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Mangel im Überfluss

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Zahlreiche Betriebe suchen händeringend nach qualifizierten Fachkräften. Und zahlreiche Jobsuchende suchen händeringend nach Arbeit.


Wien. Ein kleiner Tischlerbetrieb im beschaulichen Salzburger Pongau muss Aufträge absagen oder sie weit in die Zukunft verschieben. Der Grund: Er hat nicht genug Personal und er findet einfach keine Mitarbeiter, die die Vielzahl an Aufträgen abarbeiten können. "Es gibt seit Jahren einen eklatanten Fachkräftemangel", poltert der Wirtschaftssprecher der Neos, Sepp Schellhorn, am Montag vor Journalisten. Viele Betriebe, vor allem im Westen des Landes, hätten große Probleme Mitarbeiter zu finden und könnten ihre offenen Stellen nicht besetzen.

Um diesem Mangel zu bekämpfen, fordern die Neos eine Reihe von Maßnahmen. So soll etwa die Lehrlingsausbildung flächendeckend durch eine begleitende mittlere Reife aufgewertet werden. "Welches Elternteil schickt denn heute noch freiwillig sein Kind in ein Polytechnikum?", meint Schellhorn. Schon jetzt müsse jede dritte Berufsschule mangels Interessenten schließen.

Auch die Entscheidung der Bundesregierung, abgelehnte Asylwerber, die eine Lehre begonnen haben, abzuschieben, sei falsch. Besser wäre es, künftig die Asylverfahren zu beschleunigen. Jene, denen jetzt trotz Lehre die Abschiebung droht, sollten die Möglichkeit bekommen, ihre Ausbildung abzuschließen und danach zwei weitere Jahre in Österreich arbeiten zu dürfen. Außerdem müssen die Anforderungen für die Rot-Weiß-Rot-Card vereinfacht werden.

Missmatch am Arbeitsmarkt

Ein Blick in die Arbeitslosenstatistik zeigt aber, dass die Geschichte mit dem Fachkräftemangel nicht ganz so schnell erzählt ist. Etwa dreihundert Kilometer weiter östlich vom Salzburger Pongau ist ein junger Mann im Burgenland seit Monaten auf der Suche nach einer Tischlerei, die ihn einstellen möchte. Überhaupt gibt es derzeit österreichweit laut AMS genau vier offene Stellen für einen Tischler - und 171 Bewerber.

Am heimischen Arbeitsmarkt gibt es tatsächlich in manchen Branchen seit Jahren einen Fachkräftemangel, der trotz Arbeitsmarktöffnung für die neuen EU-Mitgliedsländer und der Zuwanderung von Flüchtlinge nicht einzudämmen ist. Anderseits waren im Juni 341.024 Menschen beim AMS als jobsuchend gemeldet. "Ja, wir haben einen Missmatch am Arbeitsmarkt", sagt Beate Sprenger, Sprecherin des AMS zur "Wiener Zeitung". So gibt es etwa 485 offene Stellen für einen Maschinenbauer, aber nur 154 potenzielle Bewerber. Umgekehrt kommen 52 offene Stellen für Hilfsarbeiter auf 3425 Bewerber.

Dieser Missmatch ergibt sich aus der oft fehlenden Qualifikation der Jobsuchenden. Während gut die Hälfte jener, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, arbeitslos sind, liegt die Arbeitslosenquote bei Uni- und Lehrabsoventen im niedrigen, einstelligen Prozentbereich.

Und noch ein Problem kommt hinzu. Viele der offenen Stellen sind, geografisch gesehen, von den Jobsuchenden weit weg. Viele Betriebe im Westen und in ländlichen Gegenden können offene Stellen auch im niedrig qualifizierten Bereich nur schwer besetzen. Während in Wien auch Akademiker oft monatelang auf Jobsuche sind.

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