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Mit Mini-Sendern auf Kundenjagd

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Beacons heißen die unscheinbaren Mini-Sender, über die jeder Kunde geortet werden kann.
© acon

Künftig könnte uns unser Handy sagen, wo wir im Supermarkt etwas Geeignetes finden. Hinter dem von Händlern als Kundenservice propagierten Trend versteckt sich allerdings ein eiskaltes Marketingkonzept.


Wien. In der Kärntner Straße waren es fünf Minuten vor der Auslage mit High Heels, vielleicht auch zehn - die Schuhfetischistin weiß es nicht mehr so ganz. Die Beacons allerdings schon. Und zwar auf die Sekunde genau. Und der Schuhhändler in der Mariahilfer Straße, vor dessen Auslage die potenzielle Käuferin als Nächstes verweilt, kann diese Information nutzen und gezielt High-Heel-Sonderangebote auf deren Smartphone schicken. Über Beacons.

Was sich hinter diesem Wort versteckt, sind Mini-Sender, die Händler in ihren Geschäften aufstellen und grundsätzlich simpel funktionieren: Über das Drahtlos-Netzwerk Bluetooth senden sie im Sekundentakt Signale bis zu 30 Meter weit aus und versuchen, sich mit sämtlichen Smartphones zu verbinden. Um danach maßgeschneiderte, personenbezogene Nachrichten etwa über Sonderangebote auf das Handy des Kunden zu schicken, muss dieser zwar eine App installiert haben - die Ortung, vor welchem Regal sich der Kunde aufgehalten hat, findet aber in jedem Fall statt. Dieser neue Trend kommt aus den USA und befindet sich in Österreich gerade in der Testphase. Beacon heißt übersetzt Leuchtfeuer.

"Je transparenter,desto manipulierbarer"

Leuchtfeuer deshalb, weil die steten Signale der Beacons mit den Funksignalen zur Navigation in der Seefahrt vergleichbar sind. "De facto ist aber der Kunde das Leuchtfeuer", sagt Georg Markus Kainz vom Datenschutzverein Quintessenz, "und zwar ohne es zu merken." Denn egal ob Bluetooth, WLAN oder die Near Field Communication NFC: Drahtlos-Netzwerke sind unsichtbar. "Wir spüren die Funksignale nicht. Daher wehrt sich auch keiner gegen diese Art der Überwachung", sagt Kainz im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Jeder Kunde bewege sich aber wie mit einem umgehängten Namensschild durch das Geschäft, weil sein Smartphone aufgrund der MAC-Adresse weltweit eindeutig identifizierbar sei. Das Fatale daran: "Je transparenter wir werden, desto manipulierbarer werden wir."

Eindeutiges Ziel des Handels sei, mehr zu verkaufen. Darüber hinaus profitierten freilich auch Hard- und Software-Hersteller. Hinter den wenige Euro teuren, rechtlich erlaubten Mini-Sendern, die sich Kainz zufolge "überall leicht verstecken lassen", verberge sich eine eiskalte Marketingstrategie. "Indem jeder einzelne Schritt protokolliert wird, kann man Rückschlüsse auf die Person und hochpersönliche Daten ziehen."

Der Handel sieht das freilich anders. Er propagiert den Mehrwert für den Kunden. Einzelne Geschäfte in Österreich werben bereits damit, dass Beacons über Rabatt-Aktionen und Produktneuheiten berichten. "Mit unseren Beacons sind Sie sofort informiert und verpassen garantiert kein Angebot mehr. Einfach und bequem", ist zum Beispiel in der Ankündigung einer großen österreichischen Sporthandelskette zu lesen. Eine Anleitung zur Installation der App inklusive.

"Die Chance liegt darin, etwa mit gezielten Vorteilsangeboten oder Preisnachlässen die Kundenbindung zu stärken", sagt dazu der Kommunikationsexperte und Business-Entwicklungsmanager Kai Brinckmeier. Das Potenzial der Beacons liege nicht in kurzfristig gedachten Werbebotschaften, "sondern in einem langfristig ausgerichteten Dialog auf Augenhöhe". Beacons seien somit für beide Seiten - Händler und Kunden - von Nutzen.

Lukrativer Einsatzin den USA

Niemand wolle auf die Vorteile der Online-Kommunikation verzichten, so Brinckmeier. Beacons würden für die Generation der Digital Natives, die mit dem Internet aufgewachsen sind, bald eine Selbstverständlichkeit sein.

In den USA habe Apple bereits alle seine Filialen mit Beacons ausgestattet, auch in zahlreichen US-Filialen der Gastronomie-Ketten Burger King und Starbucks kommen sie zum Einsatz. Bis 2018 soll der Markt für die Technik, die hinter dem Marketingkonzept steckt, auf vier Milliarden US-Dollar wachsen.

Sind Beacons erst einmal etabliert, eröffnet sich ein breites Anwendungsfeld. In Museen zum Beispiel könnte man sie dafür verwenden, dass der Besucher über sein Handy über genau das Kunstwerk informiert wird, vor dem er steht. Auch der Einsatz als eine Art moderne Stechkarte wäre denkbar: Sobald ein Mitarbeiter das Bürogebäude betritt, wird er über Beacons registriert.

Doch zurück zum Supermarkt. Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK) Wien spinnt den Faden weiter und konstruiert mögliche Zukunftsszenarien. "Denkbar wäre, dass irgendwann auch einzelne Lebensmittelhersteller mithilfe von Beacons in direkte Konkurrenz treten", sagt sie und formuliert ein Beispiel: Verweilt ein Kunde etwas länger vor den Joghurts des Kühlregals, könnten die Hersteller von Joghurt A ihre Chance wittern und dem Kunden über das Handy einen Rabbat-Vorschlag schicken. Der Hersteller von Joghurt B versucht währenddessen das Gleiche. Eine individuelle Preisgestaltung und damit der Niedergang der Preissicherheit wären die Folge.

Die AK rät daher, sich nicht durch Rabbate oder Sonderangebote locken zu lassen. Vor allem bevor man eine App installiert, solle man sich gewissenhaft über die Konsequenzen informieren.

Auch Datenschützer Kainz bleibt skeptisch. Er selbst trage überhaupt nur noch ein altes GSM-Handy ohne Internetzugang bei sich. Smartphone-Nutzern rät er, WLAN und GPS auszuschalten. "Wir müssen uns wehren. Denn wer will schon, dass jemand alle unsere Schritte registriert, ohne gefragt zu werden?"