Wien. An die erste Nacht auf der Straße erinnern sich alle. Das erste Mal, wenn man wirklich nirgendwo mehr hingehen kann, weil die eigene Wohnung schon weg ist, weil man keine Familie hat, die einen auffängt. Und weil man die Gastfreundschaft der Freunde schon zu lange strapaziert hat.
Daniels erste Nacht auf der Straße war warm. Er wollte eigentlich gar nicht im Wiener Esterhazy-Park schlafen. Er wollte einfach nur mit einem guten Freund ein Bier trinken, für das er kein Geld mehr hatte, und dann zu einer Notschlafstelle gehen. "Es ging so schnell, so wahnsinnig schnell", erzählt er. "Ich hätte nie gedacht, dass mir das jemals passiert. Aber wie heißt das so schön? Sag niemals nie."
Tiefer Fall
Daniel ist einer von rund 15.000 Menschen in Österreich, die laut Sozialministerium wohnungslos sind. Die Dunkelziffer ist höher. Sie haben also keinen festen Wohnsitz und leben auf der Straße oder müssen zeitweise bei Freunden oder in karitativen Einrichtungen unterkommen. Laut Caritas ist die Zahl der wohnungslosen Menschen von 2008 bis 2013 um 41 Prozent gestiegen - also in der Zeit nach der Wirtschaftskrise. In den letzten Jahren stagnieren die Zahlen allerdings. Die Caritas betreibt österreichweit 41 Wohnungsloseneinrichtungen mit 1793 Schlafplätzen, die im Winter voll sind.
Einige der Menschen, die zumindest vorübergehend auf der Straße landen, waren vorher selbständig. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. "Es gibt viele auf der Straße, die selbständig waren und jetzt obdachlos sind", sagt Daniel. Er ist einer davon.
Der gebürtige Schweizer betrieb mit seiner damaligen Freundin ein Lokal in Wien. Und eigentlich liefen die Geschäfte ganz gut. 2012 hatte er dann einen schweren Unfall und war mehrere Monate lang nicht arbeitsfähig. "Kein Betrieb überlebt, wenn der Chef nicht da ist", sagt er. Daniel und seine Freundin trennten sich, er bekam Probleme mit seinem Geschäftspartner, der Berg an Rechnungen wurde immer größer. "Mir ist irgendwann die Energie ausgegangen." Er konnte weder seine Beiträge zur Sozialversicherung zahlen noch die Steuervorschreibungen. Der Exekutor kam, sein Lokal wurde zugesperrt, er konnte sich seine Wohnung nicht mehr leisten und landete 2013 das erste Mal auf der Straße.
Ähnlich Norbert: "Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, aus dem man fast gar nicht herauskommt", erzählt er. Auch er führte einen Gastronomiebetrieb. Nach einem heftigen Streit mit seinem Geschäftspartner schied er aus dem Betrieb aus. Das Geld war irgendwann aus, seine Wohnung weg und er landete auf der Straße. Heute leben sowohl Daniel als auch Norbert in einer betreuten Wohneinrichtung.