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Erdwärme mit Anlaufschwierigkeiten

Von Kevin Yang

Wirtschaft

Tiefengeothermie braucht als zentraler Baustein für die klimafreundliche Wärmewende bessere Rahmenbedingungen.


Im Inneren unseres Planeten ist es so heiß, dass die natürlich vorkommenden Wassereinlagerungen den Siedepunkt erreichen können. In mehreren tausend Metern liegt Thermalwasser, das nur darauf wartet zutage gefördert zu werden, um die heimischen Haushalte zu beheizen.

Derzeit werden 85 Prozent des österreichischen Energieverbrauchs für die Produktion von Wärme aufgewendet. Knapp 60 Prozent davon werden laut dem Klima- und Energiefonds bisher aber aus fossilen Energieträgern wie Erdgas gedeckt. Um eine ernsthafte Energiewende voranzutreiben, benötigt es daher auch eine Strategie zur Wärmewende und den Ausbau der Geothermie.

Einige Häuslbauer haben die Wärmewende schon längst vollzogen. Laut dem Branchenverband Wärmepumpen Austria wächst der Absatz jährlich. Während Anfang der 2000er Jahre noch rund 2.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert wurden, waren es 2022 schon 50.000, von denen etwa zehn Prozent mit Erdwärmekollektoren verbaut wurden.

Was mit der oberflächennahen Geothermie in vielen Gebäuden mit Wärmepumpen oder -sonden bereits Realität ist, das schaffen tiefengeothermische Systeme in zwei- bis sechstausend Metern Tiefe in einer größeren Dimension. In Zukunft sollen mithilfe des Thermalwassers ganze Ballungsräume über das Fernwärmenetz geothermisch beheizt werden können.

Bisher fristet die klimafreundliche Erdwärmegewinnung allerdings ein Schattendasein. "Wir sind mit der Geothermie immer in Konkurrenz zum billigen Gas gestanden. Solange Erdgas billig verfügbar ist und es politisch gewollt ist, hat die Geothermie de facto kaum eine Chance, da es extrem hohe Investitionskosten gibt", sagt Stefan Hoyer von der Geosphere Austria (vormals Geologische Bundesanstalt). Der Geophysiker sieht vor allen die Kosten für die Exploration und die Probebohrungen als ein großes Hindernis an, dass Investoren davor abschreckt, tiefengeothermische Anlagen zu finanzieren. So kann eine Bohrung schnell einmal fünf Millionen Euro kosten - ohne die Garantie, dann tatsächlich auf ein Vorkommen zu stoßen, bei dem sich auch der weitere Ausbau lohnt.

Geothermie im Aufbruch

Mit der anhaltenden Energiekrise und den geopolitischen Verwerfungen bekommt das Thema Geothermie hierzulande aber nun Aufwind. In Wien-Aspern wird schon seit einigen Jahren an der Erschließung eines tiefengeothermischen Potenzials geplant - dem Aderklaaer Konglomerat. Die Wien Energie plant hier eine tiefengeothermische Anlage mit einem Leistungspotenzial von 120 Megawatt. Damit könnten bis zu 125.000 Wiener Haushalte mit klimafreundlicher Erdwärme versorgt werden, für die es teilweise noch keine sinnvolle Alternativen gibt. Denn nicht alle Wohnhäuser in der Hauptstadt können nach dem vollständigen Verbot von Gasthermen ab dem Jahr 2040 wirtschaftlich sinnvoll auf lokale Wärmepumpensysteme umgerüstet werden.

Dem Pilotprojekt in Wien-Aspern ging allerdings eine mehrjährige Erkundungsphase voraus, in deren Zuge umfangreiche Informationen über den Untergrund beschafft werden mussten. Doch an diese Daten heranzukommen, ist in der Praxis alles andere als einfach. So ist das Erdreich in Österreich aufgrund der langen Tradition des Bergbaus und der Rohstoffförderung zwar gut erforscht. Doch die archivierten Daten zur Seismik und die Bohrproben jahrzehntealter Öl- und Gasexploration, die für die Auffindung tiefengeothermischer Potenziale besonders hilfreich sind, befinden sich meist in den Händen der damit befassten Bergbau- oder Erkundungsunternehmen. Da es keinen Anspruch auf Herausgabe diese Daten gibt, lassen sich Geothermie-Projekte vor allem ohne Unterstützung der OMV kaum sinnvoll realisieren. "Es ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, inwiefern alte Daten, die eben noch aus der staatlichen OMV kommen, publiziert werden müssen", sagt Geophysiker Hoyer. "Seit die Geothermie anfängt, ein Geschäft zu werden, wird die OMV immer restriktiver mit der Herausgabe."

In Fachkreisen drängt man dementsprechend auch auf eine Regelung, wie sie in vielen anderen europäischen Staaten üblich ist. So müssen etwa in Deutschland und Frankreich Geodaten nach Ablauf einer bestimmten Frist der Öffentlichkeit zur freien Verfügung gestellt werden.

Komplexe Rechtslage

Probleme gibt es bei neuen Erdwärme-Projekten aber nicht nur wegen des schwierigen Zugangs zu geologischen Daten. So zielt die derzeitige Gesetzeslage vor allem auf den Abbau von Rohstoffen wie Öl, Gas oder Mineralien ab, was bei der Gewinnung von Erdwärme mitunter zu Rechtsunsicherheiten führt. "Bei der Geothermie geht es um die Wärme. Das Wasser ist nur das Medium, das die Wärme nach oben holt, mit dem wir die Wärme gewinnen und das Wasser führen wir wieder zurück. Wir bauen nicht das Wasser ab", sagt Peter Keglovic, der bei Wien Energie für das Projekt in Aspern zuständig ist.

Da Erdwärme nicht als Ressource definiert ist, gelten auch andere Regeln als bei mineralischen Rohstoffe. "Wenn ich nach dem Mineralrohstoffgesetz eine Gewinnungsberechtigung bekomme, erhalte ich ein ausschließliches Gewinnungsrecht für einen bestimmten Raum", sagt Juristin Reka Krasznai von der Kanzlei Haslinger-Nagele. Bei der Geothermie ist die Nutzung einer Lagerstätte dagegen nicht ausschließlich dem ersten Erkunder vorbehalten. Der Ausschluss von Mitbewerbern kommt anders als im klassischen Bergbau damit nicht zur Anwendung.

Von der Branche wird in diesem Zusammenhang schon seit Jahren ein zentrales Konzessionswesen gefordert, das Erdwärme als Ressource festschreibt und Nutzungsrechte in klar definierten Erkundungsgebieten vergibt. "Bei der Geothermie ist Aufsuchung und Gewinnung in mehrere Gesetze zersplittert. Ich muss mir die Gewinnung des Thermalwassers von der Wasserrechtsbehörde genehmigen lassen, von der Bergbaubehörde lasse ich mir die Bohrung genehmigen, vom Gewerbeamt die Anlage", kritisiert Peter Keglovic. "Das Aufsuchen und Gewinnen von Öl und Gas ist in Österreich rechtlich bessergestellt als Geothermie und das sollte heute nicht mehr so sein."

Tiefengeothermie gilt als zentraler Baustein für die klimafreundliche Wärmewende. Es braucht aber bessere Rahmenbedingungen.