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Die Lehre leidet am Image

Von Brigitte Pechar

Wirtschaft

Wirtschaftsminister Mitterlehner ließ über die Zukunft des dualen Bildungssystems nachdenken.


Wien. Österreich gilt als weltweit vorbildlich bei der dualen Berufsausbildung. Dabei wird sowohl Praxis in einem Betrieb oder einer Lehrwerkstätte geübt, gleichzeitig wird in der Berufsschule Basisinformation gelehrt. Aber: Die Lehre scheint in Österreich auf dem absteigenden Ast zu sein.

Ende Oktober lag das Angebot beim Arbeitsmarktservice (AMS) an freien Lehrstellen bei 3709, die Zahl der Arbeitslosen in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen betrug 8099 (nicht alle von ihnen suchen eine Lehrstelle). Dennoch: Der Schein trügt. Immer mehr Betriebe können keine Lehrlinge finden, immer weniger Jugendliche entscheiden sich nämlich nach der Schule für eine Lehre.

Waren es im Jahr 1980 noch knapp 47 Prozent, sind es heute nicht einmal mehr 40. Im Vorjahr waren von 89.100 Jugendlichen in Österreich im Alter von 15 Jahren 35.580 Lehrlinge im ersten Lehrjahr (exakt 39,9 Prozent). 1980 gab es 194.100 Lehrlinge, im Vorjahr waren es 120.580. Der größte Teil des Rückgangs bei den absoluten Lehrlingszahlen lässt sich auf die demografische Entwicklung zurückführen, aber ein guter Teil liegt auch daran, dass immer weniger Jugendliche einen Lehrberuf ergreifen wollen.

Über "Die Zukunft der dualen Berufsausbildung" ließ Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am Montag im Rahmen einer Enquete in seinem Ministerium diskutieren. Die Lehrlingsausbildung in Österreich ist weltweit vorbildlich, aber bei den Pflichtschulen, beim Image und auch in manchen Lehrbetrieben hapert es, so das Fazit von Minister Mitterlehner. Er mahnt hier auch die Verantwortung der Betriebe ein.

Und gerade da setzt die Kritik von Egon Blum - er war von 2003 bis 2008 Regierungsbeauftragter für Jugendbeschäftigung - an. Er kritisiert, dass in der Lehrlingsausbildung Qualitätsstandards fehlen. Zwischen Ausbildungsbeginn und Ausbildungsende werde kein einziges Mal überprüft, ob das Gelehrte bei den Jugendlichen auch angekommen ist.

Alfred Freundlinger, Experte für duale Ausbildung in der bildungspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer, sieht vor allem ein Imageproblem der Lehrlinge. Das sei auch bei der Enquete immer wieder genannt worden. Das fehlende Image, gepaart mit dem Rückgang der Anzahl der Jungen und dem Werben der bildenden mittleren (BMS) und höheren Schulen (BHS) um Schüler führt eben dazu, dass immer weniger Schulabgänger sich für einen Lehrberuf entscheiden.

Dass die Karriere aber auch vom Elternhaus abhängt, machte AMS-Vorstand Johannes Kopf deutlich. So sei es für bildungsferne Schichten oft nur schwer zu verstehen, warum es besser ist, wenn ihr Kind beim Einstieg ins Berufsleben nur 350 Euro Lehrlingsentschädigung statt 800 Euro Hilfsarbeiterlohn erhält.

Aufhorchen ließ die Enqueteteilnehmer ein Bericht aus der Schweiz. Dort gibt es nämlich das System der höheren Berufsausbildung. Das ist eine Art der tertiären Berufsausbildung. In Österreich gibt es als Pendant Bemühungen, die Lehre mit Matura stärker zu promoten. Rund 1300 Lehrlinge haben in diesem System die Matura bereits abgelegt.

Klar sei, dass ein Land wie Österreich nicht ohne Fachkräfte auskomme, sagt Blum. "Wir brauchen Fachkräfte, die eine Idee zum Produkt machen."

Das Image der Lehre ist aber offensichtlich auch vom Ort der Betrachtung abhängig. So entscheiden sich im Westen weit mehr Jugendliche für eine Lehre als in Ostösterreich. Europaweit betrachtet fällt auf, dass Länder mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen allesamt weit weniger auf duale Ausbildung setzen als die "Musterschüler" Deutschland, Schweiz und Österreich.