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Neuer Eigentümer, neue Chance

Von Mathias Ziegler

Wirtschaft
Kaum auf dem Markt, soll der neue XC90 schon in vier Jahren das älteste Modell der Vovlo-Palette sein.
© Volvo Car

Dass Volvo Car für fünf Jahren vom chinesischen Geely-Konzern gekauft wurde, war wohl das Beste, was der Marke passieren konnte.
Die Modellpalette wird jetzt komplett neu aufgestellt.


Nein, er geniert sich überhaupt nicht dafür, dass sein Arbeitgeber jetzt den Chinesen gehört. Denn: "Volvo war, ist und bleibt schwedisch. Wir produzieren in Schweden, unser Know-how und Design sind schwedisch, die Qualität ist schwedisch. Und im Gegensatz zu Ford lässt Geely uns die Autos so bauen, wie wir es am besten finden", betont Thomas von Gelmini, Sprecher von Volvo Car Austria, wenn man ihn über die Besitzverhältnisse im urschwedischen Autokonzern anspricht, der 2015 ein inoffizielles rundes Jubiläum feiern könnte. Denn 1915 wurde Volvo vom schwedischen Kugellager-Hersteller SKF als Versuchsabteilung gegründet. Als eigentliches Gründungsdatum gilt aber das Jahr 1927, in dem Assar Gabrielsson und Gustaf Larson Volvo als eigenständige Firma gegründet haben.

Seither steht die Automarke Volvo vor allem für eines: Sicherheit. Das beginnt mit dem Dreipunktgurt, den Volvo entwickeln ließ und 1959 als erster Pkw-Hersteller serienmäßig einführte – auch der im Mai 2015 neu eingeführte XC90 enthält zwei weitere Weltneuheiten im Sicherheitsbereich – und setzt sich bis heute in der Karosserie fort. Und Volvo gibt mit seiner "Vision 2020" ein in der Automobilbranche einmaliges Versprechen: Im Jahr 2020 soll kein Insasse eines neuen Volvo Modells mehr ernsthaft verletzt oder gar getötet werden.

Hohe Sicherheit hat natürlich ihren Preis – auch in technischer Hinsicht. Ein Volvo bringt schon einmal seine zwei Tonnen auf die Waage. Dafür sind die neuen Modelle aber auch entsprechend motorisiert. "Wir erreichen mit dem XC90 in der Hybrid-Version bis zu 407 PS – 320 PS mit Benzinmotor auf der Vorderachse und 87 PS mit Elektromotor auf der Hinterachse", sagt Gelmini. Während es alle künftigen Modelle auch als Hybrid-Variante geben wird, sind reine Elektroautos sind für Volvo derzeit aber kein Thema, dafür sehen die Schweden in ihrem Segment noch nicht den Boden bereitet. Allerdings wurden in den vergangenen zwei Jahren mehr als 50 Prozent der gesamten Jahresproduktion des V60 Plug-in-Hybrid (knapp 4000 Autos pro Jahr) in die Niederlande verkauft, weil die dortige Gesetzeslage diese Fahrzeuge attraktiv machte.

Dennoch: In vier Jahren soll der XC90 das älteste Modell in der Volvo-Palette sein. Denn seit der Übernahme des letzten verbliebenen schwedischen Pkw-Herstellers durch Geely im Jahr 2010 (die Chinesen kauften Volvo Car von Ford, nachdem die Amerikaner die Sparte 1999 übernommen, dann als Melkkuh missbraucht, die Marke aber nicht weiterentwickelt hatten; neben Volvo Car gibt es noch die rein schwedische Volvo Group, die alle anderen Volvo-Produkte umfasst, von Schiffsmotoren bis Baumaschinen) geht es nicht nur mit Volvo finanziell wieder bergauf, sondern die Marke wird auch komplett neu aufgestellt. Volvo investiert gerade elf Milliarden Euro in den ambitionierten Plan, bis 2019 insgesamt neun neue Modelle einzuführen. Eine Rolle wird dabei auch das autonome Fahren spielen. Soeben hat Volvo den Zulieferer Autoliv als neuen Partner ins "Drive Me"-Projekt dazugeholt. Im Rahmen dieser Kooperation auf dem Gebiet aktiver Sicherheitssysteme sollen ab 2017 zunächst in Göteborg 100 selbstfahrende Autos unterwegs sein, die von Familien und Pendlern unter Alltagsbedingungen im öffentlichen Straßennetz getestet werden – eine weltweite Premiere, denn autonome Testfahrzeuge werden bisher nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Auch den übrigen Kunden will Volvo das Autofahren künftig noch einfacher machen. Chefdesigner Thomas Ingenlath betont in seinen Studien für die neuen Modelle nämlich nicht nur das "typisch skandinavische Design", sondern auch die einfache und intuitive Bedienung der technischen Features, "denn das Leben ist auch so schon kompliziert genug".

Zielgruppe ist zunehmend weiblich

Was übrigens viele nicht wissen: Das Volvo-Logo ist nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, das männliche Marssymbol, sondern das alte chemische Zeichen für Stahl. Dieses wählten Gabrielsson und Larson als Erkennungszeichen, weil ihre Fahrzeuge eben aus Stahl gefertigt wurden. Freilich sahen wohl viele damals in der Ähnlichkeit zum Männlichkeitssymbol keinen Widerspruch, waren doch die meisten Autofahrer männlich. "Das hat sich Gottseidank geändert", stellt Gelmini fest. Denn die Zielgruppe von Volvo ist zunehmend weiblich. Und das passt auch irgendwie ganz gut zum Image: "Wir sind keine laute Marke sind, das widerstrebt dem schwedischen Lebensgefühl. Ein Volvo ist für Menschen gedacht, die einen gewissen sozialen Status erreicht haben, aber nicht protzen wollen." Und Volvo will sich auch bewusst nicht auf Preiskämpfe mit Mitbewerbern einlassen: "Wir sind eine kleine Premiummarke, und darauf besinnen wir uns." In Schweden selbst hat Volvo ein leicht anderes Image als im Rest der Welt: Dort hat der Marktführer nicht so einen exklusiven Charakter, sondern gilt eher als Familienfahrzeug.

Eine Veränderung hat das chinesische Engagement natürlich gebracht – und zwar eine positive. Neben den schon lange bestehenden Standorten in Schweden und Belgien wurden auch drei Volvo-Werke in China aufgebaut, die für den chinesischen Markt produzieren – und für den amerikanischen. "Dort sind auch unsere Langversionen unserer Limousinen sehr gefragt. Die S60-Stretch-Limo ist darüber hinaus das erste Auto, das in China für den US-Markt gebaut wird", berichtet der Volvo-Sprecher. Aber auch in den USA ist ein Volvo-Werk im Entstehen: Die Grundsteinlegung dazu erfolgte am 25. September. Außerdem wurden 2014 so viele Autos verkauft wie noch nie zuvor. Von den 465.866 Fahrzeugen blieben 13 Prozent in Schweden, 40 Prozent gingen nach Westeuropa, 16 Prozent nach China und 13 Prozent in die USA. Neben den großen Luxusautos werden derzeit für den chinesischen Markt auch Fahrzeuge auf einer neuen, kleinen Plattform entwickelt. "Downsizing ist natürlich auch für uns ein Thema, auch im Bereich der Motoren", sagt Gelmini, der gleichzeitig betont, dass Volvo auch in China zu 100 Prozent nach europäischen Standards und mit europäischer Qualität produziert. "Dort stehen zur Zeit die modernsten Volvo-Werke überhaupt."