die Saison nicht retten.


Für den Wintertourismus kommt gerade eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Deutschland, die Schweiz und die Niederlande, Belgien und Dänemark haben schon in den vergangenen Wochen für Teile Österreichs eine Reisewarnung ausgesprochen.

Und nun der nächste Schlag: "Man kann ja auch Urlaub im Inland machen", sagte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstagabend im ZDF. Er rät damit explizit von Reisen ins Ausland ab und meint damit vor allem Österreich. "Aber wir haben jetzt zwei Mal erlebt - Stichwort Ischgl, Winterurlaub, und im Sommer - dass durch Reiserückkehr auch die Infektionen stärker wieder nach Deutschland reingebracht werden." Er sei dafür, daraus für den Herbst- und Winterurlaub zu lernen.

Ein Drittel deutsche Urlauber

Wenn die Deutschen ausbleiben, dann ist die Saison gelaufen. Das ist der Tenor in der Branche. Im Vor-Corona-Jahr, in der Wintersaison 2018/19, sind 27 Millionen Nächtigungen von insgesamt 72,9 Millionen auf Urlauber aus Deutschland entfallen. An zweiter Stelle folgten mit großem Abstand Urlauber aus den Niederlanden (6,2 Millionen Nächtigungen). Beide Gruppen dürfen im Moment nur unter strengen Auflagen aus Österreich wieder zurückreisen. Deutsche Urlauber machten demnach fast die Hälfte aller ausländischen Gäste aus und gut ein Drittel aller Nächtigungen.

Die Landeshauptmänner von Tirol, Günther Platter und Markus Wallner (beide ÖVP), haben angekündigt, alle Energie in eine Senkung der Infektionszahlen zu stecken, um die Reisewarnungen schnell wieder loszubekommen. Allerdings ist fraglich, ob dann Deutsche und Niederländer wie gewohnt die heimischen Pisten stürmen.

Inländische Touristen werden den erwarteten Ausfall jedenfalls nicht kompensieren können, ist sich Oliver Fritz, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sicher. Auf Österreicher entfielen lediglich 22,7 Prozent aller Nächtigungen. "Kompensieren werden die Inländer den Ausfall der ausländischen Touristen nicht", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Im Sommer sei das zum Teil gelungen. Im Juli gab es ein Plus von 15 Prozent bei den Heimaturlaubern gegenüber einem Minus von 17 Prozent bei ausländischen Gästen.

Damals gab es aber noch keine Reisebeschränkung für deutsche Urlauber. Und Winterurlaub ist nun mal etwas anderes als Sommerurlaub. "Wer bisher nie Skifahren war, wird sich auch heuer keine neue Ausrüstung kaufen und damit auf den Berg fahren", meint Fritz.

Das Wifo rechnet für das Gesamtjahr 2020 - also inklusive Lockdown - mit einem Tourismusausfall von 30 Prozent. Für den Wintertourismus sind Prognosen derzeit sehr schwierig, weil niemand weiß, wie sich Infektionszahlen und Reisebeschränkungen entwickeln. "Aber 20 bis 25 Prozent Minus im Wintertourismus könnten es schon werden", meint Fritz. Wer hingegen profitieren könnte, sind Thermenbetreiber. Urlauber, die sonst ins Warme geflogen wären, könnten dorthin ausweichen.

Sicherheitskonzept für den Wintertourismus

Am Donnerstag haben Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) das Sicherheitskonzept für die Wintersaison vorgestellt: Masken am Skilift und in der Gondel, Après-Ski nur im Sitzen und mit Sicherheitsabstand. Auch Weihnachtsmärkte sollen unter strengen Auflagen stattfinden. Denn nicht nur die Skiorte fürchten um ihr Geschäft, sondern auch die Städte. In Wien etwa brach der Tourismus zeitweise um satte 72 Prozent ein, zeigen die Zahlen des Wifo.

Ob die Maßnahmen ausreichen, um den ausländischen Gästen die Angst zu nehmen und das Ischgl-Image loszuwerden, ist fraglich. Denn die Verunsicherung ist derzeit groß und diese drückt naturgemäß die Reiselust. Im heimischen Tourismus sind direkt oder indirekt über benachbarte Branchen laut Wirtschaftskammer 675.000 Menschen beschäftigt. Die Wertschöpfung der Branche vor Corona belief sich auf 59,2 Milliarden Euro. Das sind 15,3 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung.