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Mit Finanzwissen zur Unabhängigkeit

Von Sandra Gloning

Wirtschaft
Männer investieren und gehen dabei auch Risiken ein, Frauen setzen lieber auf die Sicherheit des Sparens.
© adobe stock / contrastwerkstatt

Damit die Angst vor Aktien & Co schwindet: Beratungsangebote speziell für Frauen boomen.


Männer träumen von teuren Autos, Markenuhren und dem Ende ihres 40-Stunden-Jobs. Sie möchten mehr Flexibilität, mehr Lebensqualität, ein Umfeld, in dem sie ohne nachzudenken die teure Flasche Wein bestellen. Dafür sind sie auch bereit, Risiken einzugehen. Denn über Finanzen wissen sie Bescheid. Wenn eine Investition schiefgeht, muss die nächste halt den Verlust wieder ausgleichen. Schnell reich werden: Das versprechen auf Männer zugeschnittene Finanzprodukte. Eine große Rolle spielen dabei die sogenannten Finfluencer. Sie empfehlen häufig risikoreiche Investments oder komplizierte Krypto-Währungen. Männer schreckt das nicht ab, im Gegenteil. Die Mittel und das nötige Wissen sind da.

Bei Frauen ist das anders. Zunächst einmal verdienen sie weniger als Männer - im Schnitt beträgt der Unterschied 18,8 Prozent. Das wurde in einer Imas-Studie im Auftrag von Erste Bank und Sparkassen diesen März erneut bestätigt. Fast die Hälfte aller Frauen in Österreich arbeiten in Teilzeit, was nicht nur zu einem geringeren Einkommen führt, sondern auch zu einer niedrigeren Pension. Das wiederum heißt, dass rund 26 Prozent der Frauen ein hohes Risiko für Altersarmut haben.

Anderer Umgang mit Geld

Die Gefahr wird durch die Veränderung der klassischen Familienbilder und der hohen Scheidungsrate noch verstärkt. Das führt dazu, dass viele Frauen anders mit Geld umgehen als Männer. Sie legen das Ersparte lieber aufs Sparbuch als zu investieren und glauben, nicht genug zu wissen, um Aktien oder ETFs (Fonds, die einen Börsenindex nachbilden) zu kaufen. Viel Spielraum in der Veranlagung bleibt da nicht. Ein Problem, dessen sich immer mehr Finanzanbieter annehmen. Frauen sind die neue, wachsende Zielgruppe.

Laut Imas-Studie ist es 84 Prozent der Frauen sehr wichtig, finanziell unabhängig zu sein. Hier setzen Finanzdienstleister mit Apps, Workshops, Kursen oder persönlicher Beratung an. Finanzplattformen für Frauen werben mit dem Schutz vor Altersarmut. Oder mit der Freiheit, jederzeit eine Beziehung verlassen zu können. Frei zu sein. Abgesichert zu sein. Das sind die primären finanziellen Bedürfnisse vieler Frauen.

Wissen ist Macht

Viele der Plattformen setzen auf Finanzbildung, um den Frauen mehr Sicherheit zu geben. Julia Pitters, Wirtschaftspsychologin, erklärt: "Es ist immer noch so, dass Frauen ihr Finanzwissen schlechter einschätzen als Männer. Insgesamt ist das Wissen der Männer vielleicht etwas besser, aber wenn man Männer fragt, wie gut, überschätzen sie sich häufig. Frauen sind realistischer, aber auch unsicherer." Das zeigt sich auch in der Anlagestrategie. Frauen sind risikoaverser und setzen eher auf etwas, das sie kennen. Pitters: "Frauen verdienen immer noch signifikant weniger und grad in Zeiten der hohen Inflation sind sie vorsichtiger und sparen lieber mehr. Während der Pandemie war die Sparquote bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern. Männer haben mehr und können mehr damit machen."

Das ist auch ein Grund, warum die Anbieter von Angeboten für Frauen damit werben, dass Investitionen schon mit geringen Beträgen möglich sind. Auf der Finanzplattform finmarie ist man ab 25 Euro pro Monat dabei. 2018 in Berlin gegründet, war finmarie einer der ersten Finanzdienstleister speziell für Frauen. Zum Angebot gehört neben dem klassischen Finanzcoaching auch ein 8-wöchiges Programm, das den Teilnehmerinnen Schritt für Schritt hilft, ihre finanzielle Situation zu verstehen und entsprechend zu handeln.

Auch der Community-Gedanke steht bei finmarie im Vordergrund, wie Gründerin Karolina Decker sagt: "Wir schaffen eine Community von Frauen, die ihr Wissen austauschen und voneinander lernen können." Durch den Fokus auf die weibliche Zielgruppe entstehe eine Umgebung, in der Frauen offen über ihre finanziellen Fragen, Bedenken und Ziele sprechen könnten. Dies fördere den Austausch von Erfahrungen und ermögliche es den Teilnehmerinnen, voneinander zu profitieren, so die Geschäftsführerin.

Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das Berliner Start-up Vitamin mit seiner Finanz-App für Frauen, die 2022 als Beta-Version online ging. Es stehen kostenlos Erklärvideos, Blogbeiträge und ein Podcast zur Verfügung. Man fokussiert sich auf die Basics und erklärt beispielsweise das System von Zinseszinsen oder den Unterschied zwischen Aktienfonds und ETFS. Kostenlos sind auch ein Anlageplan und ein 15-minütiges Beratungsgespräch. Geld möchte die Plattform erst, wenn man dort anlegen will, und zwar jährlich 0,6 Prozent des Betrags, den man investiert hat, für Service & Support auf der Plattform und zusätzlich 0,2 Prozent für die Verwalter der ETFs.

Beide Plattformen sind bunt, mit vielen Grafiken und Bildern. Es wird versucht, das abstrakte Finanzthema zu vereinfachen und mit Menschen zu verknüpfen. Bei Vitamin und finmarie steht jedem Mitglied ein kostenloser Beratungstermin zur Verfügung. Und dieser Kontakt ist vielen Frauen wichtig. Laut Imas-Studie suchen 78 Prozent der Frauen den direkten Kontakt zu Finanzexperten, sei es bei der Bankberatung, auf Finanz-Plattformen oder in Workshops.

Schutz vor Altersarmut

Mariette Babos ist die Gründerin der Damensache, einer unabhängigen Finanzberatung speziell für Frauen in Wien. Sie hat miterlebt, wie ihre Mutter in die Altersarmut rutschte und entschied sich daraufhin, Frauen durch persönliches Coaching und Workshops davor zu bewahren. Sie berät ihre Klientinnen in Bezug auf die geeignete Altersvorsorge und Geldanlage, aber auch, wie man in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Partner Kosten fair teilt und wie man Geld in der Ehe aufteilt. Sie informiert auch über das Thema Pensionssplitting. Denn die Fragen fangen häufig nicht bei der Veranlagung an oder hören dort auf.

Aber braucht es solche Angebote überhaupt? Wirtschaftspsychologin Pitters findet, dass man alles, was mit seriöser Finanzbildung zu tun habe, positiv bewerten müsse. Eine Umfrage habe kürzlich ergeben, dass nur ein Viertel der Menschen Finanzbildung in der Schule erfahren: "Der ganz große Wunsch der überwiegenden Mehrheit ist, mehr zu wissen. Für Männer war es lange Zeit Teil ihrer Potenz, dass sie sich mit Finanzen auskennen. Es war über Jahrhunderte eine Männerdomäne. Und deshalb braucht es für Frauen niederschwellige Zugänge, wo man unter seinesgleichen ist. Das senkt die Hemmschwelle, sich mit Finanzen zu beschäftigen."