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Budapest lässt Raiffeisen bluten

Von Karl Leban

Wirtschaft

Millionenschaden aus Zwangsumtausch von Fremdwährungskrediten eingeklagt.


Wien. Unter den Großbanken in Österreich hat die Raiffeisen Bank International (RBI) 2011 die heftigen Turbulenzen der Schuldenkrise am besten gemeistert. Ihr Netto-Gewinn fiel mit 968 Millionen Euro zwar um elf Prozent schwächer aus als im Jahr davor. Doch dies war im heimischen Banksektor das mit Abstand beste Ergebnis. Trotzdem gab es für die RBI - abgesehen von Bewertungsverlusten bei Wertpapieren und Beteiligungen - einen großen Wermutstropfen. Und der betraf das Geschäft in Ungarn.

Unter dem Strich erlitt die dortige Tochterbank im vergangenen Jahr einen Verlust von 328 Millionen Euro. Die RBI musste dem Institut deshalb frisches Kapital in ähnlicher Höhe zuführen. Grund für die tiefrote Bilanz im Nachbarland, das in einer schweren Schuldenkrise steckt, waren neben der relativ hohen Bankensteuer vor allem Kreditwertberichtigungen und Risikovorsorgen im Volumen von 478 Millionen Euro.

Was RBI-Chef Herbert Stepic in diesem Zusammenhang besonders erzürnt, ist die im Vorjahr vom ungarischen Premier Victor Orbán angeordnete Zwangskonvertierung von Fremdwährungskrediten. Den Schaden daraus bezifferte Stepic in der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag mit 76 Millionen Euro. Diese Summe hat die RBI in Ungarn mittlerweile eingeklagt - aus ihrer Sicht handelt es sich bei der verfügten Konvertierung um eine "Teilenteignung" und um unrechtmäßige Eingriffe in private Verträge. Ungarn geklagt hat das Institut auch in Österreich - laut Stepic wegen "Bruchs des Investitionsschutzabkommens".

Expansion vorerst auf Eis

Während im RBI-Konzern der Anteil der notleidenden Kredite am gesamten Kreditbestand 2011 von durchschnittlich 8,9 auf 8,6 Prozent sank, stieg er in Ungarn von 18,5 auf 22,7 Prozent weiter an. Auch für heuer sieht Stepic keine echte Entspannung: "2012 haben wir in Ungarn noch ein Verlustjahr vor uns."

Ungleich besser fällt sein Ausblick für die übrigen osteuropäischen Märkte aus. Insgesamt erwartet sich Stepic ein stabiles Geschäftsvolumen. Ob der Konzerngewinn höher oder niedriger sein wird als 2011, will der Bankchef zunächst aber noch offen lassen.

Neue Zukäufe in Osteuropa hat Stepic nach dem jüngsten Coup in Polen, wo die Polbank übernommen wird, derzeit nicht am Plan. Auch ein Ausbau des Filialnetzes - momentan umfasst es 2928 Geschäftsstellen in 17 Ländern - ist mit Blick auf die noch schwelende Euro-Schuldenkrise und die eher unsichere Konjunktur auf Eis gelegt.

Dass sich die RBI in Sachen Expansion zurückhält, hat vor allem mit den Vorgaben der EU-Bankenaufsicht EBA zu tun. Bis Ende Juni müssen Europas Großbanken eine harte Kernkapitalquote von mindestens neun Prozent ausweisen. Diese Pflichtübung betrifft zwar den Konzern der RBI-Mutter Raiffeisen Zentralbank, die börsennotierte RBI ist aber das Kernstück davon.

Um die von der EBA mit 2,1 Milliarden Euro bezifferte Kapitallücke zu schließen, haben die Giebelkreuzer insgesamt 20 Projekte aufgesetzt. Sie wollen sogar annähernd drei Milliarden Euro stemmen und bis zur Jahresmitte laut RBI-Vorstand Johann Strobl eine Kapitalquote von 9,4 Prozent erreichen. Geplant ist unter anderem, Gewinne einzubehalten, unterlegungspflichtige Wertpapiere teilweise abzubauen und privates Partizipationskapital in Stammkapital umzuwandeln. Eine Kapitalerhöhung bei der RBI ist "nicht geplant", so Strobl. Überraschend ist indes, dass die RBI trotz der strengen EBA-Kapitalvorgaben als einzige österreichische Großbank für 2011 eine Dividende (1,05 Euro je Aktie) ausschüttet.