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Es heißt wieder früher aufstehen

Von Thomas Rauch

Wirtschaft

Zu spät in die Firma: Was arbeitsrechtlich zu beachten ist.


Wien. Insbesondere im Winter kommt es wegen Glatteis und Schnee sowie wegen dadurch entstehender Staus und Verkehrsunfällen zu Verspätungen beim Arbeitsbeginn oder allenfalls sogar zu versäumten Arbeitstagen. Muss der Arbeitgeber die versäumte Arbeitszeit bezahlen?

Nach dem Gesetz behält ein Arbeitnehmer den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird (für Arbeiter § 1154 b Abs 5 ABGB, für Angestellte § 8 Abs 3 AngG).

Von diesen Regelungen wäre etwa eine unvorhersehbare Verkehrsstörung durch Glatteis, Schnee, Auffahrunfälle und Verspätungen im öffentlichen Verkehr betroffen. Wenn demnach der Arbeitnehmer um drei Stunden verspätet zur Arbeit erscheint, weil er durch überraschende Schneeverwehungen die Fahrt mit seinem Pkw unterbrechen musste, so ist er dennoch so zu bezahlen, wie wenn die Verzögerungen nicht eingetreten wären.

Auf Öffis umsteigen oder früher aufbrechen

Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Arbeitnehmer - bei Vorhersehbarkeit von Störungen - Vorkehrungen zu treffen hat, dass er seine Arbeitspflichten zur vereinbarten Zeit erfüllen kann. Wird etwa in den Medien aufgrund der Wetterlage empfohlen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen beziehungsweise angekündigt, dass im Individualverkehr mit Beeinträchtigungen zu rechnen ist, so muss dies der Arbeitnehmer bei der zeitlichen Einteilung bei seiner Anreise zur Arbeit berücksichtigen. Ignoriert dies der Arbeitnehmer und unterlässt zumutbare Möglichkeiten - etwa indem er öffentliche Verkehrsmittel benutzt oder früher zur Arbeit aufbricht -, so ist die versäumte Arbeitszeit nicht zu bezahlen.

Bei Arbeitern ist zu beachten, dass der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Kollektivvertrag die Dienstverhinderungsgründe geschlossen aufzählen könnte und die Verkehrsstörung als ein solcher Grund nicht angegeben sein könnte. Diesfalls hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Zahlung des Arbeitsentgelts für die versäumte Arbeitszeit jedenfalls abzulehnen.

Die bisher vorgestellten Fälle betreffen Versäumnisse, die im Bereich des Arbeitnehmers liegen. Die Anreise zur Arbeit ist der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. Es kann aber ebenso sein, dass wetterbedingte Arbeitsverhinderungsgründe im Bereich des Arbeitgebers liegen. Kann etwa nicht gearbeitet werden, weil das Betriebsgebäude unter der Schneelast einzustürzen droht, Material wegen Verkehrsstörungen nicht geliefert wird, die Zufahrt zum Arbeitsplatz durch eine Lawine verlegt ist, so entfallen Arbeitszeiten aus Gründen in der Risikosphäre des Arbeitgebers.

Erklärt sich in einer solchen Situation der Arbeitnehmer arbeitsbereit, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, wie wenn die Arbeitsverhinderung nicht eingetreten wäre (§ 1155 ABGB).

Der Entfall von Arbeitsleistungen kann aber auch auf einem die Allgemeinheit treffenden Elementarereignis beruhen - zum Beispiel ein umfassendes und nicht lokal begrenztes massives Schlechtwetter. Ein solches Ereignis "höherer Gewalt" kann weder der Arbeitgeber- noch der Arbeitnehmersphäre zugeordnet werden. Es liegt in der "neutralen Sphäre" und hat dies zur Folge, dass die Bestimmungen zur Fortzahlung des Entgelts nicht anzuwenden sind und daher die versäumte Arbeitszeit unbezahlt bleibt (so Oberster Gerichtshof 9 Ob A 202/87).

Thomas Rauch ist Mitarbeiter der Sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Wien, Fachbuchautor, Seminartrainer und Parteienvertreter in arbeitsgerichtlichen Verfahren.