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Wohnungsnot verteuert Mieten

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Frust über hohe Mieten: Leistbare Wohnungen sind rar - im unteren Preisbereich steht deshalb heuer noch einmal ein Preisschub an.
© fotolia/drubig photo

10.000 neue Wohnungen fehlen pro Jahr - erschwingliche Objekte sind rar.


Wien. Vor allem für Geringverdiener und junge Familien werden die steigenden Ausgaben fürs Wohnen zu einer immer größeren Belastung. In Ballungsräumen wird dringend zusätzlicher Wohnraum gebraucht, allerdings ist die Neubauaktivität seit Jahren gering. 10.000 mehr neue Wohnungen pro Jahr brauche man in Österreich, sagt Udo Weinberger, Präsident des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI): "Genügend Neubauten sichern leistbaren Wohnraum, dann ist der Preisdruck draußen." Laut Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen, fehlen sogar bis zu 15.000 neue Wohnungen jährlich. Derzeit werden rund 38.000 neue Einheiten pro Jahr fertiggestellt, die Regierung hat sich in ihrem Arbeitsprogramm unter dem Schlagwort "Leistbares Wohnen" 48.000 neue Wohneinheiten zum Ziel gesetzt.

Der Bund sollte nicht bis zum nächsten Finanzausgleich 2017 warten, sondern Geld aufnehmen und den Bauträgern zur Verfügung stellen, fordert Wurm. Aus Sicht von Weinberger berücksichtigt das Programm der neuen Bundesregierung nur den gemeinnützigen und sozialen Wohnbau, während sich für den freifinanzierten Wohnungsmarkt kaum Anreize finden würden.

Kritik an Treffsicherheit des sozialen Wohnbaus

"Das Problem ist, dass in den vergangenen Jahren günstige Wohnungen mit hoher Wohnbauförderung weniger geworden sind. Besonders Einkommensschwache sind abhängig vom geförderten Wohnbau", sagt Wurm.

Der Verband der Immobilienwirtschaft kritisiert hingegen die mangelnde Treffsicherheit im sozialen Wohnbau: Gerade Bevölkerungsgruppen mit besonders niedrigem Einkommen würden nicht in entsprechendem Ausmaß vom sozialen Wohnbau profitieren. 32 Prozent der Geringverdiener (mit weniger als 1090 Euro Nettoeinkommen für einen Einpersonenhaushalt) haben private oder gewerbliche Vermieter, wie eine Sonderauswertung der Statistik Austria ergeben hat. 16 Prozent wohnen demnach in einer Gemeindewohnung, elf Prozent in einer Genossenschaftswohnung.

"Der soziale Wohnbau ist eine Förderung des Mittelstandes", sagt Weinberger. Er vermutet, dass der Genossenschaftsanteil - ein Einmalbetrag von einigen tausend Euro - Menschen mit geringem Einkommen oder wenigen Ersparnissen abschreckt. Außerdem würden Vermieter bei mehreren Interessenten für ein Objekt "potente" Mieter bevorzugen, bei denen das Risiko eines Zahlungsausfalles geringer ist.

Einkommensstärkere aus dem sozialen Wohnbau "hinauszuschmeißen" sei Unfug, so Wurm. Dann würden die Einkommensschwächsten übrig bleiben, was zu sozialen Problemen führen könnte.

Preise in gut gelegenen Lagen steigen weiter

"Die Mietsteigerungen im privaten Bereich sind eklatant", sagt Wurm. Zwischen 2005 und 2012 ist der Verbraucherpreisindex um 15,9 Prozent gestiegen, die privaten Hauptmieten im Bestand legten um 32,9 Prozent zu, bei Wiedervermietungen um knapp 30 Prozent. Die Gemeinnützigen Mieten sind jeweils um 17,7 Prozent teurer geworden. Zunehmend werden Wohnungen vor einer Neuvermietung nicht mehr saniert und auf den aktuellsten Stand gebracht, weil die Investition nicht über die Mieten hereingeholt werden kann.

Am teuersten bei den freien Mieten war zuletzt Wien (9,11 Euro pro Quadratmeter), wie aus dem Immobilienpreisspiegel für 2012 hervorgeht. 2013 haben die Mieten erneut zugelegt. Um die Preissteigerungen einzudämmen, fordert die Arbeitskammer, Obergrenzen für private Mieten festzulegen und die Zuschläge mit maximal 20 Prozent des Richtwerts zu begrenzen. "Solange die soziale Treffsicherheit im gemeinnützigen und kommunalen Sektor nicht verbessert wird, gibt es keinen Grund, privaten Vermietern marktferne Beschränkungen aufzuerlegen", wehrt sich Weinberger.

Die Diskussion um die Mieten ist vor allem in den Großstädten von Bedeutung: In Wien wohnen drei Viertel aller Haushalte zur Miete. Mehr als die Hälfte aller Hauptmietwohnungen in der Bundeshauptstadt sind Gemeindewohnungen oder von gemeinnützigen Bauvereinigungen.

Mieten für zentrale Lagen steigen heuer weiter, erwartet das Maklernetzwerk Remax. Weil günstige Wohnungen stark nachgefragt werden, werden diese heuer noch einmal teurer werden. Insgesamt ist die Bergfahrt der Immobilienpreise vorbei: Immobilien werden in diesem Jahr um ein Prozent günstiger werden, weil viele bereits investiert haben und die Rendite bei den deutlich gestiegenen Kaufpreisen sinkt. Neue Eigentumswohnungen sind jedoch als Geldanlage oder Vorsorgewohnung weiterhin beliebt - sie sollten idealerweise um die 2200 Euro pro Quadratmeter kosten, also 150.000 Euro für 70 Quadratmeter, damit sie leistbar bleiben, sagte zuletzt s-Bausparkassen-Generaldirektor Josef Schmidinger. In Wien liegen die Preise allerdings deutlich darüber: 2012 lagen die Preise bereits bei 3600 Euro pro Quadratmeter. Im ersten Wiener Gemeindebezirk ist derzeit laut Remax der Quadratmeter nicht unter 10.000 Euro zu bekommen.

Wohnraum im Eigentum ist für viele Familien aufgrund von gestiegenen Preisen und strengerer Kreditvergabe nicht mehr leistbar. "Die Mietwohnung wird für viele von der Zwischen- zur Dauerlösung", sagt Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Remax Austria.

Mietrecht soll einfacher und verständlicher werden

Die neue Regierung hat sich auch zum Ziel gesetzt, ein möglichst einheitliches Mietrecht zu schaffen, was in der Branche begrüßt wird. In einer Liegenschaft gebe es bis zu fünf verschiedene Mietzinsbildungen, so Weinberger. Richtwerte und die Art und Höhe der Zuschläge müssen nachvollziehbar werden, ist für Wurm der wichtigste Punkt. Derzeit erarbeitet eine vom Justizministerium eingesetzte Expertengruppe Reformvorschläge. Diskutable Gesetzesvorschläge sollen heuer im ersten Halbjahr vorliegen.