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"Pro Jahr um fünf Prozent mehr"

Von Eva Stanzl und Heiner Boberski

Wissen
Anton Zeilinger (M.) mit der neuen FWF-Präsidentin Pascale Ehrenfreund (ein "Wiener Zeitung"-Interview mit ihr erschien am 8. Juni) und Forschungsminister Karlheinz Töchterle.
© Martin Lusser

Erhöhung des Budgets für die Grundlagenforschung auf eine Dekade.


"Wiener Zeitung":Als ÖAW-Präsident sind Sie öffentlicher Kritik ausgesetzt. Warum tun Sie sich dieses Amt eigentlich noch an?Anton Zeilinger: Ich habe selbst viel von der Akademie bekommen und so trivial es klingt: Ich möchte etwas davon zurückgeben und etwas zur Zukunft dieses Landes beitragen. Die Akademie hat trotz aller Diskussionen um sie noch immer ein sehr hohes Ansehen, das möchten wir ausbauen. Wir haben etwa 700 Mitglieder, die umfangreiches, sehr breites Wissen repräsentieren, das unserem Land sehr viel nützen kann.

Im neuen Präsidium sitzt niemand aus dem früheren Präsidium. War das ein bewusster Schritt?

Ich habe von vornherein gesagt, dass es wahrscheinlich gut wäre, wenn sich die jetzigen Mitglieder ausruhen dürften. Aber ich wollte nicht bewusst jemanden ausschließen und es gab Kollegen, die früher dem Präsidium angehörten, die wir ernsthaft überlegt haben. Dennoch wurde es dann doch so, wie es ist. Im Nachhinein stellt sich das als gute Lösung heraus, weil alle Präsidiumsmitglieder frisch an die Geschichte herangehen. Alle vier stehen selbst aktiv in der Wissenschaft. Leute zu haben mit Ansehen in ihrem Fach, war für mich ein wesentliches Kriterium. Es waren noch nie so viele Mitglieder bei einer ÖAW-Wahl. Man wusste, es geht um eine Richtungsentscheidung.

Ein Kritikpunkt an der ÖAW ist, dass sie überaltert ist und junge Forscher zu wenig Einfluss haben.

Wir haben ja auch einige junge Mitglieder, besonders in der jungen Kurie. Natürlich ist das Alter generell ein Problem, nur: Wissen ist keine Frage des Alters. Ältere Mitglieder sind ja nicht mental weniger fähig, und ihr großer Vorteil ist, dass sie keine Eigen-Interessen haben, mit denen sie durchkommen wollen. Sie sind so etwas wie ein Weisenrat. Wir müssen nur ein vernünftiges Gleichgewicht finden und mehr Junge hereinbekommen.

Wie wollen Sie das machen?

Wir könnten aktiv werden, indem wir einen Bonus geben für jüngere Leute und Frauen. Etwa könnte eine Gruppe nicht wie derzeit pro Jahr ein neues Mitglied vorschlagen, sondern zwei, wenn eines davon ein Junger oder eine Frau ist. Die Wahlentscheidung muss natürlich durch die Gesamtsitzung fallen - das ist ja eine Stärke jeder Akademie. Selbst Leonid Breschnew hat sich an der sowjetischen Akademie ein paar Mal die Zähne ausgebissen.



Einige Austritte aus der Akademie - Renee Schroeder, Ruth Wodak, Gunther Tichy - haben Aufsehen erregt. Werden Sie sich bemühen, diese Personen zurückzuholen?

Das steht mir nicht zu. Es erfordert eine neue Wahl nach dem demokratischen Prinzip, für das ich mit aller Energie eintrete. Ich werde aber alle drei Personen bitten, mit mir von Mensch zu Mensch darüber zu sprechen. Ob das wieder zu einer Mitgliedschaft führt, weiß ich nicht, aber man kann zumindest einmal über die Probleme reden. Dabei werde ich sicher auch etwas lernen.

Der Reformprozess hat einen Abbau an Akademie-Arbeitsplätzen gebracht ...

Abbau war es nicht, es wurde niemand deshalb gekündigt oder auf die Straße gesetzt. Die Leute arbeiten jetzt nur an anderen Institutionen, an Unis und so weiter.

Wie wird dieser Prozess fortgesetzt? Steht noch etwas an?

Gar nichts steht an. Es muss ein Stopp sein. Es darf keinen weiteren Abbau an Akademie-Instituten geben.

Und das Gegenteil von Stopp - wo wollen Sie eventuell noch ausbauen in der Akademie?

