Zum Hauptinhalt springen

Verbund kürzt die Investitionen

Von Helmut Dité

Wirtschaft
0
Das älteste Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug wird so effizient, wie es die neueste Technologie zulässt - im Bild wird ein neuer Generatorring eingehoben.
© Verbund

Anzengruber: "Ruinierter" Strommarkt erst in drei Jahren wieder "vernünftig".


Wien/Straßburg. Keine 24 Stunden vor der heutigen Hauptversammlung musste Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber gestern wohl jene Passagen seiner Rede, in denen er "die großen Herausforderungen" für Österreichs größten Stromerzeuger angesichts der aktuellen "Verwerfungen auf den Märkten" behandelte, wohl noch anschärfen. Denn nachdem das Europaparlament in Straßburg am Dienstag überraschend mehrheitlich abgelehnt hatte, den praktisch zusammengebrochenen Markt für Emissionszertifikate zu stützen, fiel der Preis für eine Megawattstunde an der Leipziger Strombörse EEX unter 40 Euro, so niedrig wie seit 2005 nicht mehr. Die Aktien der großen deutschen Versorger wie RWE und E.ON gaben deutlich nach, die Verbundaktie brach an der Wiener Börse am Nachmittag sogar um mehr als 6 Prozent ein.

Angesichts der "Fehlentwicklungen" bei der deutschen "Energiewende" hatte der führende heimische Stromkonzern schon im März bei der Bilanzpräsentation angekündigt, die Investitionen stark zurückzufahren - und Geld jedenfalls ausschließlich in CO2-
freie Stromerzeugungsanlagen zu stecken.

Statt ursprünglich geplanter 2,2 bis 2,3 Milliarden Euro sieht das aktuelle Programm nur 1,5 Milliarden Euro für den Zeitraum 2013 bis 2017 vor, davon allein zwei Drittel für den Ausbau des Stromleitungsnetzes und gut 300 Millionen für Windkraft in Rumänien, Deutschland und Österreich.

Der Rest fließt in die für 2014 geplante Fertigstellung des Pumpspeicherwerks Reißeck II und die Effizienzsteigerung bestehender Wasserkraftanlagen wie Ybbs-Persenbeug an der Donau. Die Pausentaste gedrückt bleibt bei Vorhaben an Salzach und Mur aber auch im Windbereich.

Vor allem in Deutschland aber - dort ist man nach der vollständigen Übernahme der E.ON-Innkraftwerke im Abtausch für die Türkei-Beteiligung zum zweitgrößten Wasserkrafterzeuger aufgestiegen - sah man durchaus noch weitere Wachstumschancen. Schon im Vorjahr setzte der Verbund mit rund 20 Milliarden Kilowattstunden fast 45 Prozent seines gesamten Stroms im Nachbarland ab. Allein in Bayern - wo man Wasserkrafterzeuger Nummer 1 ist - wird sich die Verbund-Erzeugung heuer mit nunmehr 21 Kraftwerken schlagartig auf fast vier Milliarden Kilowattstunden (kWh) verdoppeln.

Paradoxa der Energiewende

Bis Mitteleuropa aber nach der "gut gemeinten, aber schlecht gemachten Energiewende" wieder zu einem "vernünftigen System" im Stromsektor komme, werde es drei Jahre dauern, vermutet Anzengruber. Zuletzt war der Markt "ruiniert": Das temporäre Überangebot des massiv ausgebauten subventionierten Wind- und Solarsektors hat Gaskraftwerke - auch das hochmoderne neue Verbund-Kraftwerk in Mellach - unwirtschaftlich gemacht. Stattdessen waren - auch wegen zu vieler Gratis-Zertifikate im CO2-Handelssystem - auf einmal ausgerechnet Braunkohle-Kraftwerke die kostengünstigsten. Das sorgte dafür, dass der CO2-Ausstoß des Stromsektors in Deutschland im Vorjahr sogar wieder um zwei Prozent anstieg. Ein weiteres Paradoxon der "Energiewende": Trotz des Verfalls der Großhandelspreise hat der Stromkonsument nichts davon, denn die Ökostromzuschläge haben sich annähernd verdoppelt.

Aus dem Emission Trade System (ETS) gehörten zwei Milliarden verschenkte Verschmutzungsrechte schrittweise herausgenommen, nur dann könne sich auch der Verbund bei künftigen Investitionen darauf einstellen, hatte Anzengruber im Frühjahr bei einer Expertentagung vorgerechnet. Die 900 Millionen Zertifikate, für die zuletzt ein "back-loading", ein vorübergehendes Zurückhalten, diskutiert wurde, sei "eine zu geringe Zahl, aber vielleicht ein sinnvoller Anfang".

Rückschlag für Klimaschutz

Jetzt hat das EU-Parlament auch diesen Schritt blockiert - und damit dem zentralen Instrument der EU-Klimapolitik einen schweren Schlag versetzt. Der Preis je Tonne CO2 fiel in Reaktion auf das Abstimmungsergebnis um mehr als 40 Prozent auf nur knapp mehr als 2,60 Euro - die EU-Kommission war vom gut Zehnfachen dieses Wertes ausgegangen, damit der Preis seine Lenkungswirkung entfalten und Unternehmen zu klimafreundlichen Investitionen zwingen könnte.

Während energieintensive Branchen wie die Chemie- und die Stahlindustrie die Entscheidung begrüßten, bezeichneten Vertreter der Energiewirtschaft das Votum als "herben Rückschlag für den Klimaschutz".

Anzengruber muss nun wohl doch länger als zwei oder drei Jahre warten, bis sein Gaskraftwerk Mellach - für das er schon 150 Millionen Euro abschreiben musste - kostendeckend Strom produzieren kann.