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Keine "Armenviertel"

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft
Wohnen im Gemeindebau ist nicht nur Einkommensschwachen vorbehalten.
© Stanislav Jenis

Verband der Immobilienwirtschaft fordert, dass Bewohner in geförderten Mietwohnungen regelmäßig ihr Einkommen offenlegen müssen. Die Gemeinnützigen sehen soziale Durchmischung gefährdet.


Wien. Die Wohnungsmieten haben sich im Vorjahr laut Statistik Austria um vier Prozent verteuert, die Einkommen steigen weit weniger stark. Besonders junge Menschen und Wenigverdiener haben Probleme, leistbare Wohnungen zu finden. Der Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) kritisiert, dass der soziale Wohnbau in Österreich, auf den 60 Prozent aller Mietwohnungen entfallen, zu wenig treffsicher sei.

Daher sollten Einkommen von Bewohnern in Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen regelmäßig überprüft werden, fordert der ÖVI. Werden bestimmte Einkommensgrenzen überschritten, sollen höhere, marktkonforme Mieten verlangt werden. Aus diesen Mitteln soll der Neubau von Sozialwohnungen finanziert werden. Als Vorbild könnte die Superförderung in einigen Bundesländern dienen, sagt ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel.

AK gegen Einkommensstriptease

Mieter geben durchschnittlich 34 Prozent des Haushaltseinkommens für Wohnen (inklusive Energie und Instandhaltung) aus, in Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen sind es 27 Prozent. Die ärmsten Haushalte müssen 46 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen einplanen.

"Die Wohnbauförderung funktioniert gut für den Mittelstand, aber schlecht für niedrige Einkommen", sagt Ökonomin Agnes Streissler-Führer, die im Auftrag des ÖVI eine Studie zu leistbarem Wohnen erstellt hat. Der ÖVI sieht eine "Fehlentwicklung" in der Wohnpolitik.

Dem widerspricht Karl Wurm, Obmann des Dachverbandes der Gemeinnützigen: Jeder Arbeitnehmer zahle Wohnbauförderung, daher gebe es auch für Bevölkerungsschichten bis weit in den Mittelstand geförderte Wohnungen. "Wäre der geförderte Wohnbau nur mehr für die Einkommensschwächsten, würde das Armenviertel schaffen. Der Rest wäre auf den freien Markt angewiesen." "Eine soziale Durchmischung ist wichtig und muss bleiben", betont auch die Arbeiterkammer (AK), die sich gegen eine regelmäßige Einkommensüberprüfung der Bewohner in Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen ausspricht. "Dann müsste man auch Eigentümer von Einfamilien- und Zinshäusern sowie Wohnungen prüfen, die Förderungen erhalten haben - teilweise in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen", sagt AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka. Das würde einen Einkommensstriptease von mehr als 2,5 Millionen Österreichern bedeuten. Der ÖVI kann sich indes vorstellen, dass auch Eigentümer, die Förderungen erhalten, ihr Einkommen regelmäßig offenlegen müssen.

Österreich liegt bei den Kosten für Mietwohnungen (inklusive Betriebs- und Energiekosten) laut Eurostat mit 602 Euro unter dem EU-15-Durchschnitt von 617 Euro. Für Alleinerziehende ist das Wohnen mit 642 Euro jedoch im EU-Vergleich deutlich teurer, für Single-Senioren-Haushalte dagegen deutlich günstiger, wenn man die Kaufkraftstandards in den jeweiligen Ländern berücksichtigt.

Baukosten senken

Neumieten liegen laut Wifo rund ein Fünftel höher als Bestandsmieten. Eine Mietendeckelung, wie sie die SPÖ fordert, würde das Wohnungsangebot zusätzlich verknappen, weil Vermietung dann nicht mehr attraktiv sei, sagt Streissler-Führer: "Das wäre in Zeiten steigender Bevölkerungszahlen völlig kontraproduktiv." Eine vom ÖVI geforderte Anhebung des Richtwerts für Wien (derzeit 5,39 Euro pro Quadratmeter) auf das Niveau von der Steiermark oder Salzburg (7,44 bzw. 7,45 Euro) lehnt die AK ab, ebenso wie die Aufhebung des Lagezuschlag-Verbots in Wiener Gründerzeitvierteln. "Lagezuschläge gehören generell abgeschafft, sie bilden die Auswüchse des Marktes ab", sagt Rosifka. Aus Sicht der Immobilientreuhänder fehlen dadurch Mittel für Investitionen in neuen Wohnraum.

D’accord geht Wurm mit der Forderung der Immobilienwirtschaft, diverse Standards zu durchforsten und damit die Baukosten einzudämmen, um leistbaren Wohnraum zu schaffen. Vorschriften wie Holz-Alu-Fenster anstatt von Kunststofffenstern seien zu überdenken. Auch bei der Stellplatzverpflichtung könnte man Kosten sparen. Wurm sieht bereits erste Fortschritte: In Wien ist nur noch ein Stellplatz pro 100 Quadratmeter Wohnnutzfläche des Gebäudes Pflicht.