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Der "Cordoba-Effekt" der Wissenschaft

Von Eva Stanzl

Wissen

Trotz derzeitiger Nobelpreisträger-Stimmung bleibt das Vertrauen in Wissenschaft stark ausbaufähig und ungleich verteilt.


Zwischen "großem Vertrauen" in die Wissenschaften und Zweifel an ihrer Verlässlichkeit schwankt die Bevölkerung Österreichs gemäß einer Umfrage, in der die Meinungen und Einstellungen zum Thema abgefragt wurden. Dazu führte das Spectra-Institut im Auftrag der Praevenire Gesundheitsinitiative und der Gesellschaft der Ärzte in Wien im März dieses Jahres 1.031 persönliche Interviews durch.

Hintergrund sind die katastrophalen Ergebnisse der Eurobarometer-Studie zum wahrgenommenem Stellenwert von Wissenschaft. In dieser im Vorjahr durchgeführten Befragung reiht Österreich in nahezu allen Positionen auf den hintersten Plätzen. Man ist der Ansicht, Wissenschaft sei irrelevant, nicht wichtig für Zukunft, Arbeitsmarkt und Standort, und dass Wissenschafter lügen.

Ein Ziel der neuen Umfrage war es, Motiven dafür auf den Grund zu gehen und herauszufinden, wie das Vertrauen gestärkt werden kann. "Bei den Bereichen, in die Ressourcen fließen sollten, ist die Gesundheit am wichtigsten, wobei der Stellenwert mit dem Alter steigt", sagte Studienautor Walter Wintersberger. An zweiter Stelle stehen Demokratie und soziale Gerechtigkeit, gefolgt von Wirtschaft, Arbeitsplätzen, Umwelt und digitalem Wandel.

"Voll und ganz" stimmen 40 Prozent und "größtenteils" 39 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Gesellschaft nur dann Wohlstand und Gesundheit sichern kann, "wenn wir unsere gemeinsamen Entscheidungen vernünftig und unvoreingenommen auf der Basis von gesichertem Wissen und Erkenntnissen treffen". Weiters sind insgesamt 78 Prozent voll und ganz sowie größtenteils der Ansicht, dass ein Land nur dann funktionieren kann, wenn seine Bürger zwischen Fakten und Fake News unterscheiden können.

Kritik an Medienförderung

Was die Informationsgrundlagen für diese Unterscheidung betrifft, bringen lediglich 15 Prozent der Österreicher "sehr großes Vertrauen" den Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung entgegen. Jedoch nennen 71 Prozent ihren "Hausverstand" und 52 Prozent "persönliche Erfahrungen" als "zuverlässigste Grundlagen", um wahre von falschen Meldungen zu unterscheiden. Auch im Eurobarometer hat der Hausverstand einen hohen Stellenwert.

Obwohl auch die neuen Vertrauenswerte durchwachsen sind, ist der Anteil jener, die angeben, Wissenschaft und Forschung "teils skeptisch" oder "sehr skeptisch" gegenüberzustehen, mit neun beziehungsweise zwei Prozent überschaubar. Personen mit Matura oder höherem Bildungsabschluss bekundeten im Schnitt deutlich mehr Vertrauen als Teilnehmer mit weniger hohen Bildungsabschlüssen.

Subjektive Aussagen der Wahrnehmung seien "nur eine Seite der Medaille", sagte der Onkologe und Immunologe Christoph Huber, Mitbegründer und Mitglied des Aufsichtsrats der Pharmafirma Biontech: "Wichtiger ist, was im internationalen Vergleich herauskommt." Für Huber sind mehr Initiativen nötig, um das laut der Studie grundsätzlich bestehende, positive Bild der Wissenschaft zu stärken. Über die Bildung müssten junge Menschen "wirklich lernen, sich für dieses Abenteuer Wissenschaft, das Hoffnungen bringt, Probleme der Menschheit zu lösen, zu begeistern".

In der Schaffung der nötigen Rahmenbedingen würde die Politik allerdings "Erklärungen nur bedingt von entschlossenen Taten" begleiten: "Wie wir wissen, muss man sehr viel mehr in Bildung und Forschung investieren. Alle Länder, die das getan haben, erzielen Erfolge. Wir haben großen Nachholbedarf", sagte Huber. Letztlich brauche es "mehr Forschungsförderung" und eine "Charta", die festlegt, wie Wissenschaftskommunikation durch Forschende belohnt werden kann.

Dass ausgerechnet der Wissenschaftsjournalismus, der evidenzbasierte Fakten vermittelt, in den Plänen zum neuen Medienförderungsgesetz keine Rolle spielt, ist für Huber "ganz entsetzlich und vernichtend für die Gesellschaft". Dem gegenüber stünden "unregulierte Meldungen im Internet". Die Gesellschaft müsse hier Wege finden, "der Wahrheitsfindung einen Rahmen zu geben".

Für den Industriellen und Ex-Forschungsratschef Hannes Androsch ist es "eine Riesenaufgabe der Bildung, der Wissenschaft zu der Geltung zu verhelfen", die ihr in Österreich gebühre. "Im Augenblick freuen wir uns, dass wir seit der Zuerkennung im Fach Physik an Anton Zeilinger Nobelpreisträger sind. Aber es ist der Cordoba-Effekt der Wissenschaft, denn eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und wir sind eher im Winter."