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Gerangel um Entsendung von Arbeitnehmern

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Wirtschaft

EU-Kommission weist Bedenken osteuropäischer Mitgliedstaaten zurück.


Brüssel. Die Gelbe Karte ließ die EU-Kommission kalt. Als sich elf Länder zusammenschlossen, um neue Regelungen zur Entsendung von Arbeitnehmern in andere Staaten abzuwenden, musste sich die Brüsseler Behörde zwar mit den Einwänden befassen. Doch stellte sie nun klar, dass sie die Bedenken nicht teilt - und wies damit den als "Gelbe Karte" bezeichneten Einspruch zurück. Sie bleibt also bei ihrem Vorschlag, den die Mitgliedstaaten nun diskutieren sollen.

Die Pläne sehen in erster Linie vor, dass für gleiche Arbeit im gleichen Land gleicher Lohn gezahlt werden soll. Es gehe nicht zuletzt um den Schutz der Beschäftigten, argumentierte EU-Kommissarin Marianne Thyssen. Für entsandte Arbeitnehmer sollen daher dieselben Vorschriften zu Einkommens- und Arbeitsbedingungen gelten wie für lokale.

Österreich - und da vor allem die Baubranche - ist von Entsendungen stark betroffen. Rund 150.000 Menschen wurden im Jahr 2014 großteils aus den nördlichen und östlichen Nachbarstaaten hierher geschickt. Davon arbeitete etwa jede dritte Person am Bau. Und da die Debatte um Lohn- und Sozialdumping kreiste, wurden vor wenigen Monaten auch schon Rufe nach Beschränkungen der Freizügigkeit laut. Auch hatte Sozialminister Alois Stöger gefordert, dass österreichische Sozialabgaben früher als erst nach zwei Jahren gezahlt werden sollen, wie es die EU-Kommission vorsieht.

Debatte um Sozialdumping

In der gesamten EU gab es 2014 knapp zwei Millionen Entsendungen, die meisten nach Deutschland, Frankreich und Belgien. Das größte Herkunftsland war dabei Polen.

Es waren denn auch die Parlamente der mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten, die der Kommission die Gelbe Karte gezeigt haben. Vordergründig ging es dabei um Bedenken zur Subsidiarität, also zur Zuständigkeit nationaler Gesetzgeber bei einem bestimmten Thema. Doch standen dahinter nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen: Die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern können für Staaten mit niedrigeren Löhnen einen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Allerdings könne dies nicht das wesentliche Kriterium für die Entwicklung des Binnenmarkts sein, befand EU-Kommissarin Thyssen. Auch die Zuständigkeitsfrage beantwortete sie: Entsendungen seien eine grenzüberschreitende Angelegenheit, und die Verpflichtung aller Mitglieder, die entsprechenden Vorschriften in allen Branchen zu beachten, könne nicht auf nationaler Ebene festgelegt werden. Das ändere aber nichts daran, dass die Länder selbst über ihre Regelungen zur Höhe und Struktur der Einkommen entscheiden. In Österreich geschieht dies zumeist über Kollektivverträge.

Daher fallen die geplanten Änderungen für Österreich kaum ins Gewicht. Denn die Neuerung ist, dass nicht der Mindest- sondern der gleiche Lohn gezahlt werden soll. Das aber legen die Kollektivverträge sowieso fest - und zwar in etlichen Branchen. Dennoch klagen einige Regionen über billigere Konkurrenz aus Osteuropa. Daher gehen den Gewerkschaften und der Arbeiterkammer die Vorschläge der Kommission nicht weit genug. Sie hätten gern striktere Maßnahmen gegen Scheinentsendungen gesehen. Die SPÖ wiederum weist auf die Problematik der Sozialabgaben hin. Eine Verkürzung des Zeitraums, ab dem das nationale System greift, lehnt die Kommission aber ab.

In Wirtschaftskreisen hingegen wird davor gewarnt, die Dienstleistungsfreiheit zu beschädigen. So spricht sich die Wirtschaftskammer Österreich gegen "unnötige" Verschärfungen aus. Vielmehr wären striktere Kontrollen auch von ausländischen Unternehmen nötig. Den Vorschlägen der Kommission müssen die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Auch das Europäische Parlament muss die Pläne noch billigen.