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"Der Zug fährt in die falsche Richtung"

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Homeoffice mit quengelndem Kleinkind und daneben Haushalt: Corona trieb viele Mütter an den Rand ihrer Belastungsgrenze.
© stock adobe / Ersin

Backlash durch Corona: Die Wiedereinstiegsquote von Müttern ist erstmals seit Jahren rückläufig.


Der zweite Geburtstag eines Kindes ist aus arbeitsrechtlicher Sicht ein wichtiges Datum. Am Tag davor endet nämlich der gesetzliche Anspruch auf Karenz. In Karenz gehen in den allermeisten Fällen die Mütter, und nach zwei Jahren arbeiten die meisten von ihnen auch wieder.

Die Arbeiterkammer schlägt nun Alarm: In der Corona-Pandemie war die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegene Rückkehrquote erstmals seit dem Jahr 2006 rückläufig. Auch bei der Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung sieht es nicht rosig aus, hier wurde ebenfalls ein Rückschritt festgestellt. "Der Zug fährt in die falsche Richtung", sagte dazu Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien, am Donnerstag in einer Pressekonferenz.

Bei den Frauen, die im vierten Quartal 2018 Mutter wurden und vor der Geburt ihres Kindes vorwiegend in Beschäftigung waren, standen beim zweiten Geburtstag des Kindes, also im vierten Quartal 2020 und somit mitten in der Pandemie, 64,5 Prozent wieder im Erwerbsleben. Ein Jahr davor waren es noch 67,5 Prozent, also 3 Prozentpunkte mehr, gewesen. Das geht aus dem Wiedereinstiegsmonitoring hervor, das von der L&R Sozialforschung im Auftrag der AK erstellt wird.

Homeoffice, Kind und Haushalt gleichzeitig schupfen

Bei Arbeiterinnen, bei denen die Wiedereinstiegsquoten schon vor Corona deutlich niedriger waren als bei weiblichen Angestellten, ging die Quote von 46,6 Prozent auf 41,8 Prozent zurück, bei den weiblichen Angestellten sank sie von 72,9 Prozent auf 70 Prozent. Die Arbeiterkammer macht für diese Entwicklung die Unsicherheiten durch die diversen Corona-Lockdowns und die Schließungen von Schulen und Kindergärten verantwortlich. Mütter sahen sich oft mit Situationen konfrontiert, in denen sie gleichzeitig Homeoffice verrichten, ihre Kleinen versorgen und den Haushalt führen mussten. Das legt den Schluss nahe, dass Frauen lieber länger zuhause blieben, anstatt sich das anzutun.

Zu bedenken geben sollte laut Arbeiterkammer auch der rückläufige Anteil der Männer an den Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen. Lag der Anteil im Spitzenjahr 2017 noch bei 16 Prozent, fiel er 2020 mit rund 14 Prozent wieder auf das Niveau von 2012 zurück - eine unerfreuliche Trendwende. "Bei 82 Prozent aller Paare mit Kindern ging der Vater weder in Karenz, noch bezog er Kinderbetreuungsgeld", so Ingrid Moritz.

In vielen Fällen spielt das Einkommen eine Rolle. Je höher der Verdienst der Frau ist, desto eher gehen Väter in Karenz. Bei einem Brutto-Monatseinkommen der Frau vor der Geburt von mehr als 4.000 Euro würden 34,7 Prozent der Männer Karenz in Anspruch nehmen, hat die L&R Sozialforschung ermittelt. Verdient die Frau unter 2.000 Euro, sei es nur jeder Zwanzigste.

Die Arbeiterkammer fordert mehr Anreize, damit sich wieder mehr Väter in die Kinderbetreuung und -erziehung einbringen und Mütter den Wiedereinstieg nach der Karenz besser schaffen. So steht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag des Kindes an oberster Stelle. Helfen würde auch, wenn bei partnerschaftlicher Teilung des Kinderbetreuungsgeldes ein höherer Mindestanteil für Väter vorgeschrieben würde, so Ines Stilling, Bereichsleiterin Soziales in der AK Wien. Zurzeit beträgt die gesetzlich festgelegte Mindestdauer je Elternteil zwei Monate. Es habe sich zum Regelfall entwickelt, dass Väter nur diese Mindestdauer ausschöpfen. Praktisch könnten sich die Eltern die Karenz aber 50:50 aufteilen.

Beschäftigte in Karenznicht vergessen

Die AK nimmt einmal mehr auch die Arbeitgeber in die Pflicht: Bei familienfreundlichen Arbeitszeiten kommen Mütter nach der Babypause gerne wieder zurück in den Betrieb. Unternehmen sollten auch aktiv Karenzmanagement betreiben. "Viel zu oft sehen wir leider, dass Beschäftigte, die in Karenz gehen, ersetzt werden und die erste Beschäftigung mit ihnen erst erfolgt, wenn sich die Frage stellt, wo man sie denn nun wieder einsetzen könnte", sagt der Unternehmensberater Peter Rieder zur "Wiener Zeitung". Standardisierte Gespräche, Kontakthalten und eine aktive Begleitung beim Wiedereinstieg machten ein gutes Karenzmanagement aus.

Rieder betreut einige Betriebe, die bereits einen klaren Prozess etabliert hätten. Hier gebe es etwa ein Planungsgespräch, sobald eine werdende Elternschaft gemeldet werde. "In einem Karenzantrittsgespräch werden das Kontakthalten, aber auch Ideen für danach besprochen", sagt Rieder, Gründer und Chef der Arbeitswelten Corporate Culture & Worklife Consulting. In einem Zwischengespräch wird abgeglichen, inwieweit sich die Pläne verändert haben, und die Rückkehr wird vorgeplant. Bei einem Wiedereinstiegsgespräch werden gemeinsam die Rückkehrmodalitäten geklärt.

"Das Signal sollte sein: Wir möchten gerne mit Dir in Kontakt bleiben und den Prozess gemeinsam gestalten, damit wir Dir einen guten Wiedereinstieg erleichtern. Viele Beschäftigte in Karenz schätzen das sehr und beteiligen sich auch aktiv. Nichtsdestotrotz sollte es auch legitim sein, wenn jemand diese Angebote nicht in Anspruch nimmt und sich für zwei Jahre ausschließlich um die Jungfamilie kümmert", so Rieder.