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Kostenfaktor oder Gewinnchance?

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Österreichs Unternehmer wissen um den Klimawandel und seine Folgen, werden aber zu wenig aktiv dagegen und glauben auch nicht an die Erreichbarkeit der Klimaziele. Ein schräges Stimmungsbild zeigt politischen Handlungsbedarf.


Will man 100 Milliarden Euro Kosten oder 300 Milliarden Euro Gewinn bis 2070? Klingt seltsam, ist aber die Essenz einer Befragung durch Sora unter Österreichs Führungskräften für eine repräsentative Studie von Deloitte. Sie sollte ein Stimmungsbild liefern, wie realistisch die heimischen Manager die Erreichung der EU-Klimaziele einstufen, und wie sie die wirtschaftlichen Folgen für ihre Unternehmen wahrnehmen, sollte sich die Erde bis 2050 um 1,5 oder gar um drei Grad Celsius erwärmen.

Befragt wurden dabei im April und Mai 2022 mehr als 400 Führungskräfte heimischer Unternehmen mit mindestens 25 Mitarbeitern. Insgesamt sind sie für etwa 1,8 Millionen Beschäftigte im Land zuständig.

Pessimismus bei Klimazielen

Das Ergebnis ist erschütternd: 72 Prozent der Befragten glauben, dass die Menschheit das 1,5-Grad-Ziel nicht schaffen wird. Zwei Drittel denken auch nicht, dass die österreichische Wirtschaft insgesamt bis 2040 klimaneutral produzieren wird. Gleichzeitig jedoch spüren 4 von 10 österreichische Unternehmen bereits die direkten Auswirkungen des Klimawandels, bei solchen mit über 250 Mitarbeitern sind es 60 Prozent.

Etwa der Hälfte der befragten Unternehmer ist gleichzeitig sehr bewusst, wie fatal sich ein "Doomsday"-Szenarios mit 3 Grad Klimaerwärmung auswirken würde: Sie schätzen, dass sie dann etwa 20 Prozent ihres Gewinnes einbüßen würden.

Das Thema Energiepreise bewege die heimischen Unternehmen zwar bereits "flächendeckend", fast jedes dritte von ihnen nimmt dies gar als existenzbedrohend wahr. "Und dennoch sieht nur ein Viertel der Befragten einen deutlichen Handlungsbedarf im eigenen Haus", fasst Alexander Kainer, Partner bei Deloitte Österreich, zusammen. Die stärker betroffenen Sektoren Landwirtschaft und Industrie sind bereits aktiver, denn: "Da tut es heute schon weh."

Am ehesten bessern heimische Firmen in den Bereichen Energiesparen und Energieeffizienz nach. Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeigt sich dabei auch: Immerhin 36 Prozent der Befragten gibt an, eine eigene Energieproduktion schaffen zu wollen. Das zeige "ein enormes Potenzial für den Beitrag, den die heimische Wirtschaft zum Erreichen der Klimaziele leisten könnte", konstatieren die Studienautoren.

"Unterbelichtet" bei Lieferketten

"Deutlich unterbelichtet" sei man hingegen bei der Anpassung der Lieferketten, analysiert Kainer. "Energie war bisher kein Kernthema bei den Einkäufern, vielen ist der Preisanstieg jetzt um die Ohren geflogen, obwohl das Thema seit Monaten bekannt ist. Das wirkt sich auch etwa beim Import von Maschinenteilen aus Südamerika aus", erläutert er.

Insbesondere kleinere Betriebe unterschätzen die Gefahren des Klimawandels für ihr Geschäftsmodell, zeigt die Befragung. Dies hat allerdings Folgewirkungen auf den Rest der heimischen Wirtschaft, sind sie doch oft Zulieferer für die Industrie.

Milliardenverlust oder -gewinn

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des kollektiven Nichtstuns und Wegschauens der heimischen Unternehmer wären jedenfalls fatal, die Studienautoren berechnen: Werden keine Maßnahmen gesetzt, kostet das die österreichische Wirtschaft bis 2070 rund 100 Milliarden Euro sowie bis zu 900.000 Arbeitsplätze.

Andererseits wäre mit einem gut geschnürten Paket gegen den Klimawandel gut zu verdienen. Zunächst koste das zwar etwas, bringe aber auch viel, nämlich bis zu 300 Milliarden Euro, erklärt Kainer. "Wenn die österreichische Volkswirtschaft den Umstieg auf CO2-neutrale Produktion schafft, ist das langfristig eine große Chance." Werden die richtigen Schritte gesetzt, könne Österreich die Klimawende sogar vor 2050 schaffen.

Damit dieser Umbau gelingt, braucht es aber umfassende finanzielle Unterstützung vom Staat sowie einen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft. "Für eine langfristige Transformation sind eine Bewusstseinsbildung über alle Stakeholder hinaus sowie das Aufzeigen von Lösungen unabdingbar", fasst Kainer zusammen.

Denn das Geld fehlt, nicht zuletzt aufgrund von zwei Jahren Pandemie. Förderungen, Prämien, Abschreibungen seien notwendig, ebenso verbindliche, haftungsrelevante Finanzierungszusagen, führt er weiter aus.

Eine Herausforderung kommt noch hinzu: Die aktuellen Veränderungen geschehen so rasant, dass sich besonders KMUs nicht schnell genug darauf einstellen könnten, konstatiert Kainer. Ab 2035 überwiegen jedenfalls die Vorteile, wird ein 1,5-Grad-Szenario umgesetzt, während ein 3-Grad-Szenario ab dann laufend Kosten verursachen würde. Den großen Wendepunkt für Europa sieht man bei Deloitte 2050.