Wien. Für jahrelange Preisabsprachen muss Spar nun zahlen: Der Handelskonzern wurde im ersten Kartellverfahren in der Lebensmittelbranche wegen Absprachen mit Lieferanten von Molkereiprodukten zu einer Geldstrafe von drei Millionen Euro verdonnert. Angesichts des Spar-Jahresumsatzes mit Lebensmitteln von zuletzt 5,8 Milliarden Euro erscheint die Strafe gering - allerdings betrifft das Urteil nur einen Sortimentsbereich. Für einen Bußgeldantrag zu 16 weiteren Produktgruppen hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) noch keine Beweise vorgelegt. Es handle sich daher um eine nicht unerhebliche Geldbuße, sagt Martin Eckel, Partner und Kartellrechts-Experte bei TaylorWessing enwc Rechtsanwälte.
Subtile Absprachen für einen einheitlichen Verkaufspreis
Bei der Verkündung des noch nicht rechtskräftigen Urteils erklärte Richterin Anneliese Kodek, dass "es sich nicht um isolierte Einzelhandlungen handelte, sondern es steckte ein System der Verkaufspreisabsprachen zwischen Händlern und Molkerei-Lieferanten dahinter". Spar habe zwischen Juli 2002 und März 2012 vertikal Kurant- und Aktionspreise für Molkereiprodukte abgesprochen. "Es handelte sich dabei nicht um klassische Verkaufspreisabsprachen, diese waren subtiler, dienten aber demselben Zweck: ein gleichartiges Preisniveau", führte Kodek aus.
Konkret sollten Lieferanten in Einkaufspreisverhandlungen mit Händlern Empfehlungen für Verkaufspreise abgeben - und diese auch gegenüber anderen Händlern vorgeben. Diese "Preismoderation" sei im Großen und Ganzen gelungen, so die Richterin. Sie verwies auch auf die hohe Marktkonzentration: "Im österreichischen Lebensmittelhandel herrscht ein starkes Ungleichgewicht zwischen Handel und Lieferanten."
Die großen Konzerne Rewe (Billa, Merkur, Penny, Adeg) und Spar teilen sich rund zwei Drittel des Lebensmittelhandels.
Seit Mai wurden neben BWB-Generaldirektor Theodor Thanner und Spar-Vorstand Gerhard Drexel zahlreiche Spar-Mitarbeiter als Zeugen befragt. Auf ein Settlement mit der BWB wollte sich Drexel nach den Hausdurchsuchungen bei Spar im Jänner, Februar und August 2013 nicht einlassen - und warf den Wettbewerbshütern unter anderem den Einsatz von Spionagesoftware vor. Drexel hatte betont, mit dem Verfahren Rechtssicherheit für die Branche schaffen zu wollen.
Seit die Wettbewerbshüter Absprachen zwischen Händlern und Lieferanten in der Lebensmittelbranche genauer unter die Lupe nehmen und zahlreiche Unternehmen Geldbußen zahlen mussten, herrscht Unsicherheit in der Branche. Erlaubt sind nur Gespräche über unverbindliche Verkaufspreise, dabei dürfen Lieferanten ihre Markenpositionierung und Marketingstrategie vorstellen, erklärt Eckel. Unzulässig ist aber sozialer und wirtschaftlicher Druck zur Einhaltung von Wiederverkaufspreisen. Wann etwa ein Anruf oder ein E-Mail als Druck gewertet wird, ist jedoch Auslegungssache. "Es ist derzeit schwierig, weil höchstgerichtliche Entscheidungen fehlen", sagt Eckel. Einen Graubereich stellen Absprachen über Aktionspreise und -zeiträume dar. Laut Eckel wäre es wünschenswert, wenn im schriftlichen Urteil des Kartellgerichts, das vor Weihnachten veröffentlicht wird, vor allem rechtliche Klarstellungen zu diesen Bereichen enthalten wären.