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"Die Märkte sind jetzt offen"

Von Karl Leban

Wirtschaft
Neue Wachstumsziele: Brandstetter hält auch nach passenden Akquisitionen Ausschau.
© © Strasser Robert

Versicherungsboss: Kapitalerhöhung "nicht zu jedem Preis".


"Wiener Zeitung": Vor dem Hintergrund neuer Wachstumsziele haben Sie vor mehr als einem Jahr eine Handvoll Akquisitionen in Osteuropa angekündigt. Seither ist es um dieses Thema recht still geworden. Ist es überhaupt noch aktuell?Andreas Brandstetter: Auf alle Fälle, so wie bisher. Wir halten nach wie vor nach geeigneten Zukäufen Ausschau. Es gibt auch schon konkrete Objekte, aus börserechtlichen Gründen kann ich dazu allerdings noch nicht mehr sagen. Die Märkte in der Region sind jetzt jedenfalls offen. Internationale Anbieter wie KBC, Aviva oder ING ziehen sich zurück oder überlegen es zumindest. Außerdem kommen lokale Eigentümer drauf, dass Versicherungen nichts für schnelles Geld sind.

Die Zeiten für den Verkauf von Firmen sind derzeit jedoch alles andere als gut. Allzu viele Chancen für Akquisitionen wird es für Sie vermutlich nicht geben. Wie sehen Sie das?

Ich sehe heute die Chance viel stärker noch als 2007/2008, also unmittelbar vor der Krise, als ein Boom da war und Italiener, Franzosen und Deutsche in der Region zu sehr hohen Preisen zugekauft haben. Wir haben das nicht getan. Der Kreis der internationalen Unternehmen, die sich zu Osteuropa wirklich bekennen, ist mittlerweile ein überschaubarer. Ist man ein globaler Player wie eine Allianz oder AXA, hat man durchaus die Option, lieber in simple, viel größere Märkte zu investieren, etwa in Asien oder Südamerika, statt sich den Fleckerlteppich Osteuropa anzutun, der politisch und regional sehr komplex ist.

Warum tun Sie sich das dann an?

Osteuropa ist neben Österreich unser einziger wirklich relevanter Markt. Deshalb verbeißen wir uns dort so mit Nachdruck. Wenn beispielsweise in Albanien pro Kopf jährlich 19 Euro für Versicherungen ausgegeben werden im Vergleich zu rund 2000 Euro in Österreich, zeigt das, welche Wachstumspotenziale es hier gibt. Und das ist erst recht ein Thema für alle 340 Millionen Menschen in Osteuropa.

Dass Solvency II die geplante Einkaufstour vermasseln könnte, glauben Sie nicht? Das neue Kapitalregime für Versicherer soll ja um ein Jahr auf Mitte 2014 oder Anfang 2015 verschoben werden. Bis dato hat es immer geheißen, erst wenn alle Regeln fix sind, würden nicht-österreichische Investoren ihre Osteuropa-Strategie überdenken.

Punkt eins: Ich halte die diskutierte Verschiebung von Solvency II für schlecht. Man schiebt hier ein Problem, das man früher lösen könnte, unnötig auf. Für uns gilt die Devise: Wir bereiten uns so vor, als ob Solvency II wie ursprünglich geplant käme.

Punkt zwei: Die Märkte warten nicht. In Gesprächen merken wir, dass ungeachtet von Solvency II viele relevante Versicherer ihre Geschäftsstrategie, Geschäftsfelder und Regionen auf den Prüfstand stellen; und dass es da durchaus welche gibt, die sagen, Osteuropa ist ihnen weniger wert als Asien oder Südamerika, um bei diesem Beispiel zu bleiben.

Es wird also genug Zukaufsmöglichkeiten geben. Dass wegen der Verschiebung von Solvency II nun Stillstand in die Märkte reinkommen wird, sehe ich nicht. Auf der anderen Seite gibt es in Osteuropa immer mehr nationale Eigentümer, für die der höhere Kapitalbedarf unter Solvency II, oder weil es eine stärkere nationale Regulierung gibt, Anlass ist auszusteigen.

Auf welche Länder haben Sie denn in Sachen Zukäufe ein besonderes Auge geworfen?

Auf die größeren - Rumänien, Ukraine, Bulgarien, Serbien und Polen. Es könnte aber auch sein, dass wir in der Slowakei oder in Tschechien zukaufen.

Für 2013/2014 plant die Uniqa einen großen zweiten Börsegang, um nicht nur den jetzigen Mini-Streubesitz auf bis zu 49 Prozent zu vergrößern, sondern auch Geld für Wachstumsprojekte einzusammeln - über eine Kapitalerhöhung. Wie realistisch ist der Plan angesichts einer Wiener Börse, die bei vielen Anlegern unter anderem auch wegen Kursgewinn- und künftiger Finanztransaktionssteuer inzwischen als so gut wie tot gilt?

Ich halte nichts davon, dass wir uns ständig bejammern und der Politik den Schwarzen Peter zuschieben. Was die Wiener Börse betrifft, sind ihre Aktionäre und ihr Management sowie die Politik gefordert, die beste strategische Variante zu finden. Klar, die Entwicklung der Börse war zuletzt nicht besonders positiv. Ich glaube aber, dass Wien als strategischer Kapitalplatz an der Nahtstelle West-Ost eine große Chance hat. Die Finanztransaktionssteuer halte ich freilich für Unfug, wenn sie nicht auf globaler oder wirklich breiter europäischer Ebene eingeführt wird.

Seit Monaten ist der Kurs der Uniqa im Keller und bewegt sich kaum. Gefährdet das Ihre Börsepläne?

Zu jedem Preis kann ich den Aktionären eine Kapitalerhöhung nicht vorschlagen, das stimmt. Es gibt eine Schmerzgrenze. Aber ich habe trotzdem ein sehr gutes Gefühl, dass der zweite Börsegang klappt - unter anderem, weil unsere Ergebnisse Quartal für Quartal nach oben zeigen, entlang unserer "Guidance" (Erwartungsrichtlinien, Anm.). Stress, ob er 2013 oder 2014 sein wird, machen wir uns keinen. Das hängt vom Markt ab. Wir werden jedenfalls im Frühjahr 2013 mit den Vorbereitungen fertig sein, sodass wir jederzeit startklar sind.

Zur Person

Andreas Brandstetter (43)

ist seit 2002 im Vorstand der Uniqa-Versicherung, seit Mitte 2011 sitzt er dort im Chefsessel als Nachfolger von Konstantin Klien. Mit der Uniqa führt der promovierte Politologe einen Konzern, der 14.500 Mitarbeiter beschäftigt und im Vorjahr auf knapp 6 Milliarden Euro Prämienvolumen und 8,1 Millionen Kunden kam. In das Unternehmen eingetreten ist Brandstetter 1997. Davor war er Leiter des EU-Büros des Österreichischen Raiffeisenverbandes in Brüssel (1995 bis 1997) und Hauptgeschäftsführer der ÖVP Bundespartei (1994 bis 1995). Seine berufliche Laufbahn startete er 1993 im Kabinett des damaligen Vizekanzlers Erhard Busek.