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Strom per Los

Von Marina Delcheva und Simon Rosner

Wirtschaft

Care-Energy-Insolvenz könnte in Österreich zu erstmaligem Anbieter-Losverfahren führen.


Wien. Die Insolvenz des Billigstrom-Anbieters Care Energy sorgt in der heimischen Strombranche und bei den rund 13.000 betroffenen Kunden weiter für Verwirrung. Am 17. Februar wurde gegen den Hamburger Stromanbieter, der auch in Österreich Kunden beliefert, in Deutschland ein sogenanntes Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der drei Gesellschaften - die Care-Energy AG, die Care-Energy Holding GmbH und die Care-Energy Management GmbH - eingeleitet. Noch können die Care-Energy-Kunden ihren Anbieter wechseln. Sobald die Insolvenz aber in die Abwicklung geht, könnte das in Österreich zu einem komplizierten Präzedenzfall werden.

Sobald nämlich der insolvente Stromanbieter seinen Verrechnungsvertrag mit der Verrechnungsstelle APCS kündigt, teilt der Regulator E-Control den betroffenen Kunden einen neuen Stromversorger zu. Und das geschieht in Österreich in einem Losverfahren für jedes einzelne der 13 heimischen Netzgebiete, so sieht es das Gesetz vor. Einen ähnlichen Fall gab es hierzulande übrigens noch nicht.

Präzedenzfall in Österreich

Bisher ist in Österreich noch kein Stromanbieter insolvent gewesen. Folglich gab es noch nie ein Losverfahren, bei dem pro Netzgebiet ein Anbieter gelost wird, der dann die verbliebenen Kunden in diesem Gebiet übernimmt. Hierzulande beliefern insgesamt 150 Stromanbieter rund 4,3 Millionen Haushalte mit Energie, wobei nicht jeder Anbieter österreichweit liefert. Wird ein Unternehmen gelost, darf es die Aufnahme der Neukunden auch verweigern, dann wird ein neuer Anbieter von der E-Control ausgelost. Vor allem kleinere Unternehmen könnte die Übernahme von über 1000 Kunden auf einmal überfordern. Die Kunden selbst dürfen binnen zwei Wochen den zugeteilten Versorger wechseln.

Aber so weit ist es noch nicht. "Wir haben noch kein Losverfahren eingeleitet, und wir wissen auch noch nicht, ob und wann wir eines einleiten werden", sagt Bettina Ometzberger, Sprecherin der E-Control, auf Nachfrage. Zudem, beruhigt der Regulator, bleiben die betroffenen Haushalte, auch wenn sie nicht vorzeitig den Anbieter wechseln, nicht im Dunkeln.

In Deutschland, wo im Gegensatz zu Österreich schon Insolvenzen von Energieversorgern abgewickelt wurden, werden die verbliebenen Kunden per Regulator dem Marktführer im jeweiligen Versorgungsgebiet zum Basistarif zugeteilt. Das würden sich auch einige große Energielieferanten in Österreich wünschen. "Das Verfahren hier ist sehr bürokratisch und aufwendig", sagt Stefan Zach, Sprecher der EVN, die Platzhirsch in Niederösterreich ist. Hinzu komme die geringe Wahrscheinlichkeit, dass die zugeteilten Kunden längerfristig beim Anbieter bleiben, so Zach im Gespräch.

Seit die Insolvenz bekannt wurde, kommt Care Energy nicht aus den Schlagzeilen. Zahlreiche Kunden haben zum Beispiel von anderen Anbietern ungebetene Anrufe und Wechsel-Angebote bekommen, etwa vom deutschen Enstroga, der die Kundendaten von Care Energy gekauft haben soll, was datenschutzrechtlich problematisch ist. Hinzu kommen Klagen wegen eingehobener aber nicht abgeführter Ökostromförderung in Deutschland. Im Jänner ist zudem der Firmengründer Martin Richard Kristek an einem Herzinfarkt gestorben.

Und dessen Tod hatte auch auf den ältesten Fußball-Verein Österreichs, die Vienna, eine unmittelbare Auswirkung. Care Energy fungierte als Hauptsponsor, Präsident war bis vor kurzem Kristeks Vater Richard, der sich nach dem Tod seines Sohns sofort zurückzog. Die Vienna musste binnen weniger Wochen Insolvenz anmelden, die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 1,174 Millionen Euro und gefährden den Weiterbestand des Klubs. Unter anderem durch ein Benefizspiel gegen Rapid auf der Hohen Warte soll ein 30-Prozent-Ausgleich erreicht werden, anderenfalls könnte eine 123-jährige Vereinsgeschichte bald zu Ende gehen.