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In der Krise boomt der Pfusch

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Im Konjunkturtief wird mehr schwarz gearbeitet. Mit anreizorientierten Maßnahmen wie dem Handwerkerbonus könnten Milliarden in die Legalität geholt werden.


Geht es mit der Wirtschaft bergab, hat der Pfusch Hochkonjunktur. So geschehen auch im Corona-Jahr 2020. Nach ersten Berechnungen des Ökonomen Friedrich Schneider wurde im vergangenen Jahr in der Schattenwirtschaft eine Wertschöpfung von rund 25,7 Milliarden Euro erzielt - ein Plus von über 12 Prozent. "In den vergangenen 20 Jahren hat es keinen so starken Anstieg mehr gegeben", sagt Schneider, der von einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7 bis 8 Prozent ausgeht.

Noch zu Beginn des vergangenen Jahres hatte er mit einem Rückgang des Schwarzarbeitsvolumens von 24 Milliarden auf 22,9 Milliarden Euro gerechnet. Damals hatte noch nichts darauf hingewiesen, dass es eine Rezession geben könnte, sagt der Ökonom. Er war von 1986 bis zu seiner Emeritierung 2017 ordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Johannes-Kepler-Universität Linz und forscht seit vier Jahrzehnten zum Thema Pfusch.

Der Ausbruch der Coronapandemie sei "fast ein Lehrbuchbeispiel für einen exogenen Schock, den niemand voraussehen konnte", sagt der Wahl-Linzer. Corona kostete Abertausende Angestellte und Arbeiter ihre Jobs, Kleinunternehmern und Freiberuflern brachen die Aufträge weg. Massive Einkommensverluste waren die Folge. Durch selbst schwarz arbeiten oder im Pfusch arbeiten lassen würden viele zumindest einen Teil der Verluste ausgleichen.

Elektroarbeiten, Reparaturen, Schönheitspflege

Was sich in den vergangenen 20 Jahren nicht geändert hat, sind die häufigsten Einsatzgebiete des Pfusches: Elektroarbeiten, Autoreparaturen, Schönheitspflege und Massagen sowie weitere Tätigkeiten rund um Haus und Garten und Nachhilfe. Und es gilt unverändert: Wer schwarz arbeitet oder arbeiten lässt, begeht gleich mehrere Gesetzesverstöße.

Während der Großteil der Bevölkerung bei dem Thema kaum ein schlechtes Gewissen verspürt - immerhin könnte man sich ohne Pfusch vieles gar nicht leisten -, haben die Wirtschaftstreibenden Null Verständnis für Schwarzarbeit. "Pfusch schwächt - ganz egal, in welcher Form er geschieht - jedes redlich arbeitende Unternehmen und stellt einen Angriff auf die Sicherheit der dortigen Arbeitsplätze dar", so Renate Scheichelbauer-Schuster, Bundesspartenobfrau für Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Zahlen, die Schneider erhoben hat, seien "alarmierend".

Er wiederum findet, in der derzeit beispiellosen Wirtschaftskrise "könnte man ruhig ein Auge zudrücken." "Der Pfusch hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Rezession abgefedert und nicht noch mehr Menschen in die Armut abgerutscht sind", ist er überzeugt. Und außerdem: "Das meiste schwarz verdiente Geld wandert ja nicht auf ein Sparbuch und liegt da herum, sondern damit wird der nächste Wochenendeinkauf bei Interspar oder Billa finanziert. Es fließt also gleich wieder in die Wirtschaft." Daher würden sich auch die Steuerausfälle für den Fiskus in Grenzen halten. Dem Staat würden durch Schwarzarbeit hauptsächlich Sozialversicherungsbeiträge entgehen.

66 Prozent der Wertschöpfung aus Schwarzarbeit kommt von Pfuschern, die selbständig oder unselbständig in einem offiziellen Job beschäftigt sind, 16 Prozent gehen auf organisierte Kriminalität (Prostitution, Bau) zurück, 17 Prozent auf Arbeitslose und Frühpensionisten, hat Ökonom Schneider berechnet. 39 Prozent des Pfuschvolumens entfallen auf Baugewerbe und Handwerksbetriebe.

In einer vom Market-Institut im Herbst 2020 durchgeführten Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung zum Thema Schattenwirtschaft fanden nur sechs Prozent von rund 1000 Österreicherinnen und Österreichern, dass man Pfuscher anzeigen sollte. Drei Prozent sagten, sie würden dies auch tun. 63 Prozent hingegen sehen es als Kavaliersdelikt an, Dinge im "Pfusch" erledigen zu lassen. 2019 waren es nur 59 Prozent. 29 Prozent finden nichts dabei, selbst zu pfuschen.

Wenn die Konjunktur wieder anspringt, wird auch der Pfusch wieder zurückgehen. Verschwinden wird die Schattenwirtschaft trotzdem nicht. Mit anreizorientierten Maßnahmen könnten aber Milliarden aus dem Pfusch in die Legalität geholt werden, ist Schneider überzeugt.

Die Wirtschaftskammer pocht schon seit dem Auslaufen des Handwerkerbonus im Jahr 2017 auf seine Wiedereinführung, diesmal allerdings in einer größeren Dimension. Private Ausgaben bis zu 20.000 Euro (zuvor: 3000 Euro) pro Haushalt und Jahr für Renovierung und Modernisierung des Wohnraums sowie Außenanlagen sollen zu 25 Prozent gefördert werden. Schneider unterstützt das voll. "Das würde die Schattenwirtschaft sicher um 2 bis 3 Milliarden Euro senken", sagt er.

Deutliche Hebelwirkung

Die Wirtschaftskammer wünscht sich eine Dotierung der Förderung von 50 Millionen Euro jährlich für zwei Jahre. Schneider würde das Fördervolumen nach oben hin nicht begrenzen, denn in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass bei einer Deckelung das Fördervolumen innerhalb kurzer Zeit stets vorzeitig ausgeschöpft wurde.

Um die Förderung zu bekommen, muss ein im Inland ansässiges Unternehmen mit aufrechter Gewerbeberechtigung die Arbeitsleistung erbringen und mit Rechnungen dokumentieren. Nach Angaben der Bausparkassen wurden von Anfang 2016 bis Ende Mai 2017 durch den Handwerkerbonus Arbeitsleistungen von 211,5 Millionen Euro ausgelöst, bei einer Förderhöhe von 33,5 Millionen. 1 Förder-Euro habe also mehr als 6 Euro Arbeitsleistung bewirkt.

Anhand zahlreicher Fälle, die von Pfusch-Hotlines einzelner Landeskammern in der Vergangenheit aufgearbeitet wurden, wisse man dass diese vor allem ausländische Unternehmen betreffen, die unter Verletzung des Lohn- und Sozialdumping-Gesetzes in Österreich gearbeitet haben, so Scheichelbauer-Schuster. Diese Form des unlauteren Wettbewerbs könnte nach der Pandemie im - hoffentlich bald einsetzenden - Aufschwung noch stärker auftreten und einen massiven Schaden für die österreichische Wirtschaft und die Kunden anrichten. "Hier gilt es, wachsam zu bleiben, denn es geht um unsere österreichischen Arbeits- und Ausbildungsplätze", betont die Standesvertreterin.