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Die Herzforschung ankurbeln

Von Alexandra Grass

Wissen
Rund ums Herz drehen sich aktuelle Empfehlungen des Österreichischen Wissenschaftsrats.
© corbis

Zusammenarbeit mit Spitzenforschung könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein.


Wien. Die in Österreich erfolgreich angewendete Herz-Kreislaufmedizin hat in den vergangenen 30 Jahren dazu geführt, dass die Sterblichkeit in diesem Bereich um immerhin 64 Prozent zurückgegangen ist. Doch die kardiologische Forschung droht zu schrumpfen. Strukturelle Probleme zwischen Krankenhauserhaltern und den drei heimischen Medizinuniversitäten in Wien, Graz und Innsbruck würden dazu führen. Als Schuldige hat der Österreichische Wissenschaftsrat (ÖWR) in einem aktuellen Bericht die Gesundheits- und Wissenschaftspolitik ausgeforscht.

Ohne Spitzenforschung sei eine optimale Patientenversorgung nämlich nicht möglich, urteilt der deutsche Pharmakologe Thomas Eschenhagen, Leiter des Gutachtergremiums und Sprecher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauferkrankungen. Denn neue Therapiemöglichkeiten entspringen der Grundlagenforschung. Da die Herzmediziner jedoch besonders stark in die praktische Krankenversorgung eingebunden sind, gilt die Grundlagenforschung in diesem Bereich als gefährdet.

Fehlt an nötigem Freiraum

Der ÖWR fordert daher den Ausbau forschungsfreundlicher Strukturen. Denn so fehle es derzeit noch an einem entsprechenden Freiraum der Universitätsmediziner für die Forschung selbst. So sei zwar in Arbeitsverträgen verankert, dass klinisch Tätige an einer Medizinuniversität wie Wien, Graz oder Innsbruck 30 Prozent der Zeit für Wissenschaft haben müssten. Doch: "In der Realität sieht es anders aus", so Eschenhagen. Klinische Forschung gehe häufig "abends und nebenbei" vonstatten.

Kooperationen könnten ein Schlüssel zum Erfolg sein, betonte auch Guido Adler, Vorsitzender des Medizinischen Ausschusses des ÖWR. Nicht nur zwischen den Standorten Wien, Graz und Innsbruck selbst, sondern auch zwischen Universitäten (Wissenschaftsministerium) und Krankenhauserhaltern (Wien, Steiermark, Tirol) sowie den Spitalskliniken untereinander. Interaktionen sollten allerdings auch mit den Spitzenforschern im Grundlagenbereich stattfinden. Als Beispiel nannte Eschenhagen etwa das Imba (Institut für molekulare Biologie) in Wien, dessen Potenzial mehr genützt werden sollte.

Für industrieferne Projekte

Weiterer großer Kritikpunkt der Experten ist das "fehlende Geld für akademische Forschung an Patienten". Klinische Forschung dürfte nämlich nicht nur industriefinanziert stattfinden. Auch sollten Projekte umgesetzt werden können, die so manchen Hypothesen der Medizinuniversitäten entspringen. "Dort gibt es viele Defizite. Das liegt daran, dass es keine ausreichenden Förderungsmittel gibt", betont Eschenhagen. Ein entsprechendes Programm des Forschungsförderungsfonds für Klinische Forschung (Klif) sei "deutlich unterfinanziert, um es nicht drastischer auszudrücken".

Gefordert wird auch ein deutlicher Ausbau der leistungsabhängigen Mittelvergabe für Forschungsvorhaben - etwa eine Anhebung von fünf bis zehn auf 20 bis 30 Prozent.

Das dritte große Manko betrifft den Zugang zu modernen Bildgebungsverfahren, der in Österreich "nicht ausreichend" sei. Gerade mit Hilfe der Kernspintomografie (Magnetresonanz) würden sich viele Patienten operative Herzkatheter-Untersuchungen ersparen. Daher sollte man sich über die Bildung von sogenannten Imaging-Zentren Gedanken machen, um den klinisch tätigen Kardiologen mehr Freiraum für ihre zeitintensiven Untersuchungen zu verschaffen.

Die Relevanz dieses Forschungsfeldes ist auf jeden Fall gesundheitspolitisch hoch. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sind die mit Abstand häufigste Todesursache. Sie umfassen zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern oder Lungenembolien. Die wesentlichen Risikofaktoren sind etwa Bluthochdruck, ein erhöhter Cholesterinspiegel, Rauchen, Übergewicht, körperliche Inaktivität, sozialer Stress sowie genetische Faktoren.

Nach den Empfehlungen zur Onkologie (2009) und jenen zu den klinischen Neurowissenschaften (2012) sind jene zu den Herz-Kreislauferkrankungen die dritte Analyse zur Weiterentwicklung der Forschung und Lehre.

Als weitere Themen stehen die Bildgebung, die Rechtsmedizin sowie der Stoffwechsel auf der Tagesordnung. "Dann sind wir in der Lage, einen Gesamtüberblick über Österreich zu geben", erklärte Adler.