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Kein gemeinsamer Kurs gegen Steuervermeidung

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

NGOs fordern mehr Engagement im Kampf gegen Steuertricks in Österreich. EU-Finanzminister hier weiterhin uneins.


Wien. Ja nicht zu wenig, aber bloß nicht übertreiben. Was die Steuertransparenz angeht, ist Österreich im EU-Mittelfeld. Das zeigt der europaweite Bericht "Survival of the richest" von einer Vielzahl europäischer NGOs und Forschungsorganisationen. Die Auswertung des Österreich-Teils wurde vom Wiener Institut für Internationalen Dialog und Kooperation (VIDC) durchgeführt.

Tatsächlich ist in den vergangenen zwei Jahren in puncto Betrugsbekämpfung und Steuervermeidung hierzulande einiges weitergegangen. Im Zuge der Steuerreform wurde das Bankgeheimnis, das Österreich jahrelang in die Liste der Steueroasen reihte, abgeschafft. Es wurde ein zentrales Kontenregister eingeführt, in dem gelistet ist, wer wie viele Konten bei welcher Bank hat und wer aller darauf zugreifen darf. Seit 2014 können außerdem Lizenzzahlungen von Firmen an Tochterunternehmen in Steueroasen nicht mehr vor dem Fiskus geltend gemacht werden.

Das ist eine beliebte Methode, um Gewinne so weit zu senken, dass im Kernland kaum bis keine Steuern mehr anfallen. Das Geld wird in Form von Lizenz- oder Markenrechtegebühren in ein Tochterunternehmen in eine Steueroase verschoben. Das reduziert den Gewinn im Land. Offshore fallen wenige bis keine Steuern an, und das Geld bleibt letzten Endes im Konzern.

Nachholbedarf in Steuersachen

Trotz der Fortschritte, die gelobt werden, gebe es hierzulande Aufholbedarf. Im Bericht wird etwa die Gruppenbesteuerung bemängelt, die es Unternehmen ermöglicht, Verluste ausländischer Töchter in Österreich geltend zu machen.

Kritisiert wird auch die Treuhandschaft. "Es ist in Österreich weiterhin möglich, Eigentumsrechte mittels TreuhänderInnen ohne schriftlichen Vertrag und ohne öffentlich zugängliches Register zu verstecken", schreibt die globalisierungskritische NGO Attac, die ebenfalls am Bericht mitgewirkt hat, in einer Aussendung. Diese "Verschleierung" ermögliche weiterhin Steuerbetrug, Geldwäsche oder gar Terrorismusfinanzierung, steht im Bericht.

Im Juni hat sich der Ministerrat auf Betreiben der EU-Kommission auf das sogenannte country-by-country Reporting verständigt. Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro und ihre Töchter sollen "offenlegen", in welchem EU-Land sie wie viel Umsatz und Gewinn erzielt haben, wie viele Mitarbeiter sie beschäftigen und eben wie viel Steuern sie bezahlt haben. Diese Offenlegung gilt allerdings nur gegenüber den Finanzbehörden.

Das geht nicht nur den NGOs, sondern auch der EU-Kommission nicht weit genug. Letztere hat vorgeschlagen, die sogenannte EU-Bilanzrichtlinie dahingehend zu ändern, dass die betroffenen Unternehmen zusätzlich verpflichtet werden sollen, die country-by-country Reportings selbst zu veröffentlichen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sich allerdings auf EU-Ebene gegen die breite Veröffentlichung ausgesprochen. Sein Argument: Die Daten könnten missinterpretiert werden, die Berichte könnten den Wettbewerb verzerren und den Unternehmen zum Nachteil gereichen.

Zahl der Deals gestiegen

Laut EU-Kommission entgehen den einzelnen Mitgliedstaaten bis zu 1000 Milliarden Euro an Steuern durch legale und illegale Steuerverschiebungen. Trotz der Enthüllungen rund um die Panama-Papers, Lux-Leaks und Offshore-Leaks habe sich in puncto Steuervermeidung EU-weit wenig getan, kritisiert der Bericht. Die Zahl der Steuerdeals zwischen Staaten und multinationalen Konzernen sei von 547 im Jahr 2013 auf 1444 im Jahr 2015 angestiegen. Trotzdem konnten sich die Finanzminister der Europäischen Union bei ihrem Treffen am Dienstag aber nicht auf angestrebte Änderungen im Kampf gegen die Steuerhinterziehung von multinationalen Unternehmen einigen.

Vorgesehen waren ab 2019 gemeinsame Regeln für den Umgang mit international tätigen Firmen, um Steuerflucht und das Aushöhlen von Gewinnen zu minimieren. Finanzminister Schelling meinte, er habe "Angst, dass wir da zu schnell vorgehen und Qualität opfern". Außerdem kritisierte er geplante Ausnahmen für den Finanzsektor, auf die wiederum Großbritannien pocht.

Zu schnell geht es auch den Niederlanden, die zahlreiche Multis beheimaten. Finanzminister Jeroen Dijsselbloem fordert für sein Land längere Übergangsfristen. Deutschland wiederum kann es nicht schnell genug gehen. Eine Einigung ist also nach wie vor in weiter Ferne.