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Strengere Pflicht zur Umweltverträglichkeit

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Der Europäische Gerichtshof verhilft Flughafen-Anrainern zu ihrem Recht.


Wien. Der Kampf tobte sieben Jahre. So lange stritten die Landes Umwelt Anwaltschaft (LUA) Salzburg und die Salzburger Flughafen GmbH darüber, ob Erweiterungsprojekte am Salzburger Airport einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu unterziehen sind oder nicht. "Dieser Kampf des Flughafens gegen eine Prüfung des im öffentlichen Interesse gelegenen Schutzes der Umwelt, insbesondere der Gesundheit der Anrainer, hat nun ein Ende", freut sich der Salzburger Landesumweltanwalt Wolfgang Wiener. Beendet wurde der Konflikt allerdings erst durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Ende März 2013.

Hohe Schwellenwerte

Zur Vorgeschichte: Die Salzburger Flughafen GmbH, die den Flughafen Salzburg betreibt, stellte 2002 einen Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines weiteren Terminals. Dem Antrag wurde stattgegeben, und das Projekt wurde ohne UVP durchgeführt. 2004 stellte sie weitere Anträge zur Erweiterung des Flughafenareals, unter anderem um Hangars, Gerätehallen und Abstellflächen. 2009 stellte der Umweltsenat dazu fest, dass bei einer Gesamtbetrachtung sowohl die Errichtung eines neuen Terminals als auch die Erweiterung des Flughafens UVP-pflichtig seien. Begründung: Zwar werde der von der österreichischen Regelung festgelegte Schwellenwert bei keinem dieser beiden Projekte überschritten; zusammengenommen könnten sie aber erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die Salzburger Flughafen GmbH erhob in der Folge gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

"Trotz allem wurde der Richterspruch des Umweltsenats rechtskräftig. Die UVP ist daher seit vier Jahren ausständig, die derzeitige Situation rechtswidrig", stellt Umweltanwalt Wiener klar. "In diesen vier Jahren wurden LUA und Anrainer immer wieder höflich in Anrainerdialogrunden vertröstet. Der Flughafen spielte auf Zeit."

Der VwGH bat schließlich den EuGH zu klären, ob die österreichische Regelung der EU-Richtlinie entgegensteht. Bei einem derartigen Vorabentscheidungsersuchen können nationale Gerichte in einem anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts vorlegen. Danach haben die nationalen Gerichte im Einklang mit der Entscheidung des EuGH über die Rechtssache zu entscheiden.

Urteil mit Folgen

Laut EuGH-Urteil C-244/12 verstößt die österreichische Regelung, die bei der Änderung eines Flughafens eine UVP nur für jene Projekte vorsieht, bei denen eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20.000 pro Jahr zu erwarten ist, tatsächlich gegen Unionsrecht. Denn: Nach der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (85/337/EWG) "sind Projekte einer Prüfung zu unterziehen, wenn mit erheblichen Auswirkungen für die Umwelt zu rechnen ist". Der EuGH stellt zwar fest, dass die Mitgliedsstaaten bei der Änderung oder Erweiterung eines bereits genehmigten Projekts einen Spielraum darüber haben, ob sie für solche Projekte eine UVP vorschreiben wollen oder nicht. Aber: Sind die Schwellenwerte wie im vorliegenden Fall dermaßen hoch, dass ganze Projektklassen einer UVP-Prüfung entzogen werden, seien die nationalen Stellen verpflichtet, in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob eine solche Prüfung durchzuführen ist.

"Die Festlegung eines so hohen Schwellenwerts führt nämlich dazu, dass Änderungen der Infrastruktur bei kleinen oder mittelgroßen Flugplätzen praktisch nie UVP-pflichtig sind, obwohl keineswegs ausgeschlossen werden kann, dass solche Arbeiten erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben", kritisiert der EuGH. Daraus ergebe sich, "dass sich nach der Rechtsprechung eine kumulative Berücksichtigung der Auswirkungen mehrerer Projekte auf die Umwelt als erforderlich erweisen kann, um eine Umgehung der Unionsregelung durch eine Aufsplitterung von Projekten zu verhindern".

Außerdem trage die österreichische Regelung durch die Festlegung eines solchen Schwellenwerts lediglich dem quantitativen Aspekt der Auswirkungen eines Projekts Rechnung. "Die übrigen in der Richtlinie vorgesehenen Auswahlkriterien wie die Bevölkerungsdichte des vom Projekt betroffenen Gebiets wurden dabei nicht berücksichtigt", so die EuGH-Richter weiter. Und das, obwohl sich der Flughafen in der Nähe der Stadt Salzburg befinde.

Die Salzburger Flughafen GmbH hat mittlerweile die Durchführung einer UVP angekündigt. "Ob dies die Glaubwürdigkeit des Flughafens in der Bevölkerung und vor allem für das kommende UVP-Verfahren stärkt, ist zu bezweifeln", ätzt Umweltanwalt Wiener. "So wie sich der Flughafen in der Vergangenheit gewunden hat, wird auch die neuerlich versprochene UVP noch ihre Zeit brauchen."