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Mütter in den Beruf statt an den Herd

Von Sophia Killinger

Wirtschaft

Die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau schadet der Wirtschaft und ist "nicht zukunftsfähig", so die OECD.


Wien. Das erste Baby markiert eine Zäsur im Berufsleben: Viele Frauen bleiben nach der Geburt ihres ersten Kindes zwei Jahre zuhause und arbeiten danach in Teilzeit. Männer machen in dieser Zeit häufig Überstunden und stehen unter dem Druck, ihre Familie hauptsächlich oder allein ernähren zu müssen - und verbringen deshalb weniger Zeit mit ihrer Familie. Dieses Dilemma vieler Eltern skizziert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Wirtschaftsbericht für Österreich. "Wir müssen das traditionelle Rollenmodell überwinden", fasst der stellvertretende OECD-Generalsekretär Stefan Kapferer den Bericht zusammen, in dem die OECD auf Initiative der Bundesregierung erstmals die Geschlechtergerechtigkeit analysiert.

Alleinverdienerabsetzbetrag setzt laut OECD falsches Signal

Gleichstellung sei nicht nur ein politisches Ziel, sondern bringe auch ökonomische Vorteile, betont Kapferer. In fast 70 Prozent der Familien mit Kindern unter zwei Jahren arbeitet laut dem Bericht nur ein Elternteil. Ab dem zweiten Geburtstag kehren viele Frauen in Teilzeit zurück. Insgesamt sind 48 Prozent der erwerbstätigen Frauen hierzulande in Teilzeit beschäftigt. Nur in jeder fünften Familie mit Kindern unter fünf Jahren arbeiten beide Elternteile Vollzeit. "Wir können uns einen solchen Verlust an qualifizierten Arbeitskräften nicht erlauben", appelliert Kapferer auch an private Arbeitgeber, die langfristig durch die alternde Gesellschaft mit einem kleineren Arbeitskräfteangebot rechnen müssten. Es brauche flexible Arbeitszeitmodelle und ein Arbeitsklima, in dem sich Elternzeit nicht negativ auf die Karriere auswirkt.

Die OECD hält ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 13 Prozent bis 2060 durch mehr Geschlechtergerechtigkeit in Österreich für möglich - aufgrund von höherer Erwerbsbeteiligung von Frauen und damit höheren Einkommen, die auch in den Konsum fließen. Zudem würden Frauen mehr Kinder bekommen.

Galt Österreich jahrelang als Vorreiter in Sachen Geschlechtergerechtigkeit, so hat sich diese zwischen 2010 und 2012 verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE), eine Agentur der EU. Manche Partnerschaften bleiben kinderlos, "weil die Frau das Gefühl hatte, sich zwischen ihrem Beruf und einer Familie entscheiden zu müssen", heißt es von der OECD.

Unter den Spitzenreitern liegt Österreich beim Gender Pay Gap, also beim Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn von Frauen liegt 23 Prozent niedriger als von Männern - ein Großteil davon ist abseits von Ursachen wie unterschiedlichen Tätigkeiten und Branchen unerklärbar. Allerdings weisen Länder mit einem geringen Anteil an erwerbstätigen Frauen wie Italien einen geringeren Unterschied auf, heißt es von der Europäischen Kommission.

"Das Steuer- und Transfersystem benachteiligt Familien, in denen beide Partner arbeiten", so die OECD im Bericht. Kapferer nennt den Eingangssteuersatz als Beispiel. Dieser wurde zwar im Zuge der Steuerreform von 36,5 auf 25 Prozent gesenkt, "das ist international immer noch hoch und hält davon ab, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen".

Der Alleinverdienerabsetzbetrag "propagiert ein Erwerbsmodell, das auf die Dauer nicht zukunftsfähig ist", kritisiert Kapferer. Die OECD rät, den Absetzbetrag durch Transferleistungen für bedürftige Familien zu ersetzen. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kann sich vorstellen, mit den 200 Millionen Euro jährlich, die für den Absetzbetrag verwendet werden, zusätzliche Kinderbetreuungsangebote zu schaffen. Laut OECD mangelt es an Betreuung für Kinder bis zwei Jahre, und viele Kindergärten öffnen nur halbtags, was eine Rückkehr in den Beruf schwer macht.

Heinisch-Hosek will mehr Väter dazu motivieren, in Karenz zu gehen. Beim geplanten Kinderbetreuungsgeldkonto, das die Pauschalvarianten ersetzen soll, will sie wie von der OECD empfohlen ein Drittel des Geldes für den Vater reservieren - sonst verfällt der Anspruch. Die Arbeiterkammer hatte gefordert, ein Fünftel des Betrags für den zweiten Elternteil zu reservieren. Familienministerin Sophie Karmasin setzt sich hingegen für einen Partnerschaftsbonus ein, wenn sich Paare den Bezug zu gleichen Teilen aufteilen. Der Gesetzesentwurf soll in den kommenden Wochen präsentiert werden. Die OECD rät außerdem, die längste Variante für das Kinderbetreuungsgeld (30 plus 6 Monate) zu streichen.

Strenge Bankenaufsicht als Basis für stabiles Wachstum

Insgesamt rechnet die OECD damit, dass sich das zuletzt ins Stocken geratene Wirtschaftswachstum beschleunigt. "Die Steuerreform wird dazu beitragen", sagt Kapferer. Allerdings sind laut dem Bericht weitere Maßnahmen notwendig, um das Wachstum anzukurbeln: Demnach sollten über die Reform hinaus Geringverdiener entlastet werden. Gegenfinanziert könnte dies durch eine Verbreiterung der Steuerbasis und höhere Steuern auf Konsum, umweltschädliches Verhalten und Immobilienbesitz werden. Gemeindefusionen, wie zuletzt in der Steiermark, würden öffentliche Ausgaben effizienter machen. Außerdem sollte das tatsächliche Pensionsantrittsalter erhöht und sozial Schwache besser im Bildungssystem gefördert werden.

Grundlage für stabiles Wachstum ist laut OECD eine fortgesetzte Stärkung und Überwachung des Bankensektors. Nach der Expansion österreichischer Banken ins Ausland sei ihr Eigenkapital verglichen mit den Kreditausfallrisiken noch immer geringer als jenes vergleichbarer europäischer Institute.