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Entgleiste Zuschüsse?

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Westbahn bringt bei der EU Beschwerden wegen vermuteter Quersubventionen beim Konkurrenten ÖBB ein.


Wien. Die mehrheitlich private Westbahn lässt nicht locker und geht nun auf EU-Ebene rechtlich gegen Zuschüsse des Verkehrsministeriums an die ÖBB vor. "Es geht um mehrere hundert Millionen Euro an Steuergeldern, die nicht rechtskonform als Zuschuss gezahlt wurden", sagt Westbahn-Chef Erich Forster. Als - nicht ganz billige - Unterstützung hat sich das Unternehmen, an dem die französische Staatsbahn SNCF beteiligt ist, die auf EU-Recht spezialisierte französische Anwaltsgruppe GIDE geholt.

Die Westbahn wehrt sich bereits seit 2010 - vor dem Betriebsbeginn im Dezember 2011 - gegen die aus ihrer Sicht wettbewerbsverzerrenden Leistungsbestellungen des Bundes. Da die Klagen in Österreich bisher erfolglos waren, hat die Westbahn zwei Beschwerden bei der EU-Kommission eingebracht. In diesen listet die ÖBB-Konkurrenz detailliert die Punkte auf, die aus ihrer Sicht die Gewährung unerlaubter staatlicher Beihilfen an die ÖBB-Personenverkehr AG und Verstöße gegen gemeinwirtschaftliche Leistungsbestellungen darstellen. "Das Ministerium hat Leistungen bestellt, die in dieser Form und Höhe nicht zulässig sind", sagt Forster.

Grundlage für die Beschwerde ist der Vertrag über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen mit der ÖBB-Personenverkehr AG, den das Verkehrsministerium 2011 rückwirkend von April 2010 bis Ende 2019 direkt - ohne Ausschreibung - vergeben hat. Mit diesem Vertrag hat das Ministerium pro Jahr 72 Millionen Zugkilometer bestellt und zahlt dafür mehr als 600 Millionen Euro. Erlaubt sind die Subventionen laut EU-Regeln für gemeinwirtschaftliche Leistungen, also Züge, die der Staat bestellt, die sich aber ohne Förderung nicht rechnen.

Kritik an Zuschüssen für Hochgeschwindigkeitszüge

Bereits im Februar hatte die EU-Kommission in einer "begründeten Stellungnahme" die mangelnde Transparenz bei der Vergabe von Schienenverkehrsleistungen in Österreich bemängelt. Ist die Antwort des Ministeriums nicht zufriedenstellend, droht ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Ende April schickte die Kommission nach Beschwerden der Westbahn zusätzlich eine Pilotanfrage mit einem Fragenkatalog an die Republik, der innerhalb von 70 Tagen beantwortet werden muss.

Aus Sicht des Westbahn-Chefs hat das Ministerium bei der Leistungsbestellung das "allgemeine Interesse", das die EU-Verordnung über gemeinwirtschaftliche Leistungsbestellung vorschreibt, "viel zu weit gefasst": "Außerhalb von Österreich werden keine Hochgeschwindigkeitszüge bestellt - weder beim TGV in Frankreich noch beim AVE in Spanien." Über das allgemeine Interesse hinaus gehe auch, dass Premium-, First- und Business-Class sowie Catering, Schlaf- und Liegewagen vom Bund bestellt werden.

Zudem darf für eine rentable Strecke wie von Wien nach Salzburg nichts dazugezahlt werden. Westlich von Salzburg - etwa nach Bregenz - darf subventioniert werden. Laut Westbahn fehlt eine getrennte Kostenrechnung für die Abschnitte, um eine Quersubventionierung zu verhindern.

Aus dem Ministerium heißt es, der Vertrag zwischen Bund und ÖBB entspreche dem österreichischen und europäischen Vergaberecht. Das haben Verwaltungsgerichtshof, Bundesvergabekommission und Verfassungsgerichtshof bestätigt. Die Fragenliste werde man im Detail aufarbeiten und rechtzeitig beantworten.

Westbahn sieht sich um bis zu 15 Millionen pro Jahr geschädigt

Auch ab 2020 ist absehbar, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen im Schienenverkehr nicht ausgeschrieben werden. Im Regierungsprogramm steht, dass die Nutzung der Direktvergabe "prioritär" bleibt. Das ist aber dann nur mehr möglich, wenn der Staat beweisen kann, dass dies die wirtschaftlich bessere Lösung ist.

"Die Subventionen an die ÖBB tun uns extrem weh", sagt Forster, der betont: "Wir wollen keine Subventionen." Die Westbahn sieht sich durch die Leistungsbestellung um 10 bis 15 Millionen Euro jährlich geschädigt, weil zu viel Zugangebot im Markt sei. Die EU-Kommission habe zu Schadenersatzklagen geraten. Als Nächstes will die Westbahn Zuschüsse der Länder unter die Lupe nehmen - Niederösterreich wurde bereits um Unterlagen gebeten.

Zusätzlich zum Fernverkehr wäre für die Westbahn der Regionalverkehr auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Salzburg sowie die Südbahnstrecke zwischen Wien und Graz interessant, so Forster. Müssten neue Wagen bestellt werden, wäre eine Vorlaufzeit von mindestens drei Jahren nötig. Die Westbahn will heuer operativ positiv abschließen. Gegenüber 2012 (23,45 Millionen Euro Verlust) war im Vorjahr ein "deutlicher Aufwärtstrend" zu beobachten. Bei Gesamtinvestitionen von 130 Millionen Euro seien Anfangsverluste "logisch".