Zum Hauptinhalt springen

Ja zu befristeten Verträgen

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Kettenverträge beschäftigen die Gerichte immer wieder.
© © dkimages - Fotolia

EuGH: bei Vorliegen sachlicher | Gründe gerechtfertigt.


Wien. Es dauerte ziemlich lange, nämlich elf Jahre, bis Frau Kücük der Geduldsfaden riss. Die Deutsche war zwischen 1996 und 2007 auf Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Alle Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter und vorübergehend karenzierter Justizangestellter geschlossen.

Schließlich machte Frau Kücük vor dem Arbeitsgericht Köln geltend, dass ihr letzter Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten müsse, da kein sachlicher Grund vorliege, der seine Befristung rechtfertige. Begründung: Bei derart vielen aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverträgen könne wohl nicht mehr von einem "vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften ausgegangen werden".

Urteil birgt Zündstoff

Das deutsche Bundesarbeitsgericht, das diesen Rechtsstreit in letzter Instanz entscheiden muss, hatte offenbar Zweifel, ob eine solche Befristungspraxis bei ständigem Vertretungsbedarf noch mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und legte die Rechtsfrage daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Das kürzlich ergangene Urteil der Luxemburger Richter in der Rechtssache C-586/10 - Kücük birgt einigen Zündstoff.

Kein Missbrauch

"In seinem Urteil stellt der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass der vorübergehende Bedarf an Vertretungskräften - wie im deutschen Recht vorgesehen - grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des Unionsrechts darstellen kann, der sowohl die Befristung der mit den Vertretungskräften geschlossenen Verträge als auch deren Verlängerung rechtfertigt", erläutern die EuGH-Richter ihre Entscheidung.

Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folgt weder, dass kein solcher sachlicher Grund gegeben ist, noch das Vorliegen eines Missbrauchs.

"Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert ist, ginge über die Ziele hinaus, die mit der durch das Unionsrecht umgesetzten Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner verfolgt werden", stellt der EuGH klar.

Folgen für Österreich

"In Österreich hat die Rechtsprechung bei derartigen Verträgen bisher einen strengen Maßstab angelegt", betont die Wiener Rechtsanwältin Teresa Bogensberger von der Kanzlei Eversheds Stolitzka & Partner. "Spätestens bei der zweiten Verlängerung wurde bisher eine sachliche Rechtfertigung durch wirtschaftliche oder soziale Gründe kaum mehr angenommen." So auch im Fall einer Diplomkrankenschwester aus Oberösterreich, deren Dienstverhältnis als Vertretung für eine karenzierte Kollegin im Linzer Unfallkrankenhaus insgesamt vier Mal verlängert wurde.

Das Oberlandesgericht Linz stellte im Mai des Vorjahres fest, dass in diesem Fall das Aneinanderreihen von befristeten Arbeitsverhältnissen sachlich nicht gerechtfertigt ist. "Hintergrund dieser strengen Handhabung ist die Gefahr, dass Arbeitsverhältnisse nur zum Zweck der Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Bestimmungen befristet abgeschlossen werden", erklärt Anwältin Bogensberger.

Zwar betreffe ein EuGH-Urteil grundsätzlich nur jenes nationale Gericht, welches die Rechtsfrage vorgelegt hat - in diesem Fall Deutschland. "Da der EuGH aber für alle Mitgliedsstaaten eine verbindliche Auslegung der Richtlinie vornimmt, gilt diese auch für österreichische Gerichte", betont die Arbeitsrechtsexpertin.

Es sei daher denkbar, dass die österreichische Rechtsprechung die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen zumindest im Fall von Vertretungen künftig großzügiger beurteilt.