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Textilbranche hängt am seidenen Faden

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Mit Schnäppchen setzen Discounter die Branche unter Druck.
© fotolia/victoria p.

Geänderte Konsumgewohnheiten und der boomende Online-Handel machen einen Strukturwandel notwendig.


Wien.Immer öfter, schneller, billiger - so lautet die Devise des "Homo Shoppensis". Unter dem Schlagwort "Fast Fashion" bringt dieser Trend nun die Textilbranche gehörig ins Schwitzen.

"Eine Frau kauft durchschnittlich 30 Kilogramm Kleidung pro Jahr. Rund ein Drittel davon wird nie getragen. Um sich diesem neuen Konsumverhalten anzupassen, müssen die Bekleidungsunternehmen die Zeitspanne zwischen Design und Verkauf verkürzen. Sie müssen ständig ihr Angebot im Laden und im Internet erneuern." Zu diesem Schluss kommt der Branchenbericht "Textil und Bekleidung" des internationalen Kreditversicherers Euler-Hermes mit Sitz in Hamburg. Die Zeiten, in denen Fashionistas mit nur zwei Kollektionen für Sommer und Winter ihr Auslangen fanden, seien demnach passé. Der kollektive Kaufrausch verlangt nun nach sechs bis zwölf Kollektionen pro Jahr.

Fast-Fashion

Dieser Speed hat Konsequenzen sowohl für die Textilproduzenten als auch für den Einzelhandel. "Das schnelllebige Konsumentenverhalten erfordert schnellere Lieferzeiten", sagt Marina Machan von der Kreditversicherung Prisma. "Diese Lieferzeiten sind aus osteuropäischen Fabriken besser realisierbar als aus Asien. Die Lieferketten verändern sich also, und darauf müssen sich Unternehmen einstellen." Gemeinsam mit Euler-Hermes hat Prisma in einer Marktanalyse die Situation der Textilbranche beleuchtet. Ergebnis: Der Strukturwandel ist in vollem Gange. Die Konkurrenz durch den Online-Handel wird stärker und damit der Investitionsbedarf höher.

Doch stagnierende Umsätze, geringe Margen und ein hoher Wettbewerbsdruck machen vielen schwer zu schaffen. Und das, obwohl die Branche nach wie vor durch einen relativ stabilen Konsum gestützt wird. Ein weiteres Problem sind die zum Teil sehr langen Zahlungsziele. Bei einigen Marktteilnehmern ist der finanzielle Spielraum für Investitionen in den Strukturwandel daher gering.

"Einige textile Einzelhändler hängen am seidenen Faden", bestätigt Ron van het Hof, Chef von Euler-Hermes für den deutschsprachigen Raum. "Durch die geringen Margen ist die Ertragsprognose und Liquiditätsdecke bei manchen Firmen relativ gering und das Ausfallrisiko in einigen Fällen hoch." Ein Indiz dafür: In Deutschland haben heuer neben vielen kleineren Pleiten bereits mehrere namhafte Insolvenzen die Textilbranche erschüttert, darunter das Traditions-Modeunternehmen Steilman, die Modekette Wöhrl und ihre Schwesterfirma Sinn Leffers. "Insgesamt beobachten wir, dass die Bonität in der Branche im Durchschnitt abnimmt. Das werden deshalb vermutlich nicht die letzten Insolvenzen gewesen sein", so Ron van het Hof pessimistisch.

Etwas erfreulicher stellt sich die Situation derzeit in Österreich dar. "Hierzulande gab es im ersten Halbjahr 2016 rund 1625 Insolvenzen. Nur zwei Prozent davon betrafen die Textilwirtschaft inklusive die Lederbranche", sagt Rating-Expertin Marina Machan. Generell verlaufe die Entwicklung der Branche jedoch höchst uneinheitlich.

So können jene Produzenten, die sich am Sektor technischer Textilien stark spezialisiert haben und dort in einem relativ hochpreisigen Nischensegment agieren, über die wirtschaftliche Lage nicht klagen. "Die österreichische Textilindustrie fokussiert derzeit sehr stark auf innovationsintensive und technologieorientierte Sparten wie textile Architektur oder technische Textilien", betont Machan. "Damit finden sie europaweit große Anerkennung." Nicht so gut geht es hingegen dem Textileinzelhandel. Einerseits leidet er unter dem enormen Preisdruck durch die omnipräsenten Bekleidungsdiskonter, andererseits wird die Konkurrenz durch den Online-Handel immer bedrohlicher. Zwar ist laut dem Marktanalysten RegioData der österreichische Gesamtmarkt für Bekleidung in den vergangenen Jahren relativ stabil und mit durchschnittlich etwa 1,5 Prozent pro Jahr gewachsen. Dieses Wachstum fand jedoch ausschließlich online statt. Konkret ist der Online-Anteil an den Bekleidungskäufen zwischen 2010 und 2015 von sechs Prozent auf 24 Prozent gestiegen. Den österreichischen Gesamtmarkt beziffert RegioData derzeit mit etwa 6,2 Milliarden Euro, wovon bereits 1,5 Milliarden Euro auf Internetverkäufe entfallen. Laut Institut wird der Online-Anteil bis 2020 auf 34 Prozent ansteigen.

Multi-Channel-Strategie

Diese Entwicklung zwingt Einzelhändler zu einer Multi-Channel-Strategie, die jedoch mit hohen Investitionen verbunden ist. Ohne eine Kombination mit einem Internetauftritt hätten stationäre Händler kaum noch eine Chance, so Machan. "Das geht höchstens noch bei kleinen regionalen Einzelhändlern mit wenigen Filialen oder bei Nischenplayer mit Spezialangeboten. Dazu zählen etwa Luxuslabels, die sich Verkaufsflächen mit einem Umsatz pro Quadratmeter leisten, die nicht dem normalen Standard entsprechen."