Zum Hauptinhalt springen

"Wissenschaftsbotschafter" gegen Skepsis

Wissen

Wissenschaftsminister Martin Polaschek: Handlungsbedarf gegen Wissenschaftsskepsis und zu Corona-Herbst.


Abseits der Universitätspolitik bereitet sich das Bildungsministerium auf die Covid-19-Prävention im Herbst vor. Man werde "den Herbst natürlich nicht verschlafen", sagte Bildungsminister Martin Polaschek am Dienstagabend bei einem Hintergrundgespräch des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten. Momentan würden verschiedene Szenarien diskutiert, je nachdem, mit welchen Erreger-Varianten man es im Herbst zu tun haben könnte. "Mein Ziel ist, die Schulen so lange es nur irgend möglich ist offen zu halten. Aber wir müssen schauen, was zu tun ist, wenn es zu Lockdown-Szenarien kommt. Derzeit ist nicht abschätzbar, wie sich die Situation entwickelt", sagte Polaschek.

Je nach der Corona-Situation könnte man es im Herbst auch wieder mit stark wissenschaftsfeindlich geprägten Protesten zu tun haben. Für den Wissenschaftsminister gibt es hier einen gewissen Zusammenhang mit demokratiefeindlichen Tendenzen. Der in Österreich im internationalen Vergleich stark ausgeprägten Wissenschaftsskepsis - in der jüngsten Eurobarometer-Umfrage zum wahrgenommenen Stellenwert von Wissenschaft und Forschung reiht unser Land in fast allen Fragen an letzter und vorletzter Stelle - gelte es, mit längerfristigen Maßnahmen entgegenzutreten. Polaschek kündigte die Ausschreibung einer "Ursachenstudie" noch in den kommenden Wochen an, die die Gründe dafür erheben und gesellschaftliche Gruppen identifizieren soll, wo und bei welchen Alters- und Berufsgruppen sowie Bildungsschichten das Problem besonders stark besteht. Mit Ergebnissen rechne man im Sommer 2023.

Vermittlung in Schulen

Erste Initiativen werde man schon jetzt an den Schulen setzen, in die man mit in der Lehre sehr versierten Hochschullehrern als "Wissenschaftsbotschafter" verstärkt gehen werde. "Die Wissenschaftskommunikation ist bei uns durchaus noch ausbaufähig", betonte Polaschek. Corona habe die Wissenschaftsskepsis möglicherweise sogar verstärkt, "denn dass Menschen ohne viel nachzudenken Entwurmungsmittel gegen Covid-19 schlucken, bedeutet, dass auch die Medizin gefordert ist, kommunikativ aufzutreten."

Zum Hintergrund: Personen, die in Österreich im Bereich Wissenschaftskommunikation aktiv sind, sei es als vermittelnde Forschende oder als Wissenschaftsjournalisten, haben im Normalfall keine einschlägige Aus- oder Weiterbildung. In den Studienplänen komme die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte an ein nichtwissenschaftliches Publikum nur in Ausnahmefällen vor. Professionelle Medientrainings für Wissenschafter werden in geringem Ausmaß angeboten, Aus- und Weiterbildungsangebote für Wissenschaftsjournalisten sind spärlich und es fehlen Anreize für Forschende, sich in der Kommunikation ihrer Ergebnisse zu engagieren. Weiters knüpfen Hochschulen - anders als etwa in angelsächsischen Ländern - bei der Leistungsbeurteilung von Forschenden keine Erwartungen an die Wissenschaftsvermittlung. Auch finanziell wird sie nicht entlohnt. Diesen Befund stellt das Institut für Höhere Studien dem Forschungsland Österreich in einem "Policy Brief" aus. Wissenschaftskommunikation bleibe damit in den meisten Fällen eine mitunter zeitintensive Nebenbeschäftigung von engagierten Forschenden - das Biotop, in dem man davon auch seine Miete bezahlen kann, fehle.

Polaschek sieht dennoch einige Fortschritte. "Der Stellenwert von Wissenschaftskommunikation ist zumindest bei den Universitätsleitungen angekommen, aber das Thema ist freilich ausbaufähig", sagte er. "Aufholbedarf" sieht er vor allem im Bewusstsein von Wissenschaftern, dass die Kommunikation "ein ganz wichtiger Teil der Arbeit ist". Finanzielle Entlohnungen für diese Tätigkeit sieht der Minister jedoch nicht, denn "eine Art Gehaltschema etwa über ein Punktesystem für kommunikatives Engagement" sei komplex in der Durchführung: "Gerade bei der Wissenschaftskommunikation geht es darum, dass man gerne mit Menschen redet und auf sie zugeht, und weniger um Impact-Punkte", sagte er.

"Langfristige Maßnahmen"

Bei der "Langen Nacht der Forschung" diesen Freitag öffnet die heimische Forschung ihre Tore für alle: Von 17 bis 23 Uhr können hunderte heimische Forschungseinrichtungen im ganzen Land gratis besucht werden. Doch ist das genug, um einer wissenschaftsskeptischen Bevölkerung den Stellenwert von Wissenschaft nachhaltig zu vermitteln? "Natürlich nicht. Die ,Lange Nacht‘ ist ein Element, um geballt zu präsentieren, was es an Wissenschaft in Österreich gibt, und sie erreicht in dieser Form eine mediale Präsenz", sagte der Minister. "Aber wir brauchen nicht nur zahlreiche, sondern auch langfristige Maßnahmen." Als Beispiel zum erfolgreichen Abbau von Wissenschaftsskepsis nannte er Portugals Programm Ciência Viva, das seit 25 Jahren Wissenschaftsveranstaltungen bis in die Dörfer bringt.

Themenwechsel zum Abschluss: Mittlerweile leben in Österreich rund 9000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine. Als begleitende Maßnahme wurde ein Buddy-System geschaffen, innerhalb dessen ukrainische Kinder durch hier lebende Jugendliche mit Ukraine-Bezug in schulischen und anderen Bereichen begleitet werden.(est)