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Lenzing-Chef: "Verstörendes Bild"

Von Karl Leban

Wirtschaft

Mit dem Hygiene-Austria-Skandal hat Lenzing ein nicht unerhebliches Imageproblem am Hals. Der Konzern beteuert, von Maskenkäufen in China und Schwarzarbeit nichts gewusst zu haben.


An der Wiener Börse ist der Textilfaser-Produzent Lenzing derzeit alles andere als gut angeschrieben. Der Masken-Skandal um die Hygiene Austria, eine mit dem Wäschehersteller Palmers gemeinsam betriebene Firma in Wiener Neudorf, gegen die wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges und Schwarzarbeit ermittelt wird, kratzt stark am Ruf des oberösterreichischen Weltkonzerns. Auch am Donnerstag ging es mit dem Aktienkurs deutlich bergab - zeitweise sogar um fast 7 Prozent. Damit hat sich das Kursminus bei dem ATX-Titel binnen weniger Tage bereits auf rund 12 Prozent vergrößert.

Auch Lenzing räumte bei der Präsentation der Jahresbilanz für 2020 ein, durch die Causa mit einem nicht unerheblichen "Imageproblem" konfrontiert zu sein. Firmenchef Stefan Doboczky sprach von einem "verstörenden Bild, das sich hier darstellt". Er und Technik-Vorstand Stephan Sielaff beteuerten, von in China zugekauften Masken, die dann unter dem Etikettenschwindel "Made in Austria" hierzulande vermarktet wurden, und auch von Schwarzarbeit nichts gewusst zu haben. "Wir haben erst am 3. März, am Tag der Hausdurchsuchungen (bei der Hygiene Austria, Anm.), davon erfahren", sagte Sielaff.

Wie der Lenzing-Manager weiter erklärte, seien wichtige Prozesse beim Joint-Venture-Partner Palmers angesiedelt gewesen. So hätten sich Daten in dessen Räumen befunden, zu denen Lenzing keinen Zugang gehabt habe. Jedenfalls sei es Lenzing "mangels Unterlagen nicht möglich" gewesen, nach Auffliegen der Masken-Affäre die "Managementkontrolle" bei der Hygiene Austria zu übernehmen, so Sielaff.

Lenzing hält an dem gemeinsamen Unternehmen mit 50,1 Prozent einen Mehrheitsanteil, dessen Verwaltung nunmehr, wie zu Wochenbeginn berichtet, einem Wirtschaftstreuhänder übertragen werden soll. Palmers ist mit 49,9 Prozent der Anteile quasi "nur" Junior-Partner der Oberösterreicher.

"Wollen rasch Transparenz"

Bei der im Frühjahr 2020 erfolgten Gründung der Hygiene Austria hatte Palmers-Vorstand Luca Wieser die Verteilung der Aufgaben zwischen Lenzing und Palmers mit folgenden Worten umrissen: "Wir haben langjährige Erfahrung in der Herstellung und im Vertrieb von Textilprodukten, die Lenzing AG bringt ihre Technologie-Erfahrung im Hygienebereich, das Know-how bezüglich Beschaffung und Rohmaterial sowie Wissen im Bereich Anlagenbau mit ein." Sielaff unterstrich in diesem Kontext, dass das "Made in Austria"-Versprechen für die Produktion der Schutzmasken jedenfalls "nicht durchgehend gewährleistet" worden sei. Der verbliebene, von Palmers eingesetzte Hygiene-Austria-Geschäftsführer Tino Wieser hatte bereits zugegeben, einen Teil der Masken aus China bezogen zu haben.

"Lenzing ist nicht Hygiene Austria", betonte CEO Doboczky. "Aber Lenzing ist selbstverständlich gefordert, in der Aufarbeitung einen Beitrag zu leisten. Und das werden wir auch tun." Im Konzern soll nun Sielaff das Desaster rund um die Hygiene Austria unter die Lupe nehmen, nachdem Stephan Trubrich als Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens abberufen wurde. "Wir wollen hier so rasch wie möglich für Transparenz sorgen", sagte Sielaff.

Wirtschaftlich hat die Hygiene Austria ihrem Mehrheitseigentümer bisher nichts eingebracht, außer Kosten. "Bis heute gibt es keine Gewinnzufuhr in Richtung Lenzing", sagte Sielaff. Was mit der Mehrheitsbeteiligung, deren Wert in der Konzernbilanz mit 4,5 Millionen Euro vermerkt ist, künftig geschehen soll, ließ der Manager offen. "Erst müssen wir verstehen, was passiert ist."

Dividende erneut gestrichen

Auch sonst hatte Lenzing am Donnerstag nicht viel Positives zu vermelden. Im Corona-Jahr brach dem - weltweit rund 7.400 Mitarbeiter zählenden - Konzern der Umsatz um 22 Prozent auf 1,63 Milliarden Euro ein. Netto schrieb Lenzing 10,6 Millionen Euro Verlust (nach 114,9 Millionen Euro Gewinn im Jahr davor). Laut Doboczky wird es auch für 2020 keine Dividende geben. Für heuer rechnet der Lenzing-Chef mit einem operativen Ergebnis, das in etwa auf dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019 liegen sollte. Für die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die Hygiene- und Medizinbranche geht er von einem steigenden Bedarf an Fasern aus.