Wo wir sicher mit ganz wenig Personal ausbauen werden, ist bei der Gründung von Akademie-Kommissionen, die sich mit fächerübergreifenden Inhalten auseinandersetzen. So eine Kommission, die sich mit nachhaltiger Energie befasst, wurde bereits unter dem alten Präsidium gegründet. Ob wir neue Institute gründen, muss man sich anschauen.

Sie haben betont, dass die ÖAW zu aktuellen politischen Fragen Nützliches sagen könnte. Wie wollen Sie diese Kompetenz einbringen?

Auf tagesaktuelle Dinge aufzuspringen hätte keinen Sinn. Vielmehr werden wir mit Empfehlungen an die Öffentlichkeit gehen - von Technik über Energie bis hin zu gesellschaftspolitischen Fragen, wo viel mit Schlagworten gearbeitet wird, aber der Informationsstand relativ niedrig ist. Etwa haben viele Menschen, die heute unter 30 Jahre alt sind, einen anderen Lebensentwurf als ältere, das Leben zählt mehr als die Karriere. Wir wollen uns anschauen, was das für die Zukunft des Landes heißt und für das politische Engagement dieser Leute. Wie wird die Identität Österreichs und Europas in 50 Jahren ausschauen? Wir werden auch über Facebook und Twitter aktiv werden.

Sie haben gesagt, wenn der derzeitige Budgetpfad weiter eingehalten wird, fährt die Grundlagenforschung bald gegen die Wand ...

Das Wort Grundlagenforschung ist eigentlich ein falsches Wort. Der wichtigste Unterschied zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung ist der Zeithorizont. Bei angewandter Forschung erwarte ich mir kurzfristig Resultate, bei Grundlagenforschung dauert es länger, hat aber dafür einen viel größeren Impact. Bei der Förderung der Grundlagenforschung dümpeln wir auf einem Niveau dahin, das überhaupt nicht dem Rechnung trägt, was Österreich in den letzten zwei, drei Jahrzehnten erreicht hat. Wir hatten große Qualitätssteigerungen, nicht nur auf jenen zwei, drei Gebieten, die dauernd in den Medien sind, und wir brauchen sicher mehr Geld. Der sogenannte Budgetpfad darf nicht so durchgehalten werden nach der Wahl. Das wäre eine Katastrophe.

Können Sie das mit Zahlen untermauern?

Im Endeffekt sollten wir gleich viele Leute aus dem Ausland holen, wie ausgebildete Leute ins Ausland gehen. Mein Vorschlag wäre daher eine Erhöhung des Budgets für diese langfristige Forschung um fünf Prozent pro Jahr auf etwa eine Dekade. Mehr ist nicht sinnvoll, denn sonst erzeuge ich künstliche Effekte, wie etwa dass alle Leute, die auf dem Gebiet arbeiten, nur aus dem Ausland kommen können. Das ist nicht gescheit. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Leute aus dem Ausland zu holen, ihnen hier Superarbeitsbedingungen zu bieten, und wenn sie fertig sind, sie dann wieder ins Ausland zu schicken.

Das von Ihnen initiierte IST Austria in Klosterneuburg hat als einzige Wissenschaftseinrichtung im Land auf Jahre hinaus ein garantiertes Budget, alle anderen müssen in kürzeren Abständen um ihre Gelder raufen. Ist dieser Zustand günstig?

Ich raufe gern. Man muss es so sehen, dass andere Institutionen sich auf ihre Tradition verlassen können. Rein theoretisch könnte der Staat die Gelder für die Uni Wien oder für die Akademie abdrehen, aber wir wissen alle, dass das nicht passieren wird. So gesehen haben de facto auch die anderen eine langfristige Perspektive, das Problem ist nur, dass sie nicht explizit formuliert ist. Mit pro Jahr fünf Prozent wäre das gelöst und kann man planen. Beim Ista ist die garantierte Finanzierung notwendig. Das ist eine Institution, die sich international noch positionieren muss. Das Ista wird wohl nichts dagegen haben, wenn es nach einer gewissen Zeit mit den anderen auf einer Ebene steht nach gleichen Kriterien. Aber wenn man das zu früh macht, wäre es nicht gescheit.

Zur Person

Anton Zeilinger, geboren am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis, ist Vorstand des Instituts für Experimentalphysik der Universität Wien. Er leitet die Wiener Abteilung des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), als deren Präsident er seit 1. Juli amtiert. Zu dem vierköpfigen neuen Präsidium zählen auch der Elektrotechniker Georg Brasseur, der Numismatiker Michael Allram und die Historikerin Brigitte Mazohl.