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Kein Erbe - kein Eigenheim

Von Valentina Hammer

Wirtschaft
Ausgeträumt: Das eigene Haus im Grünen ist zu teuer geworden.
© adobe stock / Wolfilser

Weniger Einkommen und stetig steigende Immobilienpreise verhindern den Erwerb von Häusern und Wohnungen. Für viele junge Menschen ist Wohnen im Eigentum schlichtweg nicht mehr finanzierbar.


Seit dem Zweiten Weltkrieg konnte jede Generation sagen, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden. Die Millennials, zwischen 1982 und 2000 geboren, haben jedoch den Zug des langen Wirtschaftsaufschwungs verpasst. Einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge ist der Mittelstand in den meisten Ländern geschrumpft, da es für jüngere Generationen schwieriger geworden ist, in die Mittelschicht aufzusteigen.

Österreich, wie viele andere Industrieländer, steht seit den 1990er Jahren einem Trend zu steigender Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen gegenüber. Das betrifft zum einen den starken Anstieg in der Teilzeitbeschäftigung, aber auch die Zunahme von Leiharbeit, Befristungen und freien Dienstverhältnissen.

"Eine stetige Beschäftigungshistorie oft beim selben Arbeitgeber, wie es für viele in der Elterngeneration noch üblich war, ist heute eher die Ausnahme. Das dämpft auch die Einkommensentwicklung der jungen Generation", sagt Ökonom Matthias Schnetzer von der Arbeiterkammer Wien. Die zunehmende Krisenanfälligkeit der Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten hat dies verstärkt, denn junge Menschen zählen zu den am stärksten Betroffenen in Krisen. Die teils bessere Ausbildung macht sich im Einkommen nicht bemerkbar.

Mehr als jeder fünfte Haushalt dieser Einkommensklasse gibt mehr Geld aus, als am Monatsanfang auf dem Konto steht. Ein Eigenheim ist daher für viele mittlerweile nur noch Wunschdenken: Die Preise für Häuser sind laut OECD-Studie in den letzten zwei Jahrzehnten dreimal so schnell gestiegen wie das Einkommen der Mittelschicht.

Preise im Höhenflug

Aus einer Analyse der Oesterreichischen Nationalbank geht hervor, dass die Preise für Wohnimmobilien im ersten Quartal 2021 hierzulande um 12,3 Prozent zum Vorjahresquartal gestiegen sind, nach einem Plus von 10 Prozent im vierten Quartal 2020. Gleichzeitig sind die durchschnittlichen Einkommen nicht gestiegen.

Laut Deloitte Property Index mussten in Österreich 2020 für einen durchschnittlichen Wohnraum (70 m2) zehn durchschnittliche Bruttojahresgehälter bezahlt werden. 2019 waren es noch sechs durchschnittliche Bruttojahresgehälter. Statt Auto, Haus und Kind lieber den Sinn des Lebens suchen, kein Geld auf der Seite und ein unbezahltes Praktikum nach dem anderen absolvieren: Das wird den Millennials oft nachgesagt. Doch einige Entscheidungen davon sind nicht freiwillig. Das altbewährte Lebensmodell hält den neuen Bedingungen kaum noch stand.

In der Wohnbau-Studie 2021 von Erste Bank, den Sparkassen und der S-Bausparkasse geben 39 Prozent aller Mieter an, in den nächsten Jahren Eigentum erwerben zu wollen. Setzt man diesen Wert allerdings in Relation zu den Befragungsergebnissen von vor drei Jahren, zeichnet sich eine Tendenz ab: 2018 wollten noch 49 Prozent Eigentum erwerben, heute sind es um 10 Prozent weniger.

Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank: "Die Wohnstudie 2021 liefert hier eine klare Antwort für diesen deutlichen Rückgang. Fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten gibt an, dass sie zwar gerne Eigentum erwerben möchten, sich dieses aber nicht leisten können."

Besonders davon betroffen ist die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen, also genau jene Zielgruppe, die sich ersten Wohnraum schaffen möchte. "Wohnen muss für alle leistbar sein. Daher muss an beiden Schrauben gedreht werden: bei den Einkommen und am Wohnungsmarkt", so Schnetzer. Zum einen sei es wichtig, dass junge Menschen rasch in gute und stabile Jobs kommen und deren Einkommensentwicklung durch Kollektivverträge abgesichert sei. In den Daten sehe man, dass stabile Beschäftigungsverhältnisse mit realen Einkommensgewinnen einhergehen, atypische und prekäre Jobs hingegen deutlich hinterherhinken. In Österreich sei die Abdeckung mit Kollektivverträgen zwar sehr hoch, allerdings untergraben Befristungen, Teilzeitanstellungen, überlange Praktika oder Leiharbeit die Vorzüge dieser tariflichen Lohnsetzung, erklärt der Ökonom.

Eine Frage der Finanzierung

Die durchschnittliche Finanzierungshöhe 2020 betrug 231.000 Euro. 2018 lag sie bei 192.000 Euro, ein Anstieg um 20 Prozent. "Das ist eine Folge der Preissteigerungen am Immobilienmarkt. Die aktuelle Niedrigzinsphase puffert teilweise die gestiegenen Preise über den niedrigeren Zinseszinseffekt und der somit niedrigeren Rate ab", sagt Immobilien-Experte Philipp Schroefl von der Raiffeisen Stadtbank Wien.

Im Schnitt hatten Wohnraumkredite eine Laufzeit von 25 Jahren bei einem Eigenmittelanteil von 20 Prozent. Aufgrund der günstigen Konditionen, waren 80 Prozent der Finanzierungen Fixzins-Kredite, um das niedrige Zinsniveaus für die nächsten 20 oder 25 Jahre zu sichern.

"Die Kunden kennen somit die genauen monatlichen Kosten und reduzieren das Risiko von steigenden Zinsen," erklärt Schroefl. Das Wichtigste bei der Immobilienfinanzierung sei die gute Leistbarkeit der Kreditrate. Diese sollte so gewählt sein, dass der gewünschte Lebensstandard unverändert möglich ist, und macht zumeist rund 30 Prozent vom monatlichen Nettoeinkommen aus, so der Immobilien-Experte.

Doch junge Menschen haben derzeit trotz guter Zinsen Schwierigkeiten mit der Finanzierung, bemerkt Christina-Michaela Moser, Maklerin bei Moser Immobilien. "Das liegt zum einen daran, dass die Immobilienpreise massiv gestiegen sind, zum anderen daran, dass es kaum mehr Vollfinanzierungen von den Banken gibt", sagt sie. Man brauche meistens 25 bis 30 Prozent des Kaufpreises und der Kaufnebenkosten in bar oder andere Sicherheiten, damit man überhaupt für einen Kredit in Höhe der benötigten Summe in Betracht gezogen wird.

"Ungleichgewichte"

Laut einer Statista-Erhebung aus dem Jahr 2019 beträgt das durchschnittliche Nettojahreseinkommen der 20- bis 29-jährigen unselbständigen Erwerbstätigen in Österreich 16.932 Euro. Einen Kredit rein mit dem eigenen Einkommen zu stemmen, fällt dieser Altersgruppe daher trotz niedriger Zinsen sehr schwer.

Moser meint: "Ohne Erbe, ohne Privatkredit, zum Beispiel von den Eltern, ohne Schenkungen und ohne Spitzengehälter ist es so gut wie unmöglich für junge Menschen, sich eine Wohnung in Wien oder ein Haus im Wiener Speckgürtel leisten zu können." Wer auf kein Erbe oder reiche Eltern zurückgreifen kann, sei nicht nur durch die aktuelle horrende Preisentwicklung vom Immobilienerwerb ausgeschlossen, sagt Schnetzer. "Das heißt, auch innerhalb der Jungen gibt es eine Spreizung entlang von ,Klassenlinien‘, wobei das Vermögen der Eltern eine gewichtige Rolle spielt." Laut Mosers Einschätzungen werden sich die Immobilienpreise in den kommenden Monaten bei Standardobjekten wieder nach unten regulieren, da durch die Wirtschaftskrise vermehrt Verkaufsobjekte auf den Markt kommen. Aktuell ist die Nachfrage wesentlich höher als das Angebot und entsprechend sind die Preise auf einem nie dagewesenen Höchststand. Wenn dieses "Ungleichgewicht" wieder ins Lot kommt, dann wird es automatisch zumindest bei Privatimmobilien zu einer gewissen Regulierung der Kaufpreise kommen.

Allerdings gibt es auch Lagen, in denen man von einer sehr stabilen Preisentwicklung ausgehen könne, das betreffe zum Beispiel beliebte Wiener Bezirke und den Speckgürtel, und dort insbesondere jene Gebiete, die bereits einwohnertechnisch und von der Bebauung her sehr ausgelastet sind.

Um die finanzielle Situation der jungen Menschen in Österreich zu verbessern, plädiert Schnetzer für das Zurückdrängen von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen sowie von unbezahlten Praktika. Verbesserte Rahmenbedingungen und stärkere Kontrolle arbeitsrechtlicher Aspekte wie beispielsweise Kettenverträge oder Missbrauch freier Dienstverhältnisse beim Berufseinstieg könnte das Einkommensniveau für die junge Alterskohorte stärken, erklärt Schnetzer